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30 Jahre Audi Trans Am (2018)

510 Turbo-PS und Quattro machten ihn fast unschlagbar

31.07.2018 11:04 Uhr

Text: Patrick Zwerger | Fotos: Marcus Krüger


Nach dem Rallye-Aus für die Gruppe B-Monster Ende 1986 sah sich Audi nach einer neuen Spielwiese für seine Rennboliden um. Fündig wurde man schließlich in den USA: 1988 traten die Ingolstädter mit dem Audi 200 quattro zur Trans-Am-Meisterschaft an – und fuhren die heimische Konkurrenz gnadenlos in Grund und Boden.

Die Zeit ist knapp. Das ist sie irgendwie immer gewesen, aber hier in den USA, auf einem neuen Kontinent, in einer neuen Rennserie, fühlt sich alles doch noch einen Zacken enger an: Wir schreiben das Jahr 1987. Für die kommende Saison hat Audi ein Team bei der Trans-American Sedan Championship gemeldet – nach all den wilden Rallyejahren und dem Triumph von Pikes Peak im Sommer zieht es die Oberbayern nun also auf die Rundstrecke. Der Startschuss dafür ist allerdings reichlich spät gefallen – erst im Herbst 1987 waren sämtliche Formalitäten mit dem Veranstalter ausgehandelt. Deshalb muss es nun schnell gehen, denn schon Mitte April steht der erste Meisterschaftslauf an. Immerhin: Drei Fahrer sitzen bereits mit im Boot – und was für welche! Neben „Strietzel" Stuck und Walter Röhrl komplettiert Hurley Haywood das Triumvirat, das der Marke mit den vier Ringen in den USA zu Ruhm und Ehre verhelfen soll. Ein Rallye-Ass und zwei Le-Mans-Sieger im Cockpit – geballte Kompetenz! Vor allem Haywood soll als US-Boy von Beginn an die Sympathie der amerikanischen Fans auf die deutschen Newcomer lenken und möglichst um den Titel mitfahren. Ehrgeizige Pläne für ein Rookie-Team.

Zum Glück müssen sich die Audi-Techniker nicht gänzlich unbefleckt in das Abenteuer Rundstrecke stürzen: Schon ein Jahr zuvor haben sie einen nach NASCAR-Regeln gebauten Audi 200 quattro mit Bobby Unser am Steuer über den Talladega Superspeedway gejagt – und dabei direkt einen neuen Streckenrekord für Allradler aufgestellt. Ebendieser Audi 200 soll nun auch als Basis für den neuen Rundstreckenrenner herhalten. Natürlich weiß bei Audi jeder, dass NASCAR und Trans-Am zwei verschiedene Paar Stiefel sind. Trotzdem ist das Team vom Start weg zuversichtlich, glaubt an seine Chance, arbeitet auf Hochtouren am gelungenen Einstand. Für große Experimente lässt das Zeitfenster allerdings wenig Raum. Deshalb konzentrieren sich die Ingenieure vor allem auf das, was sie schon haben: ein Chassis mit selbsttragender Karosserie, einen Fünfzylinder-Turbomotor, Sechsgang-Handschaltung und Allradantrieb. 510 PS presst der KKK-Lader aus dem 2,1 Liter großen Zehnventiler heraus – gerade genug, um den per Reglement festgelegten Mindestwert von 500 PS zu übertreffen. Optisch stechen vor allem die 14,75 breiten Goodyear-Slicks und die auf über zwei Meter verbreiterte Karosse hervor. Die ersten Tests im Januar 1988 laufen vielversprechend, dennoch sieht der deutsche Kandidat auf dem Papier gegenüber der US-Konkurrenz ziemlich alt aus. Deren Achtender-Hubraummonster reißen durchweg locker die 600-PS-Marke. Doch im Audi-Lager bleiben sie ganz gelassen. Fahrer und Techniker wissen: Muskelkraft ist nicht alles – man muss die Power auch auf die Straße bringen ...

„Power is nothing without control"

Das Lachen jedenfalls bleibt den anderen Teams im Frühjahr 1988 schnell im Hals stecken. Schon beim ersten Saisonrennen in Long Beach beißen sich die Audis in der Spitzengruppe fest, gehen jedes Tempo locker mit. Und während Hans-Joachim Stuck in der 16. Runde auf Podiumskurs liegend von einem langsameren Kontrahenten abgeschossen wird, setzt Hurley Haywood mit Platz zwei ein erstes Ausrufezeichen: Die Audis sollte man auf der Rechnung haben ... Die Hoffnung der Gegner, es handle sich um eine Eintagsfliege, zerschlägt sich schnell. 15 Tage später feiert Haywood in Dallas den ersten Saisonsieg im zweiten Rennen, beim fünften Lauf in Niagara Falls überrundet Sieger Walter Röhrl gar das gesamte Feld – welch eine Machtdemonstration! Für GM, Ford und Co. ein Schock: Schicken sich diese Underdogs aus Old Europe doch tatsächlich an, ihnen die Wurst vom Brot zu klauen. Das Geheimnis des Erfolgs ist schnell entschlüsselt: Die Amis haben Hubraum – die Deutschen haben quattro! „Wir konnten auch da noch fahren, wo neben der Ideallinie Splitt und Gummiabrieb lag", erinnert sich Dieter Basche, damals Leiter Versuch und Entwicklung bei Audi Sport, im Interview mit dem Netzportal „Zwischengas". „Wenn da ein anderer Wagen drauf kam, schmierte der ab. Unser Audi versetzte bestenfalls 30 Zentimeter. Da konnte man dann eben auch überholen ..."

Triumph mit Konsequenzen

Die Demütigung nimmt immer gravierendere Formen an. Nach der Hälfte der Saison hat Audi vier von sechs Rennen gewonnen, Hurley Haywood liegt im Gesamtklassement an erster Stelle. Nun bekommen auch die Rennveranstalter des Sports Car Club of America (SCCA) kalte Füße. Kurzerhand verhängen sie Sanktionen gegen die übermächtige Konkurrenz aus Deutschland: Die Reifenbreite wird auf 14,25 Zoll kastriert, zudem muss Audi erst 50 und schließlich noch einmal 50 Kilo Zusatzgewicht ins Auto packen. Die Leermasse des 200 quattro steigt damit von 1.100 auf 1.200 Kilogramm. Nach Reglement ist das korrekt – die Regularien erlauben ausdrücklich derlei Daumenschrauben für überlegene Teams. Doch das Audi-Team zeigt sich unbeeindruckt – Haywood, Stuck und Röhrl siegen einfach weiter. Am Ende gewinnt das Rookie-Team acht von 13 Rennen, sichert sich souverän den Sieg in der Markenwertung, während Haywood, der als einziger der drei Piloten bei allen 13 Rennen gestartet ist, mit 152 Punkten den Fahrertitel holt. Bäm – das sitzt! Und zwar so tief, dass der SCCA für die folgende Saison kurzerhand das Reglement ändert: Ab 1989 ist Allradantrieb in der Trans-Am-Serie verboten, außerdem dürfen nur noch Fahrzeuge mit amerikanischen Motoren an den Start. Kein sonderlich souveräner Umgang mit der „quattro-Krise", für die Audi-Verantwortlichen jedoch wenig verwunderlich. Und auch nicht weiter tragisch, denn in Ingolstadt schmiedet man längst neue Pläne: Die Ära des Audi 90 IMSA GTO kündigt sich an – bevor ab 1990 der Audi V8 R6 die DTM unsicher macht.

DATEN & FAKTEN 

Audi 200 Quattro Trans-Am (1988)

MOTOR Fünfzylinder-Reihenmotor (10V) mit 2,1 Litern Hubraum und KKK-Turbolader mit 2,8 bar Ladedruck; Leistung 510 PS, 530 Nm Drehmoment, Vmax ca. 300 km/h; Aluminium-Kurbelgehäuse, Magnesium-Ölwanne, modifizierter Brennraum, geänderte Ein- und Auslassventile, Wastegate, Luftmengenbegrenzer mit 64 mm Durchmesser (später 54 mm), Lichtmaschine im Fond (durch Hinterachse angetrieben); Auspuffanlage mit Verrohrung durch den Beifahrerfußraum und seitlichem Endrohr auf Höhe der B-Säule; vollsynchronisiertes Sechsgang-Schaltgetriebe aus dem Sport quattro S1, permanenter Allradantrieb (quattro)
KAROSSERIE selbsttragende Karosserie mit eingeschweißtem Stahlrohrrahmen und zusätzlichem Seitenaufprallschutz sowie Versteifungen; Außenbeplankung aus Kunststoff, Heckspoiler und Racing-Frontschürze mit Spoiler; Karosserie auf 203 cm verbreitert, Länge 490 cm, Radstand 269 cm, Leergewicht 1.100 kg (später 1.200 kg)
FAHRWERK modifiziertes Serienfahrwerk mit McPherson-Vorderachse und Doppelquerlenker-Hinterachse sowie gekürzten 2-Rohr-Stoßdämpfern und Stahlfedern; Tieferlegung 65 mm
RAD/REIFEN 14,75 Zoll breite Rennsportfelgen (später 14,25 Zoll) auf Goodyear Eagle-Slicks; Turbinenradkappen zur Bremsenkühlung
BREMSEN Bremsanlage vom Sport quattro S1 mit 330 x 32 mm Scheibenbremsen
INTERIEUR Cockpit ausgeräumt bis aufs Bodenblech, rudimentäres Armaturenbrett, Feuerlöscher in der „Mittelkonsole"; Fahrersitz um 40 cm nach hinten verlegt für bessere Gewichtsverteilung; Recaro-Schalensitze, Sabelt-Rennsportgurte