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Private Car: Dodge Charger RT/R (2018)

In jeder Hinsicht fett. Richtig fett!

04.10.2018 11:36 Uhr

Text: Patrick Zwerger Fotos: Ansgar Wilkendorf


Road, Track, Racing: Für diese Attribute steht das Kürzel RT/R bei Johan Erikssons Dodge Charger. Der Abräumer vom ETS in voller Pracht – seht her und genießt!

Es gibt Autos, da verschlägt es einem schlichtweg die Sprache. Da bleibt der Mund offen stehen – weil Worte das, was sich vor den Augen offenbart, nicht ausdrücken können. Auch nach Jahren in der Szene kommt das noch vor. Denn immer dann, wenn man denkt, man habe schon alles gesehen, kommt irgendwo irgendein Verrückter um die Ecke und straft einen Lügen.
In diesem Fall ist der Verrückte sogar ein alter Bekannter. Und eigentlich hätte man vorgewarnt sein sollen. Denn spätestens seit der Tuning World 2013 war klar, dass der Schwede Johan Eriksson und sein Team in Sachen Customizing absolute Draufgänger sind. Dass sie die Messlatte für sich und andere skrupellos in ungekannte Sphären heben. Und kompromisslos alle Trends zerbröseln, mit denen wir uns sonst tagein, tagaus beschäftigen. Was sonst war dieser abartige Charger, mit dem das Team „Powered by Johan" vor fünf Jahren zum Sieg beim European Tuning Showdown stürmte? Und wer hätte gedacht, dass diese abgedrehten Schweden schon damals ein Projekt im Köcher hatten, das selbst das schwarze Monster aus 2013 in den Schatten stellen sollte?

Wie auch immer: Es ist tatsächlich passiert. Und natürlich war Johan Eriksson mit seinem „neuen" Dodge Charger RT/R auch 2018 beim ETS das Maß aller Dinge. Schon im Winter auf der SEMA in Vegas hatte die rote Schweden-Schönheit den ganzen Krachern aus den Staaten die Show gestohlen. Ruhm und Ehre als hart verdienter Lohn: In dem Custom-Charger stecken mehr als 15.000 Arbeitsstunden.

It was all a dream 

„Man muss schon ziemlich verrückt sein, um so viel Energie in ein altes Muscle Car zu stecken", gibt Johan selbst zu. 2007 kaufte er den Charger für knapp 9.000 Euro von einem guten Freund ab, der beruflich mit amerikanischen Klassikern handelte. Damals glich der ehemalige Rennwagen einer rollenden Blechhülle, ohne Motor und Getriebe, dafür mit ordentlich Rost. Von Anfang an wusste Johan allerdings genau, was aus dem hässlichen Entlein einmal werden sollte: „Als Kind stand ich total auf die Hot-Wheels-Spielzeugautos. Deren Spirit wollte ich mit dem Charger irgendwie auf die Straße bringen, ohne dabei die Seele dieses Klassikers zu zerstören." In zahlreichen langen Winternächten, Teamdebatten und Geistesblitzen entstand so Stück für Stück ein klarer Plan ‒ die Vision seines Traumwagens, die eigentlich nur noch verwirklicht werden musste.
Zu dieser Zeit war Johan allerdings noch voll mit dem schwarzen Charger und seinem Job als Autoverkäufer beschäftigt. Ganze fünf Jahre stand sich die welke 68er-Karosse deshalb in einer zugigen Wellblechhütte die Reifen platt. Bis Johan und seine Mannen sie irgendwann 2012 aus dem Dornröschenschlaf erweckten.

Große Räder, große Taten

Nun ging es dafür mit Volldampf voran. Die zahllosen Ideen sollten endlich Form annehmen. Zeit und Mühen spielten keine Rolle – das Ziel war klar! Und der Weg? Begann mit einem Paukenschlag: „Als Erstes haben wir uns damit beschäftigt, wie groß die Räder sein sollten", erklärt Johan. „Wir wollten ja diesen typischen Hot-Wheels-Style haben. Deshalb haben wir uns hinten für 15,5 x 24-Zoll-Felgen entschieden und vorne für 11 x 22 Zoll. Natürlich mit selbst entworfenem Design." Nur fand sich diesseits des Atlantiks kein Betrieb, der die konkaven Custom-Räder in dieser Dimension hätte herstellen können. „Deshalb haben wir vier massive Alublöcke, insgesamt 900 Kilo schwer, zu einem Freund in die USA verschickt. Der hat uns die vier Räder direkt aus den Blöcken gefräst und dann zurückgesendet."

Ebenfalls aus den USA stammt der Motor. Hier ging Johan ganz pragmatisch vor: „Das Auto sollte einerseits voll straßentauglich sein, aber andererseits auch ein richtig schneller Sportwagen – RT/R eben. Deshalb haben wir uns für einen V10 als Basis entschieden, ihm zwei Turbos verpasst und ein Sechsganggetriebe verbaut." Motor und Tremec-Getriebe entnahmen die Schweden aus einer 2007er-Dodge-Viper und rüsteten zugleich Performance-Teile nach. Doppelt aufgeladen mit Borg-Warner-Power, sollte der Zehnender nun für rund 1.500 PS gut sein. Der finale Leistungstest steht allerdings noch aus. Derweil stellt ein AirRex-Luftfahrwerk mit digitaler Steuerung Straßentauglichkeit und Stance sicher. „Eins der besten Fahrwerkssysteme, die es gibt", frohlockt Johan.

Custom im Quadrat

Natürlich musste bei so viel Kraftzuwachs auch der Rahmen angepasst werden. Deshalb setzte die Eriksson-Crew den Charger auf ein stark modifiziertes Corvette-C6-Chassis. Sämtliche Hilfsrahmen am Fahrzeug sind Eigenbauten. Außerdem flexte Johan das Dach ab und setzte es vier Zentimeter tiefer wieder an – was ihn anschließend zwang, sämtliche Fenster neu zu designen. „Es gibt an der Karosserie fast kein Teil, das nicht geweitet, zerschnitten, gezogen, ausgetauscht oder anderweitig modifiziert wurde", resümiert der Meister.

Selbiges gilt auch fürs Interieur. Hier verbirgt sich nicht nur eine gigantische Pioneer-Soundanlage, deren Klangausbeute Festivalniveau erreicht und die von vier AGM-Batterien mit Saft versorgt wird. Vor allem blinkt und blitzt im Cockpit allerorten Aluminium. Mittelkonsole, Armaturen, Lenkrad, Schalthebel, Handbremse, Pedale – Johans Vorliebe für Leichtmetall ist nicht zu übersehen. „Insgesamt haben wir am ganzen Auto über 300 Kilogramm Alu verbaut", lacht der Schrauber. „Das Rohmaterial habe ich von meinem Ex-Arbeitgeber gesponsert bekommen. Wir haben dann alle Teile CNC-gefräst." Im Cockpit griff das Team Eriksson außerdem auf schwarzes Leder zurück – ein feiner Kontrast. Die vier Schalensitze in Zwei-plus-zwei-Anordnung entwarfen die Wikinger ebenfalls gleich selbst. Bei all den ganzen Eigenbauten kam es darauf dann wohl auch nicht mehr an ...

Hot Wheels Muscle Car

So entstand im Laufe eines Jahrzehnts, ausgehend von ein paar wilden Gedankenspielen, schließlich dieses Meisterstück in „Viking blood red", das Anfang Mai über den Catwalk des ETS in Friedrichshafen direkt zum verdienten Titel rollte. Johan Erikssons Jugendtraum, ein echtes Hot-Wheels-Muscle-Car zu bauen, ist damit real geworden. Vor allem aber zeigt der schwedische Charger eines ganz eindeutig: nämlich, dass nichts unmöglich ist, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Und gute Freunde, die mit anpacken. Denn alleine, unterstreicht Johan, hätte er das nie geschafft. „So etwas geht nur im Team, ich bin wahnsinnig stolz auf die Jungs. Schließlich sind wir ja keine Profis, sondern machen das in unserer Freizeit." Ein Fakt, der die ganze Sache nur noch krasser macht ... Wir ziehen jedenfalls alle Hüte vor dieser Leistung ‒ um direkt danach wieder in ehrfürchtiges Schweigen zu fallen.

DATEN & FAKTEN 

Johan Eriksson >> Dodge Charger RT/R, Baujahr 1968

MOTOR Dodge Viper V10-Motor (2. Generation, Baujahr 2007), auf 4.001 ccm aufgebohrt; Callies-Pleuel, JE-Schmiedekolben, LSM-Nockenwelle, Manley-Ventilfedern, MaxxECU-Motorsteuerung, zwei Borg Warner EFR 7670-Turbolader, Eigenbau-Ansaugtrakt, Eigenbau-Auspuffanlage mit Fächerkrümmern; Leistung aktuell bis zu 1.500 PS (geschätzt, noch nicht getestet); Viper-Kupplung (verstärkt), Eigenbau-Kardanwelle, gekürzte Antriebsachse (Eigenbau), Sechsgang-Schaltgetriebe (Tremec), Hinterradantrieb
KAROSSERIE komplettes Fahrzeug bearbeitet und umgebaut; stark modifiziertes Chassis von einer 2006er-Corvette C6 als Basis, Eigenbau-Hilfsrahmen; Dach 40 mm gechoppt, Eigenbau-Fenster; nahezu jedes Karosserieteil wurde modifiziert; Komplettlackierung in „Viking blood red" (Eigenkreation mit roten, schwarzen, silbernen und goldenen Farbanteilen), Eigenbau-Außenspiegel (Aluminium), Eigenbau-Rückleuchten
FAHRWERK AirRex-Airride mit Steuerung via Fernbedienung
RAD/REIFEN einzelgefertigte Aluräder in 11 x 22 Zoll vorn und 15,5 x 24 Zoll hinten, CNC-gefräst aus vier schwedischen Aluminiumblöcken; Reifen Pirelli P Zero in 295/30/22 vorn und 405/25/24 hinten
BREMSEN vorn 420-mm-Carbon-Keramik-Scheiben mit angepassten 8-Kolben-Bremssätteln vom Bentley Continental GT, hinten Corvette-ZR1-Frontscheiben aus Carbon (381 mm) mit 6-Kolben-Sätteln
INTERIEUR kompletter Eigenbau-Innenraum mit jeder Menge Aluminium; vier lederummantelte Schalensitze mit Alu-Konsole (in 2 + 2-Anordnung, um Antriebsstrang und G
CAR-HIFI Steuergerät Pioneer DEX-P99RS, acht Endstufen PRS-D800 im Kofferraum, Kondensator SPC5010, Soundsystem mit insgesamt 21 Lautsprechern und Subwoofern von Pioneer; vier AGM-Batterien, vier Ladegeräte CTEK MXS 25EC
DANKE AN  alle meine fantastischen, wundervollen, autoverrückten Partner und Freunde, die bereit waren, den RT/R Wirklichkeit werden zu lassen! Besonderer Dank geht an mein Team „Powered by Johan" sowie an SEAB/Turtle Wax, die seit Beginn dieses Projekts als Partner an meiner Seite stehen und ohne die es dieses Auto nicht gäbe!