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Porträt: Fahrzeugsatter

Leder geht immer!

04.12.2017 12:30 Uhr

Text: Peter Hintze | Fotos: Peter Hintze, Leder Art


„Aller guten Dinge sind drei", sagt man. Christian Effinger hat seinen Traumjob als Sattler gefunden. Allerdings erst im dritten Anlauf. Was grundsätzlich nichts Negatives ist: Denn der mittlerweile 35-Jährige aus Zimmern unter der Burg in Baden-Württemberg hat nach dem Besuch von Grund- und Hauptschule erfolgreich insgesamt drei Ausbildungen hinter sich gebracht.

Zunächst erlernte Christian den Beruf des Schreiners. „Ich musste diese Arbeit aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeben", erzählt der heutige Lederkünstler. Von der Holzbearbeitung sattelte der junge Mann zunächst auf den Werkstoff Metall um. Er lernte den Beruf des Teilkonstrukteurs Maschinenbau. Mit etwas Abstand sagt Christian, dass das „eine sehr trockene Angelegenheit" war, die ihm obendrein „keinen Spaß" machte.

Etwas Handwerkliches und Kreatives musste her. Aus der fixen Idee – wie Christian sagt – wurde nach verschiedenen Praktika eine Sattlerausbildung. Und so drückte der Süddeutsche von 2007 bis 2009 nochmals die Schulbank, um ein mehrere Jahrhunderte altes, faszinierendes Handwerk von der Pike auf zu lernen. Das Berufsfeld des Sattlers ist breit gefächert. Denn Tierhäute werden in vielen Bereichen verarbeitet. Neben dem Reitsportsattler gibt es heute den Beruf des Feintäschners und den des Fahrzeugsattlers. Aufgrund seiner Auto- und Tuning-Leidenschaft ist Christian bei Letzterem hängen geblieben. Er hat sich 2012 mit dem Unternehmen Leder-Art selbstständig gemacht. Dabei profitierte der junge Mann von der weggefallenen Meisterpflicht.

In den großzügigen Kellerräumen und in der Garage fertigt der Schwabe seine filigranen Kunstwerke aus Tierhäuten an. Er verarbeitet dabei Rohstoffe mit einer Stärke zwischen 0,7 und fünf Millimetern. Die Schere, das Messer und verschiedene Industrienähmaschinen sind die Hauptarbeitswerkzeuge des Sattlers.

„In der Sattlerei lernt man mit der Erfahrung", schwärmt der Lederkünstler. Dass Christian seinen Beruf lebt und liebt, merke ich bei meinem Besuch sofort, während der Geruch von Leder und Klebstoff meine Nasenflügel umschmeichelt. „Leder ist etwas Exklusives", sagt der Chef von Leder-Art mit leuchtenden Augen. Er liebt es, mit Materialien zu spielen und dabei aus vermeintlich Langweiligem etwas Schönes, Einzigartiges zu machen.

„Wenn ich das Thema Auto nicht so leben würde, wäre es nicht der richtige Beruf für mich", erzählt Christian am Zuschneidetisch. Vor ihm liegt der Sitz eines Audi S5, der ganz nach Kundenwunsch beledert werden soll. Natürlich in Handarbeit. Das braucht Zeit, wissen die Kunden. Denn auf sauber geklebte Teile und schnurgerade Nähte kommt es an. Und natürlich auf die Auswahl von Farben und Formen, wobei Christian gern beratend tätig wird. Grundsätzlich ist erlaubt, was dem Kunden gefällt, wenngleich der Sattler auch mal sein Veto einlegt. Denn eine komplette Lederinnenausstattung werfen nur die wenigsten Kunden nach ein paar Wochen oder Monaten wieder raus. „Der Materialmix aus Carbon und Alcantara geht immer", sagt der Autosattler. „Ebenso die klassische Kombination aus Schwarz und Rot."

Christian schaut nach Trends, besucht und organisiert selbst Tuning-Treffen und -Events und arbeitet mit dem einen oder anderen Sattlerkollegen gut zusammen. „Man hilft sich gegenseitig", sagt der Schwabe, der in der Sattlerei seine Berufung gefunden zu haben scheint.

Wenn ein spezielles Teil beledert werden soll, wird es zunächst einmal ausgebaut. Im Anschluss zeichnet Christian das Design auf, fertigt Schablonen an und macht die entsprechenden Zuschnitte. Wie bei einem Puzzle fügen sich die Zuschnitte später an der Nähmaschine zu einem Ganzen. Sind die Ziernähte aufgebracht, wird das veredelte Teil aufgeklebt. „In einem einfachen Sitz stecken in etwa zwei Tage Arbeit", berichtet der Lederkünstler. Die Arbeiten an einem aufwendiger veredelten Sitz dauern bis zu fünf Tage. Eine Vollausstattung kann bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Christian wäre nicht Mr. Leder-Art, wenn er nicht selber einen rollenden Werbeträger – quasi seine Visitenkarte –geschaffen hätte. Er hat in 250 Arbeitsstunden die komplette Karosserie seines Audi S4 Cabriolet in Leder gehüllt.

Ganz gleich ob Armaturenbrett, Dachhimmel, Lenkrad, Sitze oder komplette Karosserie – der Kreativität eines Autosattlers sind kaum Grenzen gesetzt. Nur manche Teile sind nicht beziehbar. Von einem Bremssattel beispielsweise lässt Christian besser die Finger. „Das ist zwar technisch machbar", sagt er, „aber nicht fahrbar."