Golf 1 GTI von Thorsten Pistor (2019)

Style follows function

12.06.2019 11:00 Uhr

Text: Nick K. Hofmeister | Fotos: Speedyshots.de


Dieser GTI mauserte sich vom Gruppe-H-Rallye-GTI zu einer wunderschönen Hommage an die Gruppe-2-Seriensportwagen der späten 1970er-Jahre. Ein GTI – viel zu schön, um nur zu parken ...

Es gibt sie noch, die alten „Hasen" in der Szene, die beim Tuning alles dem Fahrspaß und der Fahrdynamik opfern und lieber den Style ganz weit hinten einreihen. Denn warum so viel Zeit und Geld nur in die Optik stecken, wenn die Basis allein beim Design schon längst allererste Sahne ist? Ein alter Hase beim Tuning und Fan von VWs im unverfälschten Race-Look ist Thorsten Pistor vom „GTI Freundeskreis Wörthersee". Bereits in den späten Neunzigern hatte der Westerwälder an zig Volkswagen seine Finger im Spiel. Mit Anfang vierzig kann Thorsten auf eine ellenlange Fahrzeughistorie zurückblicken. Manchmal ärgert er sich noch heute, dass er damals so manche coole Kiste verkaufte. Meist war einfach kein Stellplatz mehr vorhanden. Aber was vorbei ist, ist vorbei. Genauso wie Thorstens Ausflüge in die Show&Shine-Szene. Dieser hat er längst den Rücken gekehrt. Irgendwann saß er in seinem Golf und fuhr auf der Nordschleife – eine völlig andere Liga. Anstatt sein Auto weiter auf dem Asphalt abzulegen, will er seitdem lieber nur noch fahren – und nicht nur geradeaus! Und dass er nicht nur geradeaus fahren will, hat er einem Bekannten zu verdanken, der ihn irgendwann von den ersten Slalomrennen zum Rallyesport brachte.

Ein langer Weggefährte

Dieser VW Golf GTI Baujahr 1980 begleitet Thorsten im Grunde schon seit den 1990er-Jahren, und der Schreiner brachte es zum Glück nie übers Herz, diesen VW zu verkaufen. Was für ein Glück! Der GTI machte dabei mit Thorsten schon so einiges mit. Denn nach den ersten regelmäßigen Ausflügen auf die Nürburgring-Nordschleife und diversen technischen Verbesserungen, um der „Grünen Hölle" besser Paroli bieten zu können, fing Thorsten mit dem Rallyesport auf nationaler Ebene an. Um regelkonform unterwegs sein zu können, krempelte er den Golf komplett um und rüstete auf das Gruppe-H-Reglement auf. In dieser Zeit musste der Volkswagen dann richtig leiden. Aber so ist eben der Motorsport. Das Auto ist nur ein Mittel zum Zweck – und ein „Gruppe-H-GTI" dabei ein ziemlich Gutes.

GTI Freundeskreis Wörthersee

Irgendwann wurden die Rallye-Kampfspuren immer mehr, und der ziemlich hart gefahrene GTI wurde von Thorsten von Grund auf neu restauriert. Es dauerte dabei aber viel länger als gedacht. „Na ja, so was macht man eigentlich nur einmal im Leben. Mein Kumpel Björn Wallbruch ist Kfz-Meister und hat mir sehr viel geholfen", bedankt sich Thorsten. Mit Freunden und immer, wenn die Zeit es zuließ, restaurierte Thorsten die Rohkarosse aufwendig. Sämtliche Blessuren eines harten Golf-Lebens auf der Nordschleife und bei Rallyes wurden beseitigt. Um es perfekt zu machen, führte aber kein Weg an einer Kernsanierung vorbei. Die Karosse wurde gesandstrahlt. Thorsten überarbeitete alle Schweißnähte und verstärkte sie. Schnickschnack wie das Schiebedach wurden gestrichen, und am Heck wurde von den Facelift-Rückleuchten auf die schmäleren „Ur-GTI-Leuchten" zurückgerüstet. Anstatt einfach nur das Schiebedach zuzuschweißen und so Murks ins Auto zu holen, tauschte Thorsten die gesamte Dachhaut aus. Im Laufe der Jahre kam eine DMSB-zertifizierte Sicherheitszelle und kein x-beliebiger Clubsport-Überrollbügel an Bord. Die Zelle beginnt vorne an den Domen und versteift die gesamte Golf-Karosse. Die Frage nach H-Strebe und Kreuz erübrigt sich von selbst. Es ist echte Motorsport-Hardware, und selbst am Dach ist deshalb der Käfig mit einem Kreuz versteift. Natürlich ist die Zelle genauso wie die gesamte Karosserie in Weiß gehalten. Nur an der A-Säule kam etwas Schwarz ins Spiel und dann auch noch eine Unterschrift vom „Langen" alias Walther Röhrl.

Breitensport

Wer jemals einen alten, frei hochdrehenden Achtventiler von Volkswagen gehört hat, weiß, dass das mit zu den schönsten Motorensounds gehört. Die VW-SPEED-Leser unter euch, die bereits mit TSI- und TFSI-Motoren aufgewachsen sind, werden an diesem Motor eventuell achselzuckend vorbeigehen. Denn für Nichtkenner gibt es auf den ersten Blick nur einen offenen Sportluftfilter zu sehen. Dabei hat der standfeste Motorumbau viel mehr zu bieten. Der DX ist ein Werk von Motorenbauer Stefan Hübenthal, der den alten 112 PS starken Achtventiler komplett überarbeitete und dabei keineswegs ans Limit ging. Aus dem 1,8-Liter-GTI-Vierzylinder holte der Motorenbauer durch klassisches Tuning ein paar Extra-PS heraus. Der Zylinderkopf wurde komplett überarbeitet. Mit verstärkten Ventilfedern, Tassenstößeln vom Mercedes-Benz 190 Evo und einer anderen Nockenwelle wurden die Ventilsteuerzeiten überarbeitet. Schmiedekolben von Wössner und Pleuel von Carrillo sowie eine neue Kurbelwelle wuchten seitdem ausreichend Leistung in den Antriebsstrang. Um keine thermischen Herausforderungen zu haben, wurde direkt unter der Stoßstange ein übergroßer Ölkühler montiert. Gekrönt wird der alte Achtventiler von zwei Doppelwebervergasern. Apropos, Achtventiler-Tuning. Die alten VW-Vierzylinder sind in den „kleinen" Hubraumklassen im Gruppe-H-KW-Berg-Cup gern gesehene Mittel zum Zweck. So mancher „Hubraumzwerg" mit nur 1,3 Liter leistet 160 PS oder mehr – und das ganz ohne eine Zwangsbeatmung durch einen Turbo! Übrigens, sämtliche Leitungen des Bremskreislaufs sowie die gesamte Elektrik wurde innen verlegt. Dass zwei Schalensitze, H-Gurte und ein geschüsseltes Dreispeichensportlenkrad an Bord sind, war für den Sportbetrieb natürlich Pflicht. Für eine bessere Gewichtsverteilung wanderte die Batterie in den Fond, und das gesamte Armaturenbrett wurde für den Motorsporteinsatz modifiziert. Die Elektrik wird stilecht über Kipphebel geschaltet. Not-Aus-Schalter sind natürlich ebenfalls an Bord. Das Fünfgangschaltgetriebe mit seiner Sintermetallsportkupplung wird über einen Shortshifter geschaltet.

#teamwbas – eingeschworene Oldschool-Community

2016 war es dann endlich mal so weit. Thorsten fuhr gemeinsam mit Volkswagen für den „GTI Freundeskreis Wörthersee" nach Kärnten. Ob auf der Nordschleife oder bei diversen Slalomrennen – Thorsten ließ nichts anbrennen, und seine Familie gab ihm dazu immer den gewünschten Auslauf. Irgendwann hatte dann Thorsten die Idee, seinen GTI zum Sport-Klassiker reifen zu lassen. Lange bevor die „Rocket-Bunny"-, „Liberty-Walk"-, „Rauh-Welt-Begriff"-Breitbauten vom Mainstream entdeckt wurden, gab es in den Siebzigern, Achtzigern und frühen Neunzigern einen sogenannten „Breitbau-Hype". Aber wie die japanischen Breitbauten hatten auch all die diversen deutschen Kits von Rieger über Mattig bis zu Kamei ihre Vorbilder im Motorsport. Von Mitte der 1960er- bis Anfang der 1980er-Jahre gab es die guten alten Serien-Tourenwagen alias Gruppe-2-Rennwagen. Und diesen Kult in Form ihrer „getüvten" Breitbauten lässt das „Team Widebody Allstars" wieder auf die Straße los. Wer sich auskennt, weiß, dass das sogar mit H-Zulassung funktionieren kann, denn die alte Gruppe-2-Aerodynamik ist eine zeitgenössische Modifikation am Golf 1! Falls ihr Fragen dazu habt, quatscht einfach die „Widebody Allstars" direkt auf Facebook an. Denn seit Winter 2017/2018 ist auch Thorsten ein aktiver Teil des „#teamwbas" und hat seinen GTI mit den Gruppe-2-Verbreiterungen und den Frontspoilern „bewaffnet". Dazu rüstete er auch noch auf die schmalen Vorfacelift-Stoßstangen um. An diese montiert Thorsten manchmal als Erinnerung an den legendären „Zebra-Rallye-GTI" aus der 1978er-Rallyemeisterschaft die volle Breitseite an vier 100-Watt-Zusatzscheinwerfern. Spätestens dann möchte niemand mehr von ihm mit der Lichthupe gegrüßt werden ...

DATEN & FAKTEN

Thorsten Pistor >>> VW Golf 1 GTI (1980)

MOTOR: Umbau auf 1.781 ccm Vierzylindermotor 8V (DX) mit 82 kW/112 PS; bearbeiteter Zylinderkopf mit überarbeiteten Ventilspiel (Sportnockenwelle, verstärkten Ventilfedern, Mercedes-190-Evolution-Motorsport-Tassenstößel); Carrillo-Pleuel, Schmiedekolben von Wössner, Stahlkurbelwelle; zweiteilige Oettinger-Ölwanne, Zusatzölkühler; Wasserkühler mit Zusatz-SPAL-Lüfter; 45er-Weber-Doppelvergaser; dBilas-Luftansaugung und K&N-Luftfilter; überarbeiteter Benzinkreislauf mit Pierburg-Benzinpumpen

KAROSSERIE: komplett restaurierte Typ-17-Karoserie (diverse Schweißarbeiten, alle Schweißnähte überarbeitet und verstärkt; gesamte Dachhaut ausgetauscht, Umbau der Heckleuchten auf Vorfacelift; Dichtungen und Gummis erneuert usw.); Vorfacelift-Stoßstangen; Golf-1-Gruppe-2-Motorsport-Kotflügelverbreiterungen und-Frontspoiler; Motorsport-Haubenverschlüsse und Heckklappenverschlüsse; Makrolon-Heckscheibe und -Seitenscheiben mit Schiebefenster; Abschleppöse; schwarze Blinker; vier Fernlichtzusatzscheinwerfer; Komplettneulackierung in Weiß

FAHRWERK: H&R-Rallyefahrwerk; verstärkte Bonrath-Achslager; Unibal-Domlager

BREMSEN: Vierkolbenbremsanlage von Wilwood, Ferrodo-Bremsbeläge, Golf-GTI-16V-Bremsscheiben (vorn und hinten); Goodrige-Stahlflexbremsleitungen; hydraulische Handbremse

GETRIEBE: verstärktes Fünfgangschaltgetriebe, Sportkupplung

AUSPUFF: Supersprint-Auspuffanlage inklusive Fächerkrümmer

RAD/REIFEN: OZ-Racing-Rallye-Leichtmetallfelgen 6,0 x 15 Zoll mit Semislick-Reifen in 195/50-15

INTERIEUR: leer geräumter Innenraum; eingeschweißte Sicherheitszelle mit Flankenschutz, Dachverstrebung, Kreuz, H-Strebe; Vollschalensitze, Fangnetz, geschüsseltes Dreispeichensportlenkrad mit 12-Uhr-Naht; beflocktes Armaturenbrett; Shortshifter, hydraulische Handbremse, GTI-Golfball-Schaltknauf; VDO-Zusatzinstrumente; Kohlefaserverkleidungen; Lochblechfußraum; Eigenbau-Kabelstrang (Notaus-Schalter, Batterie in Fond verlegt, Sprechfunk, Schalterkulisse usw.); Feuerlöscher, Notrad und Notfallbordwerkzeug

KONTAKT: wbas (www.facebook.com/widebodyallstars/), White Rabbit (www.facebook.com/WHTRBT/)