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Designentwicklung bei Borbet (2018)

"Schöne Räder sind wie Schmuck fürs Auto"

02.08.2018 10:49 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Borbet, Joshua Hildebrand


Felgen sind so ziemlich das wichtigste Tuning-Stilmittel überhaupt, und beim Design ist nahezu alles erlaubt (Hauptsache, es erfüllt die Festigkeiten). Gut, dass es Räderhersteller gibt, die immer wieder an neuen Stylings feilen und neue Veredelungsmethoden entwickeln. TUNING hat die Entwicklungsabteilung von Borbet besucht.

Was Blahniks oder Louboutins für manche Frau sind, sind Felgen für uns Männer – echte Schmuckstücke mit dem gewissen Statement eben. Eigentlich sollte man auch meinen, dass in Sachen Design alles schon mal da gewesen ist. Die Möglichkeiten, den Reifen mit der Achse zu verbinden, scheinen begrenzt. Doch immer wieder überraschen uns die kreativen Köpfe aus den Designstudios der Felgenhersteller mit neuen Ideen. Für den Endverbraucher ist dabei gar nicht ersichtlich, welcher Aufwand eigentlich dahintersteckt und wie viele Kriterien erfüllt sein müssen, damit ein Rad Serienreife erlangt. Chris Reitz ist Industriedesigner bei Borbet am Standort Hesborn und muss sich genau mit dieser Thematik beschäftigen. Er ist neben Elena Feldewerth und Roberts Spogis einer von drei kreativen Köpfen, die Felgen lieben und in Abstimmung mit der Technikabteilung 3-D-Designs am Rechner entwickeln, um sowohl den OE-Kunden (Original Equipment), also Automobilhersteller als auch dem Fachhandel gerecht zu werden.

„Der Ablauf von der Idee eines neuen Raddesigns ist daher abhängig von seinem Einsatzgebiet. Während die Rad-Designs für die Automobilindustrie (OE) zumeist vom Hersteller selbst geliefert werden, bekommen wir die Anforderungen für den Bereich Fachhandel vom Team des Geschäftsführer Fachhandel Oliver Schneider", erklärt Reitz. Theoretisch sind die Stylings der OEMs bereits fertig. Die Konstruktion der am Rechner entworfenen CAD-Modelle müssen dann von der Borbet-Technikabteilung vor Ort auf Festigkeit und Machbarkeit überprüft werden. Dabei ist nicht nur ausschlaggebend, dass das Rad auf der Straße funktioniert. Vielmehr muss die Konstruktion so gewählt sein, dass die Entformungsschrägen und Radien des Rades eine gute Entformung aus der Kokille (Gussform) gewährleisten. Überaus wichtig dabei ist die Einhaltung der Philosophie – das bereits fertige Design soll, wenn möglich, so wenig verändert werden, dass man es mit dem bloßen Auge kaum erkennen wird. Wie komplex der Vorgang und die Abstimmung zwischen Technik- und Designabteilung manchmal sein können, weiß die Grafikdesignerin Elena Feldewerth. Sie fängt gerade damit an, Felgen zu entwickeln: „Erst prüft die Technik, dann geht das Raddesign zu uns und wieder zurück zur Technik. Ein bis zwei ‚Loops' sind vor allem bei komplexen Felgen keine Seltenheit."

Die größte Herausforderung besteht vor allem darin, dass das von den Automobilherstellern vorgegebene Gewicht nicht überschritten werden darf, die Radlast aber passen muss. Einfach ein bisschen Material „draufpacken" ist somit keine Option. Hat man das Design schließlich behutsam anpassen können, sodass nun alle Kriterien und Kundenwünsche erfüllt sind, wird ein täuschend echtes Vormodell aus Oriol (Kunststoff) gefertigt. Dieser „Datensatz" wird dann an den Kunden zur finalen Freigabe geschickt – erst danach kann mit einer Serienproduktion begonnen werden. 

Jeder Designer hat seinen eigenen Style

Der Look eines Rades wird vor allem von der Nutzergruppe des Autos bestimmt. Logischerweise ist ein SUV-Rad, welches eine hohe Traglast benötigt, anders gebaut und erhält demnach auch einen anderen Look als eine filigrane Felge für Sportwagen. Vor allem im Bereich des Fachhandels dürfen sich die drei Borbet-Designer „austoben" – zumindest dann, wenn das Team der BORBET Vertriebs GmbH, verantwortlich für das Fachhandelsgeschäft, Trends erkannt und die Stilrichtung vorgegeben hat. Ein detailliertes Briefing über Einsatzgebiet, Fahrzeuganwendungen und andere Vorgaben wie Zielgewicht bilden hierfür das Vorgaben-Paket. Anders als bei anderen Felgenherstellern hat Borbet kein spezielles Merkmal, welches in jedem Rad vorkommen muss. „Wir haben ziemlich freie Hand. Natürlich hat jeder Designer seinen eigenen Style, ein typisches Borbet-Merkmal gibt es allerdings nicht", weiß Reitz. So soll eine große Vielfalt gewährleistet werden und sicherstellen, dass man Zubehörräder für jeden Geschmack anbietet.

Was viele nicht wissen: Ein Rad des gleichen Typs kann je nach Größe, Breite, Lochkreis und Oberflächenbeschaffenheit im Detail variieren. So unterscheidet sich das neue Borbet-A-Rad als Fünf-Loch-Variante von der mit Vier-Loch-Anbindung. „Es gibt sehr viel zu beachten, denn Felgen einfach größer machen geht nicht.
So vergehen von der Anfrage bis zur Marktreife gern mal bis zu zwei Jahre", kommentiert die Marketing-Leiterin Alexandra Marowsky. Kein Wunder, bei über 500 verschiedenen Fahrzeugen und vier bis zehn Ausführungen pro Rad ...

Der Vertrieb möchte eben möglichst viele Lösungen anbieten. Im Vorfeld müssen zudem zahlreiche Skizzen, 2-D-Splines (Kurvenberechnung), Layouts, Photoshop-Illustrationen und 3-D-Animationen erstellt werden, wenn sich die Vertriebsebene für ein neues Fachhandelsrad entscheiden soll. „Das konventionelle Zeichnen mit normalen Stiften gehört inzwischen fast gänzlich der Vergangenheit an. Alles läuft digital ab, auch die Skizzen", erzählt uns Industriedesigner Robert Spogis ein bisschen wehmütig. Im Schnitt verlassen die Ideenschmiede im Stammwerk Hesborn pro Jahr bis zu fünf neue Fachhandel-Felgendesigns in rund 20 Varianten – und hier sind Oberflächenveredelungen und OEM-Räder nicht mit einberechnet.

Im Wandel der Zeit

Einfach mal losdesignen? Mitnichten! Die Produktentwickler müssen sich vor allem nach den Herstellern und ihren Neuentwicklungen richten. Die Autos waren früher vor allem kleiner, leichter und besaßen zu großen Teilen noch Trommelbremsen. Heute ist das anders: 17 Zoll große Bremsanlagen sind längst keine Seltenheit mehr, und auch die Bremssättel stehen viel weiter heraus. „Wir werden immer öfter gezwungen, gerade Designs zu entwickeln. Konkave Felgen sind deshalb kaum mehr möglich", so Produkttechniker Jürgen Andel. Das erklärt auch, warum die Neuinterpretation der legendären Borbet A nicht mehr konkav ist, denn in früherer Zeit hatten die Serienräder der Fahrzeuge viel niedrigere Einpresstiefen als heutzutage.

Des Weiteren wurden Anfang des neuen Jahrtausends die sogenannten Auflagen zur Abdeckung der Reifenlauffläche seitens der EU massiv verschärft. Wenn Borbet also heute ein Rad mit Tiefbett auf den Markt bringen würde, bedeutete dies auch, dass etliche Fahrzeuge aufgrund des mangelnden Bremsfreigangs im Gutachten ausgeschlossen oder mit zahlreichen Karosserie- sowie Reifenauflagen versehen würden. Jedoch ist Borbet mit dem DB8GT dem Individualisierungstrend nachgekommen, welches eine gute Grundlage und Gutachten für ein Umbauprojekt eines Tuners bietet und somit die Tradition des legendären A Rades aufgreift.

Eine Umstellung zieht aber auch die Elektromobilität nach sich. Da vor allem das Thema Luftwiderstand bei Elektrofahrzeugen eine wichtige Rolle spielt, müssen die Designer bei Borbet immer mehr schmale und aerodynamische Felgen entwickeln. Bauartbedingt sind diese aber ziemlich schwer, weshalb man versucht, verstärkt mit Kunststoffapplikationen Gewicht einzusparen – auch das gab es früher so nicht. Wer also glaubt, Felgen zu entwickeln sei ein Kinderspiel, der irrt. Spaß macht es den Jungs und Mädels bei Borbet aber dennoch. Eine Aussage hörten wir dabei des Öfteren: „Schöne Räder sind wie Schmuck fürs Auto – wir sind stolz darauf, wenn wir unsere Felgen auf der Straße sehen."