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Technik erklärt powered by Toyo Tires

So werden Reifen getestet

29.01.2018 09:44 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Toto, TÜV Süd, Jan Bürgermeister


Bevor ein Reifen für den offiziellen Markt freigegeben werden und ihn der Endverbraucher „im Laden" kaufen kann, muss er zahlreiche Tests und Prüfungen durchlaufen. Wir zeigen euch welche – in „Technik erklärt".

Seit November 2012 müssen alle Reifen EU-Labels mit Informationen zu Rollwiderstand, Nasshaftung und Geräusch aufweisen. Das soll dem Endverbraucher helfen, Reifen besser bewerten und vergleichen zu können. Dennoch: „Die Anzahl der Tests, denen ein Reifen ausgesetzt ist, ist deutlich höher", weiß Mike Rignall von Toyo Tires Europe. Zwischen dem ersten Konzept und der Marktreife liegen zwei Jahre Entwicklungszeit und Tausende von Tests. Einige sind erforderlich, um die Gesetzgebung zu erfüllen, andere wiederum sollen sicherstellen, dass der Reifen den vom Fahrer geforderten Standard erreicht. Denn es gibt zum Beispiel kein Gesetz über die Offenlegung der Reifenlaufleistung. „Aber die Kunden erwarten, dass ein Reifen auf jeden Fall ohne Probleme mehrere tausend Kilometer aushalten muss", erzählt Rignall weiter.

Um herauszufinden, wann der Reifen seinen "Schlupfwinkel" erreicht und an Traktion verliert, kommt die "Flat Drum"-Testmaschine zum Einsatz

Simulation mit T-Mode

Bevor ein Reifen produziert wird („Wie entsteht ein Reifen?", TUNING 6/2017), müssen die Parameter für seine Leistung definiert werden und eine Anfrage vom lokalen Markt, in diesem Fall Europa, an den Hauptsitz von Toyo in Osaka, Japan, gestellt werden. Bekommt Toyo Tires Europa „grünes Licht", dann ordnet die Zentrale der spezifischen Reifenentwicklung einen geeigneten Ingenieur zu, um die Entwicklung zu starten. Dabei kann diese anfängliche Phase bis zu einem Jahr andauern. Die ersten Tests werden mithilfe von Computersimulationen durchgeführt. Dies ermöglicht es, die Grundkonstruktion des Reifens feinabzustimmen. Toyo nutzt dafür sein T-Mode-Simulationswerkzeug, mit dem die Reifen- und Fahrdynamik modelliert, die Leistung genau vorhergesagt und die Parameter vor der Herstellung eines Reifens vorgenommen werden. Der T-Mode liefert sehr detaillierte Modelle, die die Leistung eines Prototypen zeigen, ohne einen echten Reifen bauen zu müssen. Änderungen am Modell spiegeln zugleich auch die Änderungen wieder, die am Prototyp vorgenommen werden. Das Simulationsprogramm zeigt dann äußerst genau die Auswirkungen auf die Reifenleistung.

An welchen Stellen erfährt der Reifen am meisten Belastung? Ganz einfach: Die T-Mode-Computersimulation zeigt Temperaturunterschiede

Prüfgeräte & Testanlagen

Nachdem der T-Mode-Computertest die relevanten Daten errechnet hat, wird eine kleine Anzahl Reifen anhand der vom Computer vorgegebenen Spezifikation gebaut. Das Profilmuster wird dann von Hand auf die Testreifen geschnitten, so dass reale Tests an einem Fahrzeug stattfinden können. Toyo hat zwei Testanlagen in Japan. Eines in Miyazaki, auf der Insel Kyushu, wo Sommerreifen getestet werden, und ein Testcenter in Saroma, im Norden der Insel Hokkaido für die Erprobung von Winterpneus. Alle Reifen werden in einer dieser beiden Anlagen (je nach Reifentyp) ausgiebig auf Handling, Bremsfähigkeiten, Hochgeschwindigkeitsstabilität sowie Aquaplaning-Beständigkeit, Verschleiß und Geräusch getestet. Diese Tests werden normalerweise mit einem Referenzreifen absolviert, der als Muster verwendet wird. Sogenannte „Back-to-Back"-Tests, sprich diverse Wiederholungen desselben Tests unter identischen Bedingungen werden vorgenommen, um festzustellen, ob der Reifen das vorgegebene Ziel erreicht oder übertrifft. „Tests sind eine Mischung aus objektiven und subjektiven Eindrücken", erklärt Hideyuki Sakai, Entwicklungsingenieur bei Toyo Tires. 

Toyo-Winterreifen werden bei Handling- und Bremstests auf dem Eis-Kurs in Saroma begutachtet

Während der Bremsweg und die Rundenzeiten gemessen werden können, müssen andere Tests wie das Lenkgefühl vom Fahrer ausgewertet werden. Testfahrer, die solche Auswertungen vorzunehmen, sind speziell geschult und besitzen ein großes Know-how. Sie benötigen langjährige Erfahrungen, um genaue Vergleiche zwischen einem Test- und Referenzreifen vornehmen zu können. Weitere Tests folgen mit Hilfe von Prüfgeräten im technischen Entwicklungszentrum in Itami, einem Vorort von Osaka. Die Prototypreifen werden an einer Dauertesttrommel getestet, welche erforderlich ist, um die Typgenehmigung für den Verkauf des Reifens in der EU zu erhalten. Grundsätzlich werden bei Toyo Reifen weit über Anforderungen des EU-Standards hinaus getestet. Der Test wird mit einer höheren Geschwindigkeit und über einen längeren Zeitraum durchgeführt, was eine zusätzliche Sicherheitsmarge ergibt, wenn die Reifen unter extremen Umständen verwendet werden.

Basierend auf der DIN-Norm erfolgt die Prüfung auf einem speziellen Eis-Trommelprüfstand

HÄTTEST DU'S GEWUSST?

Die Reifen von Toyo wurden acht Jahre lang von unabhängigen amerikanischen Lieferanten als die besten Produkte erklärt – die Auszeichnungen wurden im amerikanischen Magazin „Tyre Review" veröffentlicht. Ein absoluter Rekord für den japanischen Hersteller aus Osaka, der 2005 sechzigjähriges Bestehen feierte. Toyo Tires zählt zu den größten Reifenherstellern der Welt und arbeitet ständig seine Produkte in Sachen Sicherheit, Lebensdauer oder Bodenhaftung auf nasser Fahrbahn zu verbessern. Für besondere Aufmerksamkeit sorgten die Japaner mit ihrem bekanntesten Modellen, dem Proxes T1 und T1 Sport, welche besonders herovrragende Testergebnisse einfahren konnten. Ein modernes Laufflächendesign und eine großzügige Kontaktfläche für gute Bodenhaftung bei nasser Fahrbahn sorgen ebenfalls für den guten Ruf der Toyo-Reifen. Zudem ist das japanische Unternehmen stark im Motorsport vertreten, gewann aber auch durch seine Präsenz in den Kinohits „Fast and Furious" 1 und 2, in denen Toyo-Hochleistungsreifen zu sehen waren, zunehmens an Beliebtheit.

Ein Mazda CX-5 absolviert einen Testlauf für Nass-Handling auf dem Prüfgelände in Miyazaki, Japan

Das Technikzentrum von Itami verfügt über eine Reihe zusätzlicher Maschinen, anhand derer die Leistungsmerkmale objektiv ermittelt werden können. So wird etwa eine sogenannte „Flat-Drum"-Testmaschine verwendet, um den Schlupfwinkel des Reifens zu messen. Dies ist der Punkt, an dem die Traktion verloren geht, wenn sich der Reifen dreht. Diese Geschwindigkeit hängt von der Konstruktion des Reifens, den verwendeten Materialien und auch in gewissem Maße vom Profil ab. Toyo Tires betreibt dabei Fleißarbeit. Der Reifenhersteller besitzt auch eine Druck- und Dehnungsprüfplattenmaschine für zusätzliche, nicht vorgeschriebene Tests. Auf dieser Maschine wird der Reifen gedreht, während er extrem hohen Kräften ausgesetzt ist. Sie wird verwendet, um den Druck und die Belastung eines Reifens unter extremen Bedingungen zu messen. Weiter geht's mit der Statischen Testmaschine. Hier wird der Reifen nicht gedreht. Es werden lediglich die physikalischen Eigenschaften des Reifens ermittelt. Diese Prüfung erfolgt über hydraulische Stößel, welche in drei Ebenen auf den Reifen drücken. Damit erkennen die Reifeningenieure schnell, welche Kräfte der Reifen aushält und auch eventuelle Schwächen, die dann behoben werden müssen. Die Testergebnisse werden anschließend an die Entwicklungsabteilung zurückgegeben, um eine Modifizierung des Reifens zu ermöglichen.

Lufteinschlüsse im Gummi oder Defekte in der Karkasse spürt die Druckplatten-Testmaschine auf

Alles für ECE R30 und R117

Im Anschluss wird das getestete und bewertete Formdesign überarbeitet und neu gefertigt, so dass weitere Pneus zum Testen produziert werden können. Während dieser Phase werden die Reifen für den (später) europäischen Markt auch in Europa begutachtet, um weitere Verbesserungen vorzunehmen. Warum? Ganz einfach: Damit sie genau den Bedürfnissen des Marktes entsprechen, in dem sie verkauft werden sollen. Wie bei vorangegangenen Tests in Japan werden auch anschließend in Europa noch mal subjektive und objektive Beurteilungen vorgenommen. Zum Einsatz kommen dabei unabhängige Reifentester. „Dies stellt unter anderem sicher, dass keine unterschwellige Verzerrung für die Beurteilung unserer Produkte stattfindet", weiß Kunihiko Nagai, verantwortlich für die Forschung und Entwicklung bei Toyo.

Wie sieht's denn eigentlich dem Rollwiderstand aus? Das ist vor allem wichtig für gute Verbrauchswerte!

ÜBRIGENS:

Seit 2010 hält die StVO präzisere Informationen zur Winterreifenpflicht in Deutschland bereit. Das Gesetz schreibt vor: Winterreifen, oder auch Reifen die der Richtlinie 92/23/EWG entsprechen, müssen genutzt werden, wenn „Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte" vorherrscht (§ 2 Absatz 3a StVO). Dazu zählten bisher auch Reifen mit dem „M+S"-Symbol. Doch jetzt gibt es eine Änderung der gesetzlichen Winterreifenpflicht! Alle ab dem 1. Januar 2018 produzierten Reifen müssen mit dem „3 Peak Mountain Snow Flake"-Piktogramm (Schneeflockensymbol), kurz 3PMSF, gekennzeichnet sein, damit diese als Winterreifen gelten. Für die bis zum 31. Dezember 2017 produzierten und nur mit M+S gekennzeichneten Winterreifen gilt eine Übergangsfrist bis zum 30. September 2024. Die „Mountain Snow Flake"-Kennzeichnung erhalten nur Reifen, die bestimmte Mindestwerte im Vergleich zu einem Referenzreifen übertreffen. Mit dem Kürzel M+S gekennzeichnete Pneus unterliegen dieser Prüfung nicht, bei der etwa die Zugkraft auf Schnee getestet wird. Trotzdem bringen sie auf Schnee und Eis deutlich bessere Fahrleistungen als Sommerreifen.

Die Neufassung der Bußgeld-Katalogverordnung gilt seit dem 1. Juni 2017. Das Fahren mit unzulässiger Bereifung bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis oder Reifglätte wird nun mit 60 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg geahndet.

Das Testen von Reifen besteht nicht nur aus objektiven, sondern auch subjektiven Eindrücken. Denn: Ein guter Reifen soll sich auch gut anfühlen.

Ein weiterer Test wäre erforderlich, um einen Reifen vor allem für den Wintereinsatz auf Schnee zulassen zu können. Diese Markierung, das „Bergysmbol", zeigt an, dass der Reifen im Winter eine erhöhte Leistung aufweist. Aber, Achtung! Das M+S-Symbol garantiert kein verbessertes Schnee- und Matschverhalten. Wer also einen guten Reifen für den Winter benötigt, sollte nach einem Reifen mit dem Bergsymbol suchen. Diese Prüfung, bestehend aus Brems- und Traktionstests, funktioniert ähnlich wie die Nassprüfung und muss jeweils sechs Mal wiederholt werden. Abhängig von der verwendeten Methode muss der Testreifen zwischen sieben und zehn Prozent besser sein als der Standard-Referenzreifen, um sich das „Bergsymbol" zu verdienen. Nach Abschluss aller notwendigen Tests wird die ECE30-Typgenehmigung beantragt, welche den Verkauf in Europa ermöglicht. Diese ist umgangssprachlich auch E-Zeichen bekannt. Darüber hinaus gibt es noch die „S"- und „S2"-Kennung sowie das EU-Label, auf dem Geräuschpegel, Rollwiderstand und Nasshaftung veranschaulicht werden – was das alles bedeutet, erklären wir Euch im nächsten Teil von „Technik erklärt" in Ausgabe 2/2018.

Jeder Reifenhersteller nutzt ganz eigene Profildesigns und Technologien. Zu sehen sind hier die Eigenschaften eines für Straßen zugelassenen Rennsport-Reifens für besonders sportliches Fahren

Nach dem Testen ist vor dem Testen

Sobald der Reifen alle Tests bestanden hat die Zielvorgabe erfüllt und alle für den Verkauf benötigten Labels bekommen hat, beginnt die Serienproduktion. Dies ist jedoch noch immer nicht das Ende der Prüfung. Jedes produzierte Produkt wird vor Verlassen der Fabrik auf Balance, Aussehen und Gleichmäßigkeit geprüft. Reifen für den Erstausrüstungseinsatz können ebenfalls weiteren Tests unterzogen werden, um zusätzlich den Anforderungen des Fahrzeugherstellers gerecht zu werden. Bis sich also ein Reifen bei uns in der EU ganz offiziell verkauft werden darf, hat er einen sehr, sehr langen Weg hinter sich ...