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12.09.2017 00:00 Uhr

Text und Fotos: Tom Bauer

Jahr für Jahr generiert der Zubehörmarkt mehrere Millionen Euro mit dem Verkauf von Auspuffanlagen und Endschalldämpfern. Automobilhersteller unterhalten spezielle Teams, die sich ausschließlich mit der Akustik von Neufahrzeugen beschäftigen. Vor allem im Sportwagensegment. Dabei scheint die Formel so wirkungsvoll wie einfach zu sein: Je aggressiver der Sound, desto sportlicher ist das Fahrzeug. Zumindest soll dies suggeriert werden.

Der Gesetzgeber sieht dies – zum Leidwesen vieler Tuner – allerdings ganz anders. So wurde Lärm schon vor einiger Zeit zum Stressfaktor und somit Krankmacher Nummer eins erklärt. Wohl auch deshalb werden die Vorschriften zum Fahrgeräusch fast jährlich verschärft. Grund genug für die Hersteller, bestehende Gesetzeslücken auszunutzen oder Regelungen durch technisch aufwendige Steuerungen zu umgehen. Das Ganze erinnert ein wenig an das ewige Katz- und Mausspiel zwischen Hackern und Herstellern von Anti-Viren-Software. Sobald die eine Seite reagiert, versucht die andere Seite, die neu geschaffenen Hürden zu umgehen.


Wer von euch hat sich eigentlich schon einmal darüber gewundert, warum Sportwagen eine Geräuschkulisse fabrizieren dürfen, für die eine „Otto-Normal-Tuner" mit einem Mittelklasse-Fahrzeug möglicherweise die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen würde?
Dürfen die wirklich? Jein. Mittlerweile hat sich das Fahrgeräusch aktueller Sportwagen auf dem Niveau eines Mittelklassewagens mit durchschnittlicher Motorisierung eingependelt. Rund 74 dB(A) sind derzeit angesagt. Ein Wert, der echten Sportwagen-Fans Tränen in die Augen treiben würde – Tränen der Verzweiflung, nicht der Freude. Sollen Sportwagen wirklich um die Ecke schleichen wie ein Taxi? Sollten sie eigentlich schon. Zumindest dann, wenn es um die Mehrheit der stressgeplagten Anwohner und vor allem nach dem Eintrag im Fahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung Teil I) ginge. Demnach liegt wie gesagt auch ein reinrassiger Sportwagen auf Pampers-Bomber-Niveau.


Zum Glück sehen die Hersteller dies nicht so. Und so halten moderne Sportwagen die aktuell gültigen Fahrgeräuschwerte auch ein. Zumindest so lange, wie sie sich in dem für die Messung relevanten Drehzahl- beziehungsweise Geschwindigkeitsbereich bewegen. Dabei unterscheiden wir zwischen Stand- und Fahrgeräusch. Wobei das Standgeräusch im Stand und nur bei einer bestimmten Drehzahl gehalten werden muss. Das Fahrgeräusch hingegen darf beim Durchfahren einer fest definierten Strecke in bestimmten Fahrzuständen nicht überschritten werden.
Und genau hier setzen die Hersteller an. Viele Fahrzeuge halten das Standgeräusch wirklich nur dann, wenn sie sich drehzahlmäßig im vorgegebenen Bereich (abhängig von der Nennleistung) bewegen. Kaum darüber angekommen – und somit für die Standgeräuschmessung irrelevant – geht es dann ordentlich zur Sache.


Genauso verhält es sich beim Fahrgeräusch. Im relevanten Bereich halten Klappen den Schalldruckpegel in den vorgeschriebenen Regionen. Was sich jedoch unter und über diesem Bereich abspielt, liegt mitunter jenseits von Gut und Böse.
Hinzu kommt ein Plus von einem dB(A) für Fahrzeuge mit einer Nennleistung von mehr als 140 kW sowie Hersteller, die den ersten Gang als Anfahrhilfe deklarieren. Dies hat zur Folge, dass die Fahrgeräuschmessung eine Fahrstufe höher und somit in einem niedrigeren Drehzahlbereich erfolgt, was eine Reduzierung des Schalldruckpegels (umgangssprachlich: Lärm) zur Folge hat.


Dazu gesellen sich Sport-Schalter und andere elektronische Helferlein, die den manuellen Eingriff in die Klappensteuerung und somit das Wählen der Sound-Kulisse erlauben.
Fertig ist der „laute" Sportwagen und die klangtechnische Zweiklassengesellschaft. Wer es sich leisten kann, fabriziert ganz legal einen infernalischen Sound, der Begehrlichkeiten weckt und zu allerlei unzulässigen Manipulationen an den Auspuffanlagen zumeist untermotorisierter Fahrzeuge führt. Deren Halter bekommen dann für weniger Sound als vergleichbare Sportwagen ein saftiges Bußgeld und einen Eintrag in den Annalen der Bußgeldstelle obendrauf.
Wer sich demnächst also mal wieder über den krassen Sound eines Sportwagens wundert: Nein, der ist nicht lauter als Nachbars Golf. Alles nur Einbildung, sagt der Fahrzeugschein. Weiß übrigens auch der Gesetzgeber, der in naher Zukunft die Abläufe für Stand- und Fahrgeräuschmessungen neu definieren und somit neue Hürden für die Hersteller schaffen wird!


Wer jetzt auf die Idee kommt, illegal Hand an der Auspuffanlage seines Autos anzulegen, dem sei gesagt: Ein lauter Auspuff macht aus einem durchschnittlich motorisierten Mittelklassewagen keinen Sportwagen, sondern nur einen durchschnittlich motorisierten Mittelklassewagen mit lautem Auspuff. Und das ist nicht sportlich, sondern peinlich Jungs!