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07er- und H-Kennzeichen

Wieviel Tuning verträgt unser Kulturgut?

27.11.2017 15:21 Uhr

Text: Peter Hintze | Fotos: TÜV Süd


Das Veredeln von Young- und Oldtimern wird in der Tuning-Szene immer beliebter. Warum auch nicht ... Sowohl „junge Alte" zwischen 15 und 20 Jahren als auch Klassiker, welche die 30 Lenze überschritten haben, lassen sich vortrefflich modifizieren. Stimmt die Substanz oder ist sie erst wiederhergestellt, modifizieren findige Schrauber nicht selten Fahrwerk, Felgen und Motor.

Ultratiefes Luftfahrwerk, grundlegender Motorumbau, komplett umgekrempelter Innenraum und im Kennzeichenrahmen ein H (Historienfahrzeug) oder die rote 07er-Kennung? Passt irgendwie nicht zusammen. Doch nicht selten begegnen uns derart umfangreich umgebaute Fahrzeuge auf Events, Treffen und Messen im In- und Ausland. Wir lieben und leben das Thema Tuning, bleiben gern stehen, knipsen ein paar Bilder, unterhalten uns mit den Besitzern der getunten Klassiker, während eingefleischte Oldtimerliebhaber die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Der Gesetzgeber setzt Grenzen – auch beim Oldtimer-Tuning. Wer also allzu eifrig zu Werke geht, dem droht schlimmstenfalls eine Aberkennung des H-Kennzeichens oder des sogenannten roten 07er-Kennzeichens. H oder 07 am umgebauten Oldtimer ist also alles andere als ein Freifahrtschein für Tuner.

Showfahrzeuge gehören auf den Trailer!

Besitzer von Fahrzeugen mit Historienkennzeichen müssen regelmäßig zur Hauptuntersuchung. Alle zwei Jahre schauen Prüfer nach dem Rechten. Den Besitzern von nicht zeitgemäß modifizierten Oldtimern werden spätestens bei der nächstfälligen Hauptuntersuchung erhebliche Mängel attestiert. Bei Nichtbehebung droht sogar die Aberkennung des H-Kennzeichens. Wer ein 07er-Kennzeichen sein Eigen nennt, ist mit dem darauf angemeldeten Fahrzeug von der Hauptuntersuchung ausgenommen. „An einem umfangreich modifizierten Fahrzeug ohne technische Abnahmen hat ein solches Kennzeichen jedoch nichts verloren", warnt TÜV-Süd-Experte Patrick Pöppl. „Showfahrzeuge gehören nicht auf die Straße, sondern auf den Trailer."

Spektakulärer Auftritt hin oder her! Wer mit einem getunten Fahrzeug ohne technische Abnahmen durch die Gegend fährt, bringt nicht nur sich, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, wie alt das betreffende Fahrzeug ist. Teuer wird's in jedem Fall, wenn die Polizei bei einer Kontrolle die Überprüfung des Wagens anordnet. Spätestens ein Gutachter wird entsprechende Mängel aufdecken. Dabei ist die Umrüstung von Oldtimern oder auch das Tuning absolut möglich. Es muss jedoch zeitgemäß sein, stellt der amtlich anerkannte Sachverständige und Experte bei der Clearingstelle des TÜV Süd klar. „Zeitgemäß" heißt in diesem Zusammenhang „zeitgemäßes Tuning", welches in den ersten zehn Jahren nach der Erstzulassung vorgenommen worden und eingetragen sein muss. „Auch nachträglich vorgenommene zeitgenössische Änderungen am Fahrzeug mit damaligem Prüfzeugnis sind möglich", ergänzt Matthias Gerst, Oldtimer-Experte beim TÜV Süd. Demnach spricht nichts dagegen, einen Zweier-Golf mit einer Bremsanlage eines Zweier-GTI auszurüsten. „Genauso ist es möglich, einen Einser-Golf (1974-1983) mit zeitgenössischen ATS-Felgen mit Gutachten umzurüsten oder bei einem Strich Acht (Mercedes) den Rüstzustand einer Baureihe mit entsprechendem Motor und passender Bremsanlage darzustellen", erläutert Matthias Gerst. Anders sieht es aus, wenn man aktuelle Felgen auf einen 30 Jahre alten Golf montiert oder aber einen Oldtimer mit einem turboaufgeladenen Dieselmotor eines neueren Modells versieht.

Nur zeitgemäße Modifikationen erlaubt

Wer das begehrte 07er- oder H-Kennzeichen haben möchte, braucht zunächst ein Gutachten nach Paragraf 23 Straßenverkehrszulassungsordnung (Verleihung zum „kraftfahrzeugtechnischen Kulturgut"). Die Sachverständigen vom TÜV Süd arbeiten dabei nach einem speziellen Anforderungskatalog. „Die Vorschriften der StVZO sind dabei immer vorrangig gegenüber der Originalität zu betrachten", weiß Patrick Pöppl. So checken die Experten, ob sich das Fahrzeug in einem zeitgemäßen Zustand befindet. Eine leichte Patina auf der Oberfläche ist demnach kein Problem. „Rostbeulen sind nicht erlaubt", so der Prüfer. Darüber hinaus muss sich die Innenausstattung in einem sehenswerten Zustand befinden. Korrosionsschutzmaßnahmen sind ebenso zulässig wie zeitgemäße Modifikationen an Felgen oder Lenkrad, wenn diese zum betreffenden Zeitpunkt bereits erhältlich waren und entsprechende Prüfzeugnisse vorgelegt werden können. Kein Problem stellt die Montage einer 1984 erhältlichen Felge mit Gutachten am Golf desselben Baujahres dar. Einen Kadett-Motor in ein solches Fahrzeug zu verpflanzen, ist hingegen nicht richtlinienkonform.

Die TUNING-Redaktion hat dazu in zwei ausgewählten Zulassungsstellen nachgefragt. Wer das rote 07-Oldtimerkennzeichens haben möchte, muss neben dem Gutachten nach Paragraf 23 StVZO noch weitere Hürden meistern. Dazu zählt nach Auskunft von Stefan Basel, Amt für Straßenverkehr und Schifffahrt im Konstanzer Landratsamt, unter anderem ein formloser Antrag für die Zuteilung des 07-Kennzeichens. Vorzulegen sind weiterhin die Fahrzeugpapiere, ein Führungszeugnis und eine elektronische Versicherungsbestätigung für ein rotes Kennzeichen. Darüber hinaus holt die Zulassungsstelle Auskunft aus dem Fahreignungsregister ein. Erst danach gibt es das begehrte Nummernschild.

Bei Missbrauch drohen empfindliche Strafen 

Wer mit dem Kennzeichen Schindluder betreibt und sich erwischen lässt, riskiert saftige Strafen, weiß Amanda Hasenfusz, Pressesprecherin des Altmarkkreises Salzwedel. „Bei missbräuchlicher Nutzung des Kennzeichens drohen dem Fahrzeugführer und gegebenenfalls dem Fahrzeughalter eine Strafanzeige nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz in Verbindung mit der Abgabenordnung und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren nach der Fahrzeugzulassungsverordnung." Außerdem kann die Zuteilung des roten Dauerkennzeichens jederzeit widerrufen werden. Heißt: Wenn die Bedingungen, unter denen die Zuteilung erfolgte, nicht mehr bestehen, ist das Kennzeichen passé. Gleiches trifft zu, wenn sich der Fahrzeughalter als unzuverlässig erweisen sollte. Gegenüber dem klassischen H-Kennzeichen ist die Nutzung des 07-Oldtimerkennzeichens nur eingeschränkt möglich. Fahrzeuge mit dem 07er-Kennzeichen dürfen nur zu Veranstaltungen, die der Darstellung von Oldtimerfahrzeugen und der Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes dienen, bewegt werden. Ebenfalls möglich sind Prüfungs-, Probe-und Überführungsfahrten. Tipp für Auslandsfahrten: Laut Bundesverkehrsministerium sind Auslandsfahrten ins benachbarte Ausland möglich, wenn das Fahrzeug verkehrssicher ist und an einer Oldtimerveranstaltung teilnimmt (keine Urlaubsfahrten) und es ordnungsgemäß für Auslandsfahrten versichert ist (grüne Versicherungskarte).

Kraftfahrzeugbestand in Deutschland

Insgesamt 64.605.081 Fahrzeuge waren laut Kraftfahrtbundesamt am 1. Januar 2017 in Deutschland zugelassen. Den Löwenanteil haben dabei mit 82,4 Prozent die Pkw eingenommen. In Zahlen: 45.803.560. Mit Saisonkennzeichen waren 2.285.745 Fahrzeuge unterwegs. 430.590 trugen ein H-Kennzeichen. Und 3.838 hatten ein sogenanntes Wechselkennzeichen. Die meisten Oldtimerfans leben laut Statistik übrigens in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.

Kennzeichenvergabe

Ein Kennzeichen wird jedem nach § 3 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) zulassungspflichtigen und jedem nach § 3 Abs. 2 FZV vom Zulassungsverfahren befreiten, aber nach § 4 Abs. 2 FZV kennzeichenpflichtigen Fahrzeug von der nach Landesrecht zuständigen Behörde (Zulassungsbehörde) zugeteilt, um eine Identifizierung des Halters zu ermöglichen.

Bedingungen für das 07er-Kennzeichen:

- Nachweis der Verkehrssicherheit des Oldtimers
- Positive Begutachtung nach § 23 StVZO
- Separater Antrag bei der örtlichen Zulassungsstelle notwendig
- Führungszeugnis
- Auszug aus dem Fahreignungsregister (Quelle: Dekra Classic Service)

Bedingungen für das H-Kennzeichen:

- Gültige Betriebserlaubnis beziehungsweise Gutachten nach § 21 StVZO (Einzelbetriebserlaubnis)
- Begutachtung nach § 23 StVZO (Verleihung zum „kraftfahrzeugtechnischen Kulturgut")
- Guter, erhaltenswerter Zustand des Oldtimers
- Ursprünglicher Zustand oder mit Originalteilen restauriert

Möglich: zeitgenössische Umbauten bzw. Umbauten, die innerhalb der ersten zehn Jahre nach Erstzulassung vorgenommen wurden