Backstage: Auspuffhersteller Akrapovič (2019)

Aus Liebe zum Sound

15.07.2019 09:45 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Bilder: Jan Bürgermeister


Jeder Autofan, der die Marke Akrapovič nicht kennt, hat etwas verpasst. Die Premium-Abgasanlagen aus Slowenien sind weltberühmt und zählen zum Nonplusultra, wenn es um Design, Sound und Langlebigkeit geht. Der Mann hinter dem Mega-Unternehmen: Igor Akrapovič. TUNING hat ihn getroffen. Exklusive Einblicke in die heiligen Hallen von Ivančna Gorica und Črnomelj.

Igor Akrapovič liebt schon immer die Geschwindigkeit, den Sound und das Gefühl von Freiheit – sein Herz schlägt für Zweiräder. Die Liebe zum Motorrad hat den Slowenen wahrlich zu einer Koryphäe gemacht. Aber der Reihe nach: Igor wird am 6. Februar 1959 im slowenischen Ljubljana als Sohn von Sonja und Ivan Akrapovič geboren. Schnell entwickelt der damals kleine Junge eine enorme Faszination für den Motorrad-Rennsport, schon als Teenager nahm er in den 70er-Jahren an Motorrad-Rennen teil. „Alles geht auf die Zeit zurück, in der ich die WM-Fahrer in der 500-ccm-Klasse bewundert habe. Ich wollte ein Teil dieses Zirkus' sein und habe damals in diese Richtung eine Strategie entwickelt, die ist heute noch ein Teil von uns. Motorrad-Rennen waren zu dieser Zeit das Einzige, was mich interessiert hat." Igor Akrapovič zeigte sich bereits in jungen Jahren äußerst fokussiert, wenn es um seine einzig wahre Leidenschaft ging. Er hatte quasi nur die Karriere als Rennfahrer im Kopf und war kaum davon abzubringen, eines Tages Weltmeister zu werden. Auch wenn er in seiner mehr als zehnjährigen Motorsport-Karriere einige Meisterschaftstitel einfuhr, kamen die Welterfolge erst später. Der große Stein kam ins Rollen, als Igor damals einen Mangel an hochwertigen Abgasanlagen für den Motorsport erkannte ... Das ist die Geschichte von Igor Akrapovič, des Mannes, der das gleichnamige Welt-Unternehmen im Jahre 1991 für Premium-Abgasanlagen gründete.

Heute ist die Marke weltberühmt. Durch international bedeutende Erfolge im Rennsport, darunter zahlreiche Weltmeistertitel, hat sich das Unternehmen mit Pioniergeist im innovativen Gebrauch von Titan und Superlegierungen sowie Carbon einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Akrapovič-Abgasanlagen sind heutzutage in mehr als 80 Ländern vor allem bekannt für ihren unverkennbaren Sound, Leichtbau, Langlebigkeit und nicht zuletzt ihr innovatives Design. Die Umsetzung dieses hohen Standards hat dem slowenischen Unternehmen zum neunfachen Gewinn des renommierten Designpreises „Red Dot Award" und Akrapovič zu einer Vorreiter-Stellung im Segment Abgasanlagen verholfen. Die Slowenen haben mit Produkten aus dem Motorsport angefangen und die Wurzeln des Unternehmens müssen selbstverständlich gepflegt werden: Akrapovič engagiert sich deshalb in den meisten Weltmeisterschaften und nationalen Championaten. Dabei arbeiten die Auspuff-Experten eng mit Teams in Rennserien wie der MotoGP, WorldSBK, FIA WEC und der DTM zusammen. Dazu zählen namhafte Rennställe wie Aston Martin Racing, Audi Sport, BMW Motorsport und X-raid, um nur wenige zu nennen. Das Know-how aus dem Motorsport wird auch bei den Systemen für den Straßen- und Geländeeinsatz angewendet. Laut Unternehmen sei das Ziel eine gesteigerte Performance, welche aus einem besseren Ansprechverhalten, mehr Leistung und eine höhere Widerstandsfähigkeit besteht. Für ein perfektes Ergebnis „spult" jede Neuentwicklung unzählige Testkilometer auf den Straßen und auch Rennstrecken dieser Welt ab.

Jedes Teil ein Kunstwerk

Insgesamt blickt das Unternehmen auf mehr als 20 Jahre Rennsport-Erfahrung in den höchsten Klassen des Motorsports und mehr als 100 Weltmeister auf zwei sowie vier Rädern zurück. Dass Firmengründer Igor Akrapovič mit diesem Erfolgsrezept gut fährt, zeigen nicht nur die zufriedenen und freundlichen Mitarbeiter, sondern auch die modernen und super-ordentlichen Räumlichkeiten. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter an zwei Standorten in Slowenien und produziert in Fabrikhallen, in denen man vom Boden essen könnte – Tatsache! Akrapovič besitzt hoch technologisierte Forschungslabore und Hightech-Maschinen. Ganz besonders stolz sind die Osteuropäer auf die hauseigene Titan-Gießerei, bei der der Super-Werkstoff für den Bau ihrer High-Performance-Abgasanlagen verarbeitet wird. Der ganze Produktionsprozess vom Stück Blech bis hin zu einer fertigen Abgasanlage gleicht fast schon einem Kunstwerk.

Denn egal, ob es sich um einen titelgekrönten Rennwagen aus der Weltmeisterschaft oder das neueste Straßenfahrzeug handelt: Akrapovič achtet stets darauf, dass das Design der Abgasanlage zum Fahrzeug passt und für das jeweilige Anwendungsgebiet abgestimmt wird. Zu Beginn einer jeden Entwicklung steht das 3D-Scanning, bei dem das Entwicklungsfahrzeug auf den Millimeter genau ausgemessen wird. Wichtig für die Performancesteigerung sind vor allem ein optimierter Abgasfluss und eine hohe Hitzebeständigkeit. Hinzu kommt natürlich das im Vergleich zur Serienanlage geringere Gewicht durch die Verwendung von Titan, Carbon oder dem extrem haltbaren Formel-1-Werkstoff Inconel. Ein Beispiel: Bei einem BMW M5 (F90) wiegt die Abgasanlage rund 29 Kilogramm, während es das Akrapovič-Produkt nur auf rund 19,5 Kilogramm bringt. „Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung gehört zu den am meisten beschäftigten und modernsten der Welt", erzählt uns PR-Referent Mitja Reven, der uns als „Guide" vor Ort zur Seite stand. Neben den Produktgruppen „Motorsport" gibt es noch den Bereich Aftermarket sowie den OEM-Bereich. Alle drei Sparten splitten sich dabei in Motorrad und Automobil auf. „Gerade die Projekte mit den großen Fahrzeugherstellern sind sehr anspruchsvoll", erzählt Mitja weiter und erwähnt die neue Kooperation mit Volkswagen und dem Golf R, für welchen es seit kurzer Zeit eine speziell mit der „R" GmbH entwickelte „R"-Performance-Abgasanlage als offizielles Volkswagen-Zubehör zu kaufen gibt.

Noise, vibration, harnish

Die Abstimmungs- und Freigabeprozesse für OEM-Kunden mögen zwar aufwendiger sein und etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die Fertigungen der Abgasanlagen, ganz gleich ob für verschiedene Motorrad- oder Automodelle, ist aber weitgehend identisch. Je nach Modell ist das Akrapovič-System sogar zum großen Teil „handmade" – wie etwa beim neuen BMW M5. Denn nachdem das Entwicklungsfahrzeug dreidimensional vermessen und die Temperaturen der Serienanlage anhand eines Wärmebildes gemessen wurden, entwickelt eine Hand voll Produktingenieure im Anschluss das passende Modell am Computer, um zum Beispiel die passenden Werkzeuge für den Bau eines Prototypen fertigen zu können. So entsteht zunächst aus Titan ein Rohr, welches dann im Folgeschritt gemäß den Anforderungen gebogen wird. Dann kommt das 2D- und 3D-Lasercutting zum Einsatz, wobei Befestigungspunkte oder weitere Teile aus dem Rohmaterial herausgeschnitten werden. Andere Teile wiederum kommen aus der hauseigenen Gießerei. Sind alle Einzelteile eines Systems – egal ob für Motorrad oder Auto – fertig, so treffen sie im sogenannten „Muffler Department" zusammen. Dann kommt spezielle Dämmwolle in den Schalldämpfer und alle Teile werden anschließend oftmals noch per Hand miteinander verheiratet. Zu guter Letzt werden einige der Abgassysteme noch gecoatet, also sandgestrahlt, und erhalten schließlich die unverkennbare Akrapovič-Lasergravur.

Gut acht Monate Entwicklungszeit

Ist der Prototyp fertig, wird er am Testfahrzeug verbaut und auf dem Dyno-Prüfstand getestet. Die Abgastemperatur kann dabei auf bis zu 1.000 Grad Celsius ansteigen. Des Weiteren folgt der sogenannte „NVH"-Test. Die Konstruktion unter Berücksichtigung von „Geräusch, Vibration und Rauheit" (Noise, Vibration, Harshness; NVH) ist bekanntermaßen eine schwierige Aufgabe. Darüber hinaus stehen Ingenieure unter dem Druck der immer kürzeren Markteinführungszeiten. Fahrzeuge müssen weiterentwickelt werden und leise sein, aber trotzdem auf Kommando das gewünschte satte Geräusch erzeugen – und zugleich die gesetzlichen Lärmgrenzwerte einhalten. Das Zusammenspiel von tausenden Komponenten in der Struktur macht es so schwierig, das NVH-Verhalten in seiner Gesamtheit zu prognostizieren und gezielt zu gestalten. 

Insgesamt benötigt das Entwicklungsteam von Akrapovič je nach Anwendung acht Monate von der Entwicklung bis hin zur Zulassung eines neuen Systems. Die Länge der Entwicklungszeit kommt ganz darauf an, wie lang und groß die Abstimmungsprozesse der einzelnen Abteilungen und den verantwortlichen Projektmanagern, Technologen und den CRD-Designern ausfällt. „Mit am wichtigsten ist das Pre-Development, also die Simulationen, Analysen und Optimierungen vor In-Serie-Gehen des neuen Produktes", erklärt uns PR-Referent Mitja weiter. Und auch die Konfiguration von Abgasanlagen und die Einhaltung der Emissionsgrenzen werden dank Otto-Partikelfilter sowie neuen Richtlinien für Hersteller wie uns immer schwieriger", erzählt uns der Firmengründer Igor Akrapovič höchstpersönlich. Übrigens sei auch ein Unternehmen wie Akrapovič auf die Zukunft eingestellt. Für den Fall, dass die Welt irgendwann tatsächlich nur noch rein elektrisch unterwegs sei, baut sich das Unternehmen noch einen weiteren Standfuß auf: „Da wir vieles selbst herstellen können, haben wir uns zusätzlich auf Medizin- und auch andere Produkte spezialisiert", so Akrapovič weiter.

Übrigens: Insgesamt werden 95 Prozent aller Produkte selbst hergestellt – ganz im Sinne des Gründers. Denn wer so ein global agierendes Unternehmen aufbauen kann, muss ein „Macher" sein. Und seinen Wurzeln treu bleiben. So bildet das Segment Zweirad nach wie vor das größte Standbein des Unternehmens. Rund 70 Prozent aller verkauften Produkte sind für Motorräder, rund 30 Prozent für Autos. Dennoch bezieht sich das „nur" auf einen Gesamtumsatz von rund 107 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2017 – Tendenz steigend, auch wenn die Märkte sich verändern. Auf Nachfrage erzählt uns Igor: „Aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzungen in Europa und den USA scheint das Interesse an Supersport-Motorrädern zurückzugehen. Deshalb haben wir aktuell noch andere Motorrad-Segmente erschlossen." Igor Akrapovič weiß, was er tut. Er ist ein unheimlich erfolgreicher Geschäftsmann und muss mit seinem Unternehmen stets in Bewegung bleiben. Trends müssen erkannt werden, Marktveränderungen genauso. Verständlich, dass das Unternehmen seit der Gründung 1991 seine Produktpalette stetig ausgebaut hat.