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Gruppe-H-Golf mal vier

Illustres Golf-Quartett

27.11.2017 16:16 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Markus Leser


Ausflug in die Berge! Gemütlich mit der Seilbahn? Gediegen auf 'ner „Hüttn"? Oder traumtänzelnd auf Ski? Nein, nein und nochmals nein. Wir lassen uns treiben und erleben den Spirit des Puristischen. Wie? Mit vier Gruppe-H-Gölfen auf der Villacher Alpenstraße.

Schön ist's in Kärnten, dem südlichsten Bundesland der Österreicher. „Lust am Leben", lautet übrigens sein Slogan. Das können wir gut verstehen: sattgrüne, duftende Wiesen. Die Alpen und der Wörthersee sind nicht weit, entspannte Atmosphäre mit idyllischem Vogelgezwitscher und mindestens genauso entspannten Kühen, die vollkommen mit sich im Reinen sind – hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Auch der Ausblick von der Holzbank auf der Aichingerhütte ist sensationell! Bierchen schlürfen. Sonne scheint. Perfekt! 83er-Golf 1, 210 PS. Golf 6 GTI, 210 PS. Stich! Wir battlen uns beim Quartett, als wir urplötzlich von röhrenden Motoren aus dem Spielgeschehen gerissen werden ... 16 V. Einzeldrossel. Viervierteltakt – ein Kenner weiß sofort, was da die Villacher Alpenstraße hochprescht! Golf 1 als Gruppe-H-Umbau. Genauer gesagt vier! In Rot, Blau, Grün und Weiß haben sie, hier angekommen, von zwei Porsche 911 gejagt, mindestens 16,5 Kilometer, sieben Kehren und sagenhafte 1.200 Meter Höhenmeter gutgemacht – ein Anblick fürs Bilderbuch!

Widebody Allstars

Es gehört schon etwas dazu, einen ohnehin – verglichen mit dem heutigen Klimbim – spartanischen Golf 1 zu fahren. Oder besser gesagt: Man muss schon ein besonderer Typ sein, wenn man sich so ein Fahrzeug zulegt, dieses dann komplett rennstreckentauglich umbaut ... und dann damit noch eine Alpenstraße hochjagt – im Rahmen des Wörthersee-Treffens, bei dem sich ja alles eher um Show & Shine dreht, wohlgemerkt. Fasziniert von solch seltenem Anblick widme ich mich wieder meinem Spiel. Und diesen hier wird mein Spielpartner sicherlich nicht knacken, bin ich mir sicher: Golf 1 von 1980 mit 228 PS! Ha, jetzt hab ich ihn. Oder doch nicht? Mein Kollege kontert mit 248 PS. Ebenfalls Golf 1 – verrückt. Aber nicht mal erfunden. Dieses Spiel leben nämlich Marco Müller, Jörg Leitner, Marco Veldhuis und Thomas Nellen mit ihren Gruppe-H-Gölfen. Dabei geht es ihnen ausschließlich ums Fahren, Fahren, Fahren. Posen mit „pfft, pfft" (zur Erklärung: Luftfahrwerke) gehört ganz und gar nicht zu ihrem Repertoire. Denn alle teilen dieselbe Ansicht: „Autos sind zum Fahren da", erklärt Jörg, während er in seinem 83er-Modell sitzt – übrigens zwei absolut bekannte Gesichter in der Szene der Golfer und darüber hinaus. Was genau hinter dem Verb „fahren" steckt, werden wir am eigenen Leib noch spüren. So viel sei gesagt: Die 200 PS haben leichtes Spiel mit den blechgewordenen Seifenkisten mit gerade mal 700 Kilogramm Kampfgewicht ...

Speeddating auf dem Gipfel

Absoluter „Crack" auf dem Gebiet des Einser-Tunings ist Marco Müller. Sei es von Berichten aus unserem Magazin, von unzähligen Social-Media-Beiträgen oder von Volkswagen-Treffen. Kein GTI-Treffen ohne ihn – nicht das 40-jährige Jubiläum auf der Nordschleife oder am Wörthersee ... selbst als Show-Fahrzeug am offiziellen Volkswagenstand steht er. Und auf die Frage, das wie vielte Projekt sein Golf 1 – übrigens aktuell im „Nest-One-Racing"-Design – überhaupt schon ist, zuckt er nur müde mit den Achseln: „Habe aufgehört zu zählen", so der Kfz-Meister. Highlight dabei war für ihn der Kamai-Golf in „Weiß-Orange-Rot" – na klingelt's? Das Schöne bei all den Golf: Die Technik ist verdammt ehrlich und einfach, sofern man sich damit befasst hat. Und man kann sehr vieles machen, auch in Eigenregie: Jenvey-Einzeldrossel, eigentlich nicht „TÜV-bar", da zu laut. Bei „altem Motorsportfahrzeug" egal. Ansaugkrümmer: Marke Eigenbau. Der Ton der Gruppe-A-Supersprint-Anlage? Authentisch. Danke. Nächster: Thomas Nellen, der ebenfalls wie alle anderen einen Gruppe-H-Umbau vorzuweisen hat. Natürlich auch auf rund zwei Liter aufgebohrt und gehont. In diesem Fall reichen die 1,9 Liter für 219,4 PS. Also liegt die Leistung nur leicht über der des Serien-GTI von damals (Achtung, Ironie!). Geschaltet wird beim Glasfasermonteur übrigens sequenziell mit einer Drenth-6-Gang-Dogbox. Verbesserungen wie Sachs-Racing-Kupplung oder erleichtertes Schwungrad gehören bei den Jungs genauso zum Standard-Tuning wie etwa standfestere Bremsen, bei Thomas eine Brembo-4-Kolben-Anlage, und Eigenbau-Käfige für Sicherheit und mehr Steifigkeit der Karosserie.

Der Wahnsinn hat viele Gesichter

„Wir kommen öfter hierher", erzählt Jörg mit seinem Sourkrauts-Golf. Auch er hat einen aufgebohrten 16 V mit locker über 200 PS, welcher wie bei allen anderen mit Expertise von Marco Veldhuis (Marco's Motorsport) auf- und umgebaut wurde. Bei seinem Golf fallen sofort die zahlreichen Carbon-Applikationen ins Auge – er könnte glatt als Hipster des Vierer-Schwadrons durchgehen. Im Innern natürlich ein Käfig, Sparco-Vollschalen und Vierpunktgurte. Fertig für ein Intermezzo mit dem Berg? Sicher. Aber dann bitte mit der Hardcore-Variante, welche im Quartett-Spiel sicherlich die Trumpf-Karte wäre. Knapp 250 PS und 280 Nm, quasi alles Marke Eigenbau, Trockensumpfschmierung, Proflex-Rennsportfahrwerk mit Ausgleichsbehälter und natürlich in Zug- und Druckstufe einstellbar. Rennsportbeläge machen die Brembo-Anlage samt 280er-Scheiben schön bissig – ABS- und ESP-Blödeleien Fehlanzeige. Also los! Marco Veldhuis, der Motoren-Papst der Bande, hat inzwischen schon über 2.500 Runden auf der Nordschleife hinter sich und lebt immer noch. Gutes Zeichen. Auch dass die Sparco-Corsa-Sitze kaum Luft zum Atmen lassen, ist völlig legitim, bemerke ich, als er die ersten zwei Gänge förmlich in die Schaltbox einprügelt. Geschaltet wird hier übrigens semi-sequenziell, wenn man das sagen kann. Die H-Kulisse der Schaltung fehlt, der Schaltstock kann also zum Hochschalten hinter und zum Herunterschalten vorgedrückt werden. Jedoch muss Marco die Kupplung betätigen, was grundsätzlich bei „richtigen" sequenziellen Getrieben nicht der Fall ist – dieses wäre aber zu teuer für den Zweck, den es erfüllen soll", erklärt der Nordschleifen-Fan. Während wir noch dem Small Talk verfallen sind, drückt Marco das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Dabei ist es mehr als erstaunlich, wie einfach es die Leistung mit dem geringen Gewicht des Fahrzeugs hat. Verstärkt wird das subjektive Empfinden, wenn man bergabwärts fährt. Der Motor schreit und das Quaife-Getriebe samt Drenth-Sperre rasselt vor sich hin, als könne man gleich die Zahnräder von der Straße aufsammeln. „Alles gut, das sind die Motorsportkomponenten", erklärt der Hydraulik-Ingenieur, während die Bäume an mir mit hundert-irgendwas vorbeifliegen.

„Pfft, pfft" ist keine Lösung

Puristische und handfeste Sportler sind diese vier Klassiker allemal. Mit jeder Menge Know-how zu echt schnellen Zeitgenossen umgebaut, mit viel Liebe zu lebenden Kunstwerken geformt. Im Übrigen geht es hier nicht um schneller oder besser wie beim Quartett-Spiel. Alle vier distanzieren sich klar vom Rumproleten am See und spulen Kilometer runter. „Pfft Pfft, egal ob beim Turbo oder Fahrwerk, ist nichts für uns. Die Gölfe sollen nicht auf irgendwelchen Showbühnen stehen und mit ihrem Zubehör glänzen. Die ‚nachgeahmten' Bergrenner haben ihren Platz unter anderem auf der Nordschleife gefunden. Denn ein Auto baut man sich zum Fahren und nicht zum Rumstehen!", erklären die Jungs. Und würden die gefahrenen Kilometer beim Karten-Daddeln eine Rolle spielen, hätte die Show-&-Shine-Fraktion vermutlich schon verloren ...

Diese Golf 1 wurde allesamt auf Gruppe H gemäß den Bestimmungen des Deutschen Motorsport Bundes (DMSB) umgebaut. Zahlreiche Dinge wie das Aufbohren des Motors das Anfertigen von Ansaugkrümmern und/oder von Abgasanlagen birgt immense Gefahren und sollte nur von Profis gemacht werden. Selbst gebaute Teile sind grundsätzlich nicht verboten und legal verwendbar, sofern sie den Bestimmungen und Auflagen des TÜV entsprechen und per Einzelabnahme eingetragen worden sind. Gerade bei Abgasanlagen und Veränderungen am Motor zählen vor allem der Sicht- und Festigkeitstest (korrekte Schweißnähte etc.) sowie einen Dezibel-Messung und natürlich die Abgasuntersuchung zur Einhaltung der Schadstoffgrenzen.

LESERHINWEIS: Diese Golf 1 wurde allesamt auf Gruppe H gemäß den Bestimmungen des Deutschen Motorsport Bundes (DMSB) umgebaut. Zahlreiche Dinge wie das Aufbohren des Motors das Anfertigen von Ansaugkrümmern und/oder von Abgasanlagen birgt immense Gefahren und sollte nur von Profis gemacht werden. Selbst gebaute Teile sind grundsätzlich nicht verboten und legal verwendbar, sofern sie den Bestimmungen und Auflagen des TÜV entsprechen und per Einzelabnahme eingetragen worden sind. Gerade bei Abgasanlagen und Veränderungen am Motor zählen vor allem der Sicht- und Festigkeitstest (korrekte Schweißnähte etc.) sowie einen Dezibel-Messung und natürlich die Abgasuntersuchung zur Einhaltung der Schadstoffgrenzen.