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BMW E30 V8-Umbau (1989)

Der krasseste E30 Europas

10.02.2018 12:00 Uhr

Text: Nick K. Hofmeister | Fotos: Sebastiaan Mol


Weißblaue Leidenschaft oder Sakrileg – dieser BMW E30 mit 880 PS starkem V8 und jeder Menge Showappeal bringt Puristen in Erklärungsnot …

Der BMW E30 ist Kult. Ohne Wenn und Aber. Seit Jahrzehnten begeistert er Generationen von Automobil- und Tuning-Fans, und schon so manche ausgeflippte „Tuning-Mode" musste das heilige bajuwarische Blech ertragen. Aber das, was uns hier ein britischer BMW-Fan präsentiert, geht doch zu weit, oder nicht? Während meine weißblaue Puristenseele den BMW sofort aus dem Gedächtnis verbannen möchte, freut sich mein Tuning-Herz über den konsequenten Umbau. Ross Bradley, ein 36-jähriger Ingenieur aus England, kam auf die glorreiche Idee, seinen E30 so radikal zu modifizieren, dass er eigentlich gar kein BMW mehr ist. Aber beginnen wir lieber von vorne.

Zurück auf Los!

Als dieser E30 vor knapp 30 Jahren vom Band lief, war er noch ein 129 PS starker 320i mit kernigem Reihensechszylinder. Den Motor hatte der BMW selbst dann noch an Bord, als der Brite Ross Bradley ihn in die Finger bekam. Für ein paar Jahre war der E30 sein Spaßgerät für den Alltag. Da Ross als Ingenieur in seiner Freizeit schon zig Autos schneller machte, dauerte es auch nicht lange, bis ein 325i Reihensechszylinder an Bord kam. Erst dann spendierte er dem BMW neue Räder, ein Gewindefahrwerk und das M-Technik-II-Karosseriekleid. Einfach perfekt und der typische, klassische BMW-Auftritt, wie wir ihn so lieben und kennen. „So um 2010 war mir der E30 dann doch ein wenig zu zäh, und ich machte ein kleines Update mit einem Turbo-Umbau", schmunzelt der Brite. Und genau diese Turbos haben es Ross angetan. Anscheinend wurde er von der skandinavischen E30-Tuning-Szene beeinflusst. Im hohen Norden war es jahrelang das Nonplusultra, in den E30 die großen S38B38-Reihensechszylinder aus dem E34 M5 zu implantieren und mit Turbos kurzzeitig auf „läppische" 1.000 PS aufzuladen. Die Straßenzulassung sei mal dahingestellt, sie waren mehr auf dem Drag-Strip zu Hause.

In einen alten Dreier der E30-Baureihe Sechs-, Acht-, Zehn- oder gar Zwölfzylinder zu installieren, ist überhaupt nicht mehr spektakulär – schließlich bietet die Bandbreite an verschiedenen BMW-Motoren schier unbegrenzte Möglichkeiten für einen „Engine-Swap". Das ist auch heute noch so. Wer regelmäßig das Street-Culture Event in Nürnberg besucht, ist sicherlich schon dem E30 mit dem V10 aus dem BMW M5 (E60) begegnet. Durch das vergleichsweise niedrige Gewicht des kapitalen „Zehnenders" gibt es im kompakten E30 auch keine starken Kopfschmerzen im Sinne der oftmals durch Motorenumbauten im E30 beklagten Kopflastigkeit im Grenzbereich. Dieser Motorraum sorgt hingegen bei Puristen für ganz andere Kopfschmerzen. Aber als detailversessener Ingenieur pfiff Ross auf irgendwelche Bedenken aus der Puristenecke und ersetzte den aufgeladenen 325i Reihensechszylinder gegen einen Smallblock – einen Chevrolet-V8, wie man ihn früher beispielsweise auch in der Corvette fand.

"Projekt Widowmaker Phase I"

Anfang 2015 ließ Ross dann seinen E30 mit dem Chevy-Smallblock und 800 PS Leistung auf die britische Szene los, und spätestens seitdem sein BMW auf dem YouTube-Kanal von CarThrottle über eine Million Klicks einheimste, ist sein BMW auch außerhalb der britischen BMW-Szene bekannt. Plug&Play war bei dem Umbau überhaupt nichts. Aber das ist ja der Reiz. „Dass da irgendwas gepasst hat, weiß ich gar nicht mehr", erinnert sich Ross. „Als Ingenieur lernt man ja, Dinge so zu modifizieren, dass sie passen." Und der Brite hat wirklich alles selbst konstruiert und in der heimischen Garage gebaut. „Klar habe ich reichlich Hardware eingekauft und fragte Freunde. Aber das erst mal alles so anfertigen zu lassen oder selbst zu machen, hat schon einige Nerven gekostet." Eine Kostprobe gefällig? Wie „verheiratet" man eine E28-M5-Hinterachsdifferenzial mit einem Fünfgangschaltgetriebe aus der Toyota Supra MK III und bringt den ganzen Antriebsstrang mit einem Chevy-V8 zum Laufen? Mit richtig viel Engineering und dem Mut, einfach mal etwas auszuprobieren. Damit nicht nur die technikbegeisterten Treffenbesucher etwas zum Staunen haben, zeigt sich das Interieur mit dunkelgrauem Alcantara und rotbraunem Nappaleder. „Ich habe zwar vieles selbst an meinem E30 gemacht, aber die gesamten Lederarbeiten übernahm Lawrence von IG Trimming in Enfield", verrät die Ross. „Die Lackierung ist ein Werk von meinem Vater."

Phase II – dem Veyron auf der Spur

Wie sich herausstellte, war die alte Bremse an der Hinterachse nicht das Gelbe vom Ei, und so wich die damals genutzte Porsche-Sechskolbenbremse mit BMW Z3 Scheiben einer Willwood-Vierkolbenbremse aus dem Motorsport samt BMW E46-Scheiben. Dass der E30 von Vier-Loch auf Fünf-Loch-Radnaben umgebaut werden musste, lassen wir mal als „technische Peanuts" unter den Tisch fallen. Der V8-Motor wurde weiter optimiert, und die Leistung kletterte auf 880 PS. Und wie bekommt der E30 überhaupt die brachiale Leistung auf die Straße? Indem die komplette E30-Hinterachsgeometrie einer Pushrod-Aufhängung mit Umlenkhebeln wich. Knapp zwei Jahre dauerte allein der Motorumbau. Nach gut einer Saison auf der Straße ging es aber wieder auf die Hebebühne. Diesmal ging es daran, die dezente Optik mit Kohlefaser auf Vordermann zu bringen, und damit jeder den Motorumbau auch sofort sieht, fährt Ross nun auf den Treffen mit einer gekürzten Motorhaube vor.

Bei der Tieferlegung ist nach wie vor ein Gewindefahrwerk das Maß der Dinge beim Thema Fahrdynamik. An der Vorderachse gibt es McPherson-Federbeine, und für die Antriebsachse setzt der Ingenieur auf GAZ Dämpfer. Bei den dreiteiligen Leichtmetallfelgen handelt es sich um Hartge-Räder in für einen BMW E30 brachialen 9 x 17 Zoll ET25 und 10 x 17 Zoll ET20 hinten. Dank der 25 Millimeter Distanzscheiben sitzen sie an der Vorderachse mit einer Einpresstiefe von null Millimetern mittig unter den Karbonkotflügeln. Wer sich bei Ross erkundigt, wie der Turbo-V8 fährt, erntet ein verschmitztes Grinsen. „Der geht gut, und ich machte es, weil ich es wollte, obwohl ich manchmal echt Phasen hatte, das Projekt einzustampfen." Beim aktuellen Kampfgewicht hat der E30 ein Leistungsverhältnis von knapp 600 PS pro Tonne und spielt so in fast derselben Liga wie ein Buggatti Veyron Grand Sport Vistesse. Für die Königsdisziplin, aus dem Stand von 0–100 km/h zu beschleunigen, braucht der BMW, der kein BMW mehr ist, knapp vier Sekunden! Ross, wann dürfen wir einmal fahren?

DATEN & FAKTEN 

BMW 320i, E30 (1989) von Ross Bradley 

MOTOR Umbau auf 5,7 Liter Chevrolet L48 Achtzylindermotor; Umbau auf bearbeiteten Zylinderkopf aus Aluminium mit geweiteten und polierten Kanälen; ARP Stehbolzen, Competition Nockenwellen (256°/263°), Clevite Nockenwellengleitlager, ARP Competition Kipphebel, Manley Performance Edelstahlventile, Edelbrock Ventilfedern, geschmiedete Eagle Kolben, Hubraumerweiterung auf 5,82 Liter; Cloyes Steuerketten und Pulley; geschmiedete Kurbelwelle; Trockensumpfschmierung mit Melling Hochleistungsölpumpe; Umrüstung auf 770cc Benzineinspritzung mit Zusatz-Benzinpumpen und Swirltank; Turbonachrüstung mit zwei Holset HX35 Turbos, Tial 44 mm Wastegates, Tial 50 Blow-Off, Pro-Comp Drosselklappe; Edelbrock-3 Zoll Edelstahl-Ladeluftrohre, Ladeluftkühler, Ansaugkrümmer; diverse Teile (Wasserpumpe, Anlasser, ProCool Kühler) lackiert, poliert, verchromt; Turbosmart Stahlflexschläuche und Leitungen; Ford KA Zündung, Lenkung um 20 mm versetzt; Megasquirt ECU; ... Leistung 880 PS
FAHRWERK GAZ Shocks GHA Gewindefahrwerk an der Vorderachse, Hinterachse Eigenbau auf Pushrod-Aufhängung mit AVO Gewindedämpfern; Aluminium-Domstrebe; Eigenbau-Antriebswellen
RAD/REIFEN dreiteilige Hartge Leichtmetallfelgen in 9 x 17 Zoll ET25 mit 215/40er Federal-Reifen und 10 x 17 Zoll ET20 mit 235/40er Bridgestone-Reifen; 25 mm Distanzscheiben (vorne)
KAROSSERIE modifiziertes M-Technik 2 Bodykit; diverse Karosserieträger für Motor- und Getriebeumbau umgeschweißt und verstärkt; Schlossträger und Spritzwand modifiziert; kurze Kohlefaser-Motorhaube, Kohlefaserkotflügel, modifizierte Stoßstangenträger; gezogene Kotflügel hinten; schwarze Rückleuchten; Hartge-Außenspiegel, Komplettlackierung in Black Cherry Candy
INTERIEUR M-Technik-II-Sportlenkrad, Zusatzinstrumente in der A-Säule; Recaro-CS-Schalensitze, BMW E30 M3-Rückbank; Sitze, Himmel, Rückbank, Tür- und Seitenverkleidungen in Nappaleder (Rubby Red), schwarze Alcantara-Ausstattung; Alu-Pedale
BREMSEN AP Racing Sechskolben-Sättel mit 330 mm großen Scheiben (vorne); Willwood Vierkolben-Sättel mit 300 mm großen BMW E46-Scheiben; Eigenbau-Bremskraftverstärker mit Renault Clio Servo und VW Sharan Bremszylinder
AUSPUFF Eigenbau-Auspuffanlage aus Edelstahl ab Turbo inklusive Krümmer mit drei Zoll Durchmesser, Simons Endschalldämpfer
GETRIEBE Toyota Supra (Mk3) Fünfgangschaltgetriebe (R154); BMW M5 (E28) Sperrdifferential (3.07 Übersetzung); erleichtertes Schwungrad, Spec R Stage 4+ Race Kupplung, Eigenbau-Adapter für Chevy-Kurbelwelle
DANKE AN  meinen Vater fürs Lackieren, Shaun für die Elektrik und Motoreinbau, Lawrence von IG Trimming fürs Interieur