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Porträt: Eberspächer

Vorsprung durch Innovation

23.01.2018 10:33 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Eberspächer

Eberspächer kann nur Standheizungen? Von wegen! Über 150 Jahre bewegte Firmengeschichte haben aus einem einfachen Handwerksbetrieb einen international agierenden Global Player mit rund 10.000 Beschäftigten gemacht. TUNING hat sich das Traditionsunternehmen genauer angesehen ...

„Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens bestimmt mit über dessen Markterfolg. Von der ActiveSound-Technologie bis zur Q-Diode – unsere Innovationen verschaffen uns einen Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern", so Heinrich Baumann, geschäftsführender Gesellschafter bei Eberspächer. Wer bei dem Namen Eberspächer nur an Standheizungen denkt, wird aber überrascht sein, was das inhabergeführte Familienunternehmen noch so draufhat. Abgastechnik, Thermomanagement oder Fahrzeugelektronik – es gibt so gut wie nichts, was die Esslinger nicht machen. Wir als TUNING-Magazin durften uns am Hauptstandort vor den Toren Stuttgarts umschauen und waren beeindruckt. Wirkt das Gebäude nach außen hin doch schon fast wie aus einer anderen Epoche, scheint es im Inneren so, als hätte man mit Durchschreiten der Pforte eine Zeitreise vorgenommen: Moderne, vollautomatische Produktionssysteme bestimmen den Ablauf nicht nur im Wareneingangs- und Lagerbereich der Produktion von Standheizungen.

Auch Nachrüst-Lösungen des Active-Sound-Systems stellt das Unternehmen her

Gänzlich vollautomatisierte Lagermaschinen „wuseln" auf Leitdrähten durch die Hallen und kümmern sich um die reibungslose Logistik und die Versorgung mit Bauteilen für die Herstellung des neuen Standheizungsmodells „Hydronic 3". 1.500 Palettenstellplätze und rund 4.000 Kleinladungsträger befinden sich alleine am Lagerort für den Bereich Standheizungen. Platzsparender, schneller, effizienter – besonders wichtig für den sogenannten Schnelldrehbereich. Vor allem in der hart umkämpften Automotive-Branche scheint Prozessoptimierung eine ganz wesentliche Rolle zu spielen. Gerade und vor allem deshalb setzt Eberspächer auf modernste Technologien wie etwa das Laserschweißen, was eine saubere, schnelle, sichere und sogar umweltverträgliche Produktion garantiert. Das ist bei der Herstellung von Wasserheizungen genauso wichtig wie bei PTC-Heizern, unterschiedlichen Abgassystemen oder kundenspezifischen Elektroniklösungen wie Leiterplatten oder Glasdachsteuerungen, erklärt uns Baumann: „Wir haben uns den automobilen Fortschritt zum Ziel gesetzt: mehr Umweltschutz, mehr Sicherheit und mehr Komfort im Straßenverkehr. Wir zählen zu den anerkannten Technologie- und Qualitätsführern in der Automobilindustrie. Daher sind hohe Sicherheitsstandards, Hightech und hochmoderne Fertigungsprozesse für uns selbstverständlich."

Das Patent zur Active-Sound-Technologie stammt aus den 1930er-Jahren. Weil die technischen Möglichkeiten fehlten, verstaubte die Idee jahrzehntelang im Schrank – bis Eberspächer sie aufgriff und weiterentwickelte

Ein kleines Kraftwerk entsteht

Mit dem Besuch am Firmenstandort Esslingen am Neckar hat das TUNING-Magazin vor allem einen Einblick in die Standheizungsproduktion erhalten: Eine Vielzahl der Einzelteile, die dafür benötigt werden, stellt Eberspächer selbst her. So entstehen zum Beispiel die Dosierpumpen, die für die Treibstoffzufuhr der Wasserheizungen verantwortlich sind, in Esslingen. Oder auch das Steuergerät, welches komplett selbst entwickelt, gebaut und programmiert wird. Auch hier haben wir eine vollautomatisierte Produktion angetroffen – Teile werden nur in die Maschine eingelegt. Alles Weitere, selbst das Einstellen, geschieht quasi ohne weiteres Zutun von Menschenkraft. Das alles macht es kaum vorstellbar, wie viel Entwicklung, Zeit und Know-how später im fertigen Produkt stecken. Das wurde uns auch bei der weiteren Werksführung klar: Versorgungslager hier, Vormontage da, Grundgerätemontage dort. Zum Schluss der Standheizungsproduktion dann noch die kundenspezifische Aufkomplettierung. Genauer gesagt: der Zusammenbau aller einzeln gefertigten Teile, in unserem Fall für einen renommierten Stuttgarter Automobilbauer. Das Weltunternehmen bedient dabei ein großes Spektrum: OEM, OES oder Nachrüstung – es gibt quasi nichts, was Eberspächer in seiner Branche nicht kann.

PTC-Heizer, beispielsweise für Elektrofahrzeuge, werden auf Herz und Nieren überprüft und müssen sogenannte Schocktests in Eiswasser aushalten, um Serienreife zu erlangen

Geht nicht, gibt's nicht!

Grundsätzlich reichen diese sechs Seiten gar nicht aus, um wirklich das gesamte Spektrum von Eberspächer abzudecken. Denn was für das Automobil geht, funktioniert für Lkws und Boote genauso. So sind die Produkte von Eberspächer auch auf dem Wasser unterwegs; zudem gibt es Klimasystemlösungen etwa für Busse und vor allem – besonders zukunftsträchtig – PTC-Heizer für besonders verbrauchsoptimierte Fahrzeuge wie Hybrid-, Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeuge. Dabei lässt sich das Ganze jetzt auch bequem per App von überall steuern. Das Ganze nennt sich „Easy Start Web" und benötigt laut Hersteller lediglich ein verfügbares Mobilfunknetz. Zukunftsmusik? Nein, lassen sich doch selbst Kaffeemaschinen heute schon mit dem Smartphone ansteuern.

Neuer Auspuff gefällig? Die Eberspächer Gruppe beliefert viele Automobilhersteller mit ihren Produkten

Glauben ist nicht wissen ...

„Und deswegen testen wir alle Produkte nach gültigen Normen und Kundenanforderungen. Darüber hinaus ist es uns sehr wichtig, eine vollständige Erprobung von der Komponente bis hin zum Gesamtsystem durchzuführen", erörtert Adam Rypel, Verantwortlicher für Prüfung und Entwicklung. Richtig so, denn das garantiert Zuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit. So ist es kein Zufall, dass es durchaus vorkommen kann, dass Modelle 40 Jahre und mehr problemlos funktionieren, denn im Prüfungsbereich in Esslingen werden zum Beispiel mithilfe von elektrodynamischen Rüttlern der Einsatz von gut 15 Jahren und rund 150.000 Kilometern Laufleistung simuliert, bei Lkw sogar noch mehr. Gerade für Produkte in der Baubranche sind zudem Schocktests unabdingbar. Und weil so eine Wasserstandheizung Benzin benötigt (im Schnitt 0,3 Liter pro Stunde), ist die Funktionsweise ähnlich die eines Motors. Was der Laie dabei nicht bedenkt: Auch eine Standheizung stößt Schadstoffe wie CO2 aus. Deshalb gibt es in Esslingen insgesamt neun Entwicklungsmesszellen, in denen versucht wird, die optimale Arbeitsweise zu erzielen, damit die Abgaswerte eingehalten werden.

Im Dauerlauf werden Standheizungen für PKW rund 3.000 Stunden und für LKW 6.000 Stunden am Stück getestet

Herz des Prüfzentrums ist übrigens der sogenannte Dauerlauf. In steriler Atmosphäre stehen 83 „Dockingstations" in Form von Würfeln mit Wasser-, Treibstoff- und Stromversorgung inklusive Absaugung. Hier werden alle Arten von Eberspächer-Heizgeräten und -Standheizungen bei unterschiedlicher Montage rund 3.000 Stunden im Pkw- und 6.000 Stunden im Lkw-Bereich getestet. 17 weitere Prüfgeräte stehen einen Raum weiter: Hier kann der Dauerlauf bei bis zu minus 47 Grad Celsius durchgeführt werden. Ein Schritt in die Kältekammer hat uns die Augen geöffnet: So fühlen sich minus 20 Grad an. Und gerade bei solchen Temperaturen sollten die Geräte von Eberspächer zu- und vor allem vorheizen. Wichtig dabei auch die Akustik. Denn niemand möchte morgens um sechs Uhr von Nachbars Auto geweckt werden, wenn die Standheizung auf bis 6.000 Touren hochdreht und warmläuft. Was früher noch als Statussymbol galt, ist heute ein „No-Go" – gerade bei Elektrofahrzeugen darf die Standheizung nicht lauter sein als das Fahrzeug selbst. Dafür gibt es bei Eberspächer einen Akustikraum mit absorbierenden Wänden, bei denen die Geräte auf alle erdenklichen Geräusche überprüft werden. So lassen sich einzelne Teile optimieren oder so entwickeln, dass sie Töne von sich geben, die Menschen gar nicht wahrnehmen können.
Diesel und V8-Sound? Jawohl!

„Wegweisende Technologien sind bei uns kein Zufallsprodukt. Es gehört zu unserer Strategie, technologische Trends aufzuspüren und frühzeitig zu besetzen", erklärt uns der geschäftsführende Gesellschafter Heinrich Baumann weiter. So erhofft sich Eberspächer einen Entwicklungsvorsprung vor allem durch den Geschäftsbereich „Exhaust Technology". Hier werden vor allem Systeme wie „ActiveSilence" entwickelt, die anders als passive Abgasanlagen die Geräusche und unerwünschten Frequenzen mittels einer aktiven Komponente reduzieren können. Sozusagen zwei Schallwellen, die einander auslöschen – das System steht kurz vor der Serienreife und soll nach eigenen Angaben einen technologischen Vorsprung zur Konkurrenz garantieren. Ähnlich wie das Schwesterprodukt „ActiveSound", welches bereits seit 2011 bei den Kollegen von Prototechnik in Großserie produziert wird. Mithilfe eines High-End-Lautsprechers ist es möglich, herkömmlichen Dieselmotoren einen sportlichen Klang zu verleihen. Dabei lässt sich dieser beispielsweise direkt in die Abgasanlage integrieren (Abb. XX) oder aber in der Nähe unter der Schürze befestigen. Auch wenn die Meinungen bei diesem Produkt stark auseinandergehen, ist der künstlich erzeugte V6- oder V8-Klang durchaus realitätsgetreu und nur schwer vom Original zu unterscheiden. Trotzdem: Bisher wurde das Produkt über 400.000-mal verkauft und findet bereits Verwendung bei Fahrzeugen wie Golf 7 GTD, Audi A6 3.0 TDI oder sogar dem Hybridsportler BMW i8.

"Faszinierend, wie echt sich dieser V8-Sound aus dem Lautsprecher anhört"

Vorsprung durch Innovation

Fast alle großen Pkw- und Nutzfahrzeughersteller zählen zu den Kunden von Eberspächer. Heute blickt das Unternehmen auf über 150 Jahre bewegte Firmengeschichte zurück, ist an über 60 Standorten in 25 Ländern vertreten und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter weltweit. Damit die gesamte Eberspächer-Gruppe auch in Zukunft innovativ bleibt, steckt das Unternehmen viel Zeit, Arbeit und Geld in den „Nachwuchs". Alleine für 2017 sollen an deutschen Standorten rund 45 neue Stellen in kaufmännischen und technischen Bereichen sowie in Kooperation mit Dualen Hochschulen besetzt werden. „Die Bereitschaft voranzukommen, unterstützen wir mit kontinuierlicher Forschung und Entwicklung sowie der Investition in neue Standorte und Mitarbeiter", gibt Baumann zu verstehen. Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner können sich auf die langfristig angelegte und berechenbare Politik eines Familienunternehmens verlassen. Und das ist in der schnelllebigen Automobilbranche wichtig. Vor allem, wenn es zukünftig noch stärker um Nachhaltigkeit und E-Mobilität gehen wird.

Generation Smartphone: Mit der neuen Entwicklung "EasyStart Web" lassen sich Standheizungen von überall ansteuern

Meilensteine der Firmengeschichte
1865 Flaschnermeister Jakob Eberspächer gründet in Esslingen am Neckar einen Handwerksbetrieb, der sich bald auf metallgefasste Dachverglasungen spezialisiert.
1913 wird die erste ausländische Niederlassung in Wien gegründet.
1931 beginnt die Produktion von Schalldämpfern für Automobile.
1933 startet Eberspächer mit der Entwicklung von Fahrzeugheizungen.
1939–1945 wird Eberspächer vom NS-Regime in die Rüstungsproduktion integriert und produziert erstmals Flugzeugmotorenteile sowie Notprodukte wie Prothesen.
1953 beginnt die Serienproduktion von Standheizungen.
1965 feiert das Unternehmen seinen 100. Geburtstag und erzielt einen Umsatz von 100 Millionen Deutsche Mark.
1975 gelingt mit „B1L" ein technologischer Durchbruch: Es ist die erste Fahrzeugheizung, die direkt in den Fahrgastraum eingebaut werden darf. Zugleich kommt die erste Funkfernbedienung auf den Markt.
1978 beginnt die Entwicklung von Pkw-Rußpartikelfiltern.
1990er- und 2000er-Jahre Eberspächer gründet weitere Niederlassungen, unter anderem in Südafrika, USA, England, Brasilien, Indien, Russland und Japan.
2004 avanciert Eberspächer mit Heinrich Baumann (fünfte Generation) zum 100-prozentigen Automobilzulieferer.
2009 bricht durch die weltweite Wirtschaftskrise der Unternehmensumsatz um rund 40 Prozent ein. Auf dem Genfer Automobil-Salon präsentiert Eberspächer Heizgeräte für E-Fahrzeuge.
2016 ist Eberspächer an über 60 Standorten in rund 25 Ländern vertreten und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter.