Porträt: Eberspächer
Vorsprung durch Innovation
23.01.2018 10:33 Uhr
Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Eberspächer
„Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens bestimmt mit über dessen Markterfolg. Von der ActiveSound-Technologie bis zur Q-Diode – unsere Innovationen verschaffen uns einen Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern", so Heinrich Baumann, geschäftsführender Gesellschafter bei Eberspächer. Wer bei dem Namen Eberspächer nur an Standheizungen denkt, wird aber überrascht sein, was das inhabergeführte Familienunternehmen noch so draufhat. Abgastechnik, Thermomanagement oder Fahrzeugelektronik – es gibt so gut wie nichts, was die Esslinger nicht machen. Wir als TUNING-Magazin durften uns am Hauptstandort vor den Toren Stuttgarts umschauen und waren beeindruckt. Wirkt das Gebäude nach außen hin doch schon fast wie aus einer anderen Epoche, scheint es im Inneren so, als hätte man mit Durchschreiten der Pforte eine Zeitreise vorgenommen: Moderne, vollautomatische Produktionssysteme bestimmen den Ablauf nicht nur im Wareneingangs- und Lagerbereich der Produktion von Standheizungen.
Auch Nachrüst-Lösungen des Active-Sound-Systems stellt das Unternehmen her
Das Patent zur Active-Sound-Technologie stammt aus den 1930er-Jahren. Weil die technischen Möglichkeiten fehlten, verstaubte die Idee jahrzehntelang im Schrank – bis Eberspächer sie aufgriff und weiterentwickelte
Mit dem Besuch am Firmenstandort Esslingen am Neckar hat das TUNING-Magazin vor allem einen Einblick in die Standheizungsproduktion erhalten: Eine Vielzahl der Einzelteile, die dafür benötigt werden, stellt Eberspächer selbst her. So entstehen zum Beispiel die Dosierpumpen, die für die Treibstoffzufuhr der Wasserheizungen verantwortlich sind, in Esslingen. Oder auch das Steuergerät, welches komplett selbst entwickelt, gebaut und programmiert wird. Auch hier haben wir eine vollautomatisierte Produktion angetroffen – Teile werden nur in die Maschine eingelegt. Alles Weitere, selbst das Einstellen, geschieht quasi ohne weiteres Zutun von Menschenkraft. Das alles macht es kaum vorstellbar, wie viel Entwicklung, Zeit und Know-how später im fertigen Produkt stecken. Das wurde uns auch bei der weiteren Werksführung klar: Versorgungslager hier, Vormontage da, Grundgerätemontage dort. Zum Schluss der Standheizungsproduktion dann noch die kundenspezifische Aufkomplettierung. Genauer gesagt: der Zusammenbau aller einzeln gefertigten Teile, in unserem Fall für einen renommierten Stuttgarter Automobilbauer. Das Weltunternehmen bedient dabei ein großes Spektrum: OEM, OES oder Nachrüstung – es gibt quasi nichts, was Eberspächer in seiner Branche nicht kann.
PTC-Heizer, beispielsweise für Elektrofahrzeuge, werden auf Herz und Nieren überprüft und müssen sogenannte Schocktests in Eiswasser aushalten, um Serienreife zu erlangen
Grundsätzlich reichen diese sechs Seiten gar nicht aus, um wirklich das gesamte Spektrum von Eberspächer abzudecken. Denn was für das Automobil geht, funktioniert für Lkws und Boote genauso. So sind die Produkte von Eberspächer auch auf dem Wasser unterwegs; zudem gibt es Klimasystemlösungen etwa für Busse und vor allem – besonders zukunftsträchtig – PTC-Heizer für besonders verbrauchsoptimierte Fahrzeuge wie Hybrid-, Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeuge. Dabei lässt sich das Ganze jetzt auch bequem per App von überall steuern. Das Ganze nennt sich „Easy Start Web" und benötigt laut Hersteller lediglich ein verfügbares Mobilfunknetz. Zukunftsmusik? Nein, lassen sich doch selbst Kaffeemaschinen heute schon mit dem Smartphone ansteuern.
Neuer Auspuff gefällig? Die Eberspächer Gruppe beliefert viele Automobilhersteller mit ihren Produkten
„Und deswegen testen wir alle Produkte nach gültigen Normen und Kundenanforderungen. Darüber hinaus ist es uns sehr wichtig, eine vollständige Erprobung von der Komponente bis hin zum Gesamtsystem durchzuführen", erörtert Adam Rypel, Verantwortlicher für Prüfung und Entwicklung. Richtig so, denn das garantiert Zuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit. So ist es kein Zufall, dass es durchaus vorkommen kann, dass Modelle 40 Jahre und mehr problemlos funktionieren, denn im Prüfungsbereich in Esslingen werden zum Beispiel mithilfe von elektrodynamischen Rüttlern der Einsatz von gut 15 Jahren und rund 150.000 Kilometern Laufleistung simuliert, bei Lkw sogar noch mehr. Gerade für Produkte in der Baubranche sind zudem Schocktests unabdingbar. Und weil so eine Wasserstandheizung Benzin benötigt (im Schnitt 0,3 Liter pro Stunde), ist die Funktionsweise ähnlich die eines Motors. Was der Laie dabei nicht bedenkt: Auch eine Standheizung stößt Schadstoffe wie CO2 aus. Deshalb gibt es in Esslingen insgesamt neun Entwicklungsmesszellen, in denen versucht wird, die optimale Arbeitsweise zu erzielen, damit die Abgaswerte eingehalten werden.
Im Dauerlauf werden Standheizungen für PKW rund 3.000 Stunden und für LKW 6.000 Stunden am Stück getestet
„Wegweisende Technologien sind bei uns kein Zufallsprodukt. Es gehört zu unserer Strategie, technologische Trends aufzuspüren und frühzeitig zu besetzen", erklärt uns der geschäftsführende Gesellschafter Heinrich Baumann weiter. So erhofft sich Eberspächer einen Entwicklungsvorsprung vor allem durch den Geschäftsbereich „Exhaust Technology". Hier werden vor allem Systeme wie „ActiveSilence" entwickelt, die anders als passive Abgasanlagen die Geräusche und unerwünschten Frequenzen mittels einer aktiven Komponente reduzieren können. Sozusagen zwei Schallwellen, die einander auslöschen – das System steht kurz vor der Serienreife und soll nach eigenen Angaben einen technologischen Vorsprung zur Konkurrenz garantieren. Ähnlich wie das Schwesterprodukt „ActiveSound", welches bereits seit 2011 bei den Kollegen von Prototechnik in Großserie produziert wird. Mithilfe eines High-End-Lautsprechers ist es möglich, herkömmlichen Dieselmotoren einen sportlichen Klang zu verleihen. Dabei lässt sich dieser beispielsweise direkt in die Abgasanlage integrieren (Abb. XX) oder aber in der Nähe unter der Schürze befestigen. Auch wenn die Meinungen bei diesem Produkt stark auseinandergehen, ist der künstlich erzeugte V6- oder V8-Klang durchaus realitätsgetreu und nur schwer vom Original zu unterscheiden. Trotzdem: Bisher wurde das Produkt über 400.000-mal verkauft und findet bereits Verwendung bei Fahrzeugen wie Golf 7 GTD, Audi A6 3.0 TDI oder sogar dem Hybridsportler BMW i8.
"Faszinierend, wie echt sich dieser V8-Sound aus dem Lautsprecher anhört"
Fast alle großen Pkw- und Nutzfahrzeughersteller zählen zu den Kunden von Eberspächer. Heute blickt das Unternehmen auf über 150 Jahre bewegte Firmengeschichte zurück, ist an über 60 Standorten in 25 Ländern vertreten und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter weltweit. Damit die gesamte Eberspächer-Gruppe auch in Zukunft innovativ bleibt, steckt das Unternehmen viel Zeit, Arbeit und Geld in den „Nachwuchs". Alleine für 2017 sollen an deutschen Standorten rund 45 neue Stellen in kaufmännischen und technischen Bereichen sowie in Kooperation mit Dualen Hochschulen besetzt werden. „Die Bereitschaft voranzukommen, unterstützen wir mit kontinuierlicher Forschung und Entwicklung sowie der Investition in neue Standorte und Mitarbeiter", gibt Baumann zu verstehen. Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner können sich auf die langfristig angelegte und berechenbare Politik eines Familienunternehmens verlassen. Und das ist in der schnelllebigen Automobilbranche wichtig. Vor allem, wenn es zukünftig noch stärker um Nachhaltigkeit und E-Mobilität gehen wird.
Generation Smartphone: Mit der neuen Entwicklung "EasyStart Web" lassen sich Standheizungen von überall ansteuern
1865 | Flaschnermeister Jakob Eberspächer gründet in Esslingen am Neckar einen Handwerksbetrieb, der sich bald auf metallgefasste Dachverglasungen spezialisiert. |
1913 | wird die erste ausländische Niederlassung in Wien gegründet. |
1931 | beginnt die Produktion von Schalldämpfern für Automobile. |
1933 | startet Eberspächer mit der Entwicklung von Fahrzeugheizungen. |
1939–1945 | wird Eberspächer vom NS-Regime in die Rüstungsproduktion integriert und produziert erstmals Flugzeugmotorenteile sowie Notprodukte wie Prothesen. |
1953 | beginnt die Serienproduktion von Standheizungen. |
1965 | feiert das Unternehmen seinen 100. Geburtstag und erzielt einen Umsatz von 100 Millionen Deutsche Mark. |
1975 | gelingt mit „B1L" ein technologischer Durchbruch: Es ist die erste Fahrzeugheizung, die direkt in den Fahrgastraum eingebaut werden darf. Zugleich kommt die erste Funkfernbedienung auf den Markt. |
1978 | beginnt die Entwicklung von Pkw-Rußpartikelfiltern. |
1990er- und 2000er-Jahre | Eberspächer gründet weitere Niederlassungen, unter anderem in Südafrika, USA, England, Brasilien, Indien, Russland und Japan. |
2004 | avanciert Eberspächer mit Heinrich Baumann (fünfte Generation) zum 100-prozentigen Automobilzulieferer. |
2009 | bricht durch die weltweite Wirtschaftskrise der Unternehmensumsatz um rund 40 Prozent ein. Auf dem Genfer Automobil-Salon präsentiert Eberspächer Heizgeräte für E-Fahrzeuge. |
2016 | ist Eberspächer an über 60 Standorten in rund 25 Ländern vertreten und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter. |