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Porsche 911 Carrera S (2005)

"Auf dem Dorf sind solche Autos eher selten"

09.07.2018 11:16 Uhr

Text: Patrick Zwerger | Fotos: Jan Bürgermeister


Porsche und Tuning – diese Paarung erlebt mit den Breitbauten à la Liberty Walk und RWB gerade ein ungeahntes Revival. Auch Johannes hat sich den Traum vom getunten 911er erfüllt. Dabei ging er allerdings andere Wege: Breit ist hier vor allem der Flügel. Mächtig breit ...

170 Zentimeter. In Worten: einhundertsiebzig! Der Heckspoiler an Johannes' Porsche 997 könnte der deutschen Durchschnittsfrau als Liege dienen. Oder als Unterstand – je nach Wetter. Doch der Eigenbau-Flügel ist nicht einfach nur groß. In dem Teil steckt jede Menge Handwerkskunst. Und ein ganzer Batzen Arbeit, wie Johannes erklärt: „Herzstück des Ganzen ist der GFK-Nachbau eines GT3-Flügels. Das Ding war innen hohl, deshalb haben wir es mit Bauschaum ausgefüllt und anschließend stundenlang versucht, die Oberfläche eben zu schleifen." Aber GFK ist nicht sehr temperaturbeständig, der Flügel wellte sich bei jeder Gelegenheit. „Wir haben deshalb mehrfach gefüllert und ihn letztendlich matt lackiert. So wirkt er schön glatt, auch wenn man ihn de facto nie hundertprozentig gerade bekommt." Hochfeste Aluminiumhalter recken das GFK-Brett in die Höhe, die wuchtigen Seitenteile bestehen aus ABS-Kunststoff und sind mit dem Mittelteil verschraubt. „Ursprünglich hatten wir Flügelenden aus Plexiglas montiert. Das ist aber recht spröde, und wir hatten Schiss, dass die irgendwann bei 250 ins Flattern kommen und wegbrechen", macht Johannes klar. „Deshalb haben wir uns für die ABS-Variante entschieden. ABS ist viel flexibler und eignet sich deshalb besser." Lachend fügt der 28-Jährige hinzu: „Ich hätte mir natürlich auch einen echten GT3-Spoiler kaufen können, aber da musst du schon mindestens 10.000 Flocken auf den Tisch legen. Das wäre preislich dann doch etwas zu heftig gewesen. Außerdem hat es so viel mehr Spaß gemacht ..."

Ein Porsche geht viral

Der Spaß stand bei Johannes' Porsche-Projekt sowieso von Beginn an im Vordergrund. Mit dem schwarzen 997 ging für den Autonarr aus der thüringischen Provinz ein Kindheitstraum in Erfüllung. 2014 übernahm er den Elfer nach einem Unfall für vergleichsweise kleines Geld – mit Frontschaden, dafür ohne Bankkredit. Fortan verkroch sich der Kfz-Mechatroniker jede freie Minute in der „Holyhall", seiner eigenen Werkstatt. Der umtriebige Thüringer hat Uropas einstiger Scheune sogar einen höchst erfolgreichen YouTube-Kanal gewidmet. Bis zu 60.000 Fans sahen Johannes dabei zu, wie er gemeinsam mit Kumpel Fabian und einigen anderen Gesinnungsgenossen den verbeulten 911er auf links krempelte und aus dem Carrera S einen stylishen Rennwagen Marke Eigenbau zauberte. „Wir haben uns erst überlegt, was genau wir machen wollten, dann entsprechend Teile besorgt und schließlich im Innenraum losgelegt", resümiert der Schrauber. So wanderte die ohnehin überflüssige Rückbank in die Tonne und machte Platz für einen polierten Käfig von GTE-Motorsport. Vorn montierte Johannes originales GT3-Gestühl und pflanzte ein 2008er-Volant auf die Lenkradnabe. Danach ging es auch von außen ans Eingemachte ...

Unterm Messer

Von Anfang an experimentierte Johannes dabei mit einem großen Heckflügel, hatte zwischenzeitlich sogar einen montiert. Aber das machte zu wenig Eindruck auf ihn – passte irgendwie nicht: „So 'nen Porsche kannste eben nicht einfach mit 'ner Hecktheke vollkleistern, das sieht sonst aus wie eine rollende Pommesbude. Du musst das Auto optisch – wenn, dann – komplett umstricken, sonst sieht so ein Flügel einfach nur verloren aus. Also haben wir die Karosse eben auf GT3 getrimmt." Das durch den Unfall entstellte Porsche-Gesicht musste ja sowieso operiert werden, da war die Aerokit Cup-Front sehr willkommen. Vor allem deswegen, weil diese Variante im Vergleich zur „normalen" GT3-Frontpartie keinen Lufteinlauf zwischen den Scheinwerfern besitzt. „Der Einlass würde die Stromlinie durchbrechen, das stört die Optik und gefällt mir nicht besonders", meint Johannes.

So heiß, dass sich das Carbon verbiegt 

Das Hinterteil rüstete der Mittelsdorfer ebenfalls auf GT3 um, konnte es allerdings nicht lassen, auch hier seine persönliche Note zu verewigen. Dabei erhielt er abermals Hilfe von Kumpel Fabian, der für den 911er eigens einen Diffusor aus feinstem Carbon zusammenlaminierte. Diesem wurde einige Wochen später im laufenden Betrieb jedoch übermäßig warm, denn die selbstgefertigte Auspuffanlage, bei der einzig der Fächerkrümmer von der Stange kam, schmiegte ihre wuchtigen Endrohre dermaßen eng an die schwarzen Kohlefasern, dass diese sich vor lauter Schreck zu verbiegen drohten. „Zum Glück ging das Carbon beim Abkühlen wieder in seine Ausgangsform zurück", beschwichtigt Johannes. Doch der Hilferuf des Diffusors verfehlte seine Wirkung nicht: „Wir haben die Stoßstange noch mal runtergenommen und innen zwei Eisenstangen einlaminiert für mehr Formstabilität. Außerdem haben wir den Auspuff mit Basaltfaser isoliert – jetzt gibt es hinten auch bei langen Ausfahrten kein Problem mehr mit der Hitze."

Tief und schön

Ein Problem bekam Johannes aber bald darauf in den Radhäusern. Allerdings weniger mit Hitze, sondern vielmehr mit dem Platz, der dort nicht vorhanden war: Nach quälend langem Suchen war er nämlich bei BS Carstyling in der Schweiz endlich auf das passende Schuhwerk für seinen 997 gestoßen: dreiteilige Rotiform CBU, Einzelstücke in 20 Zoll, von hinten geschraubt und wunderschön konkav. Damit kamen sich die Räder jedoch ins Gehege mit der riesigen Carrera-S-Keramikbremse. Also mussten sie ein Stück weiter raus – ums Weiten der Kotflügel kam Johannes deshalb nicht herum. Außerdem besorgte er sich bei H&R ein passendes Gewindefahrwerk, um die Schwabenrakete so richtig auf den Boden zu prügeln. Allerdings war ihm das, was das Gewinde so von Haus aus an Tiefgang anbot, längst nicht genug. Deshalb legte Johannes auch am Fahrwerk Hand an und kürzte, bis das gewünschte Ergebnis erreicht war. Schlussendlich noch ein wenig Racing-Dekor aufs neu lackierte schwarze Blech – und fertig war der Rennporsche made by Holyhall. Ein Auto, mit dem Johannes übrigens naturgemäß nicht nur Fans gefunden hat: „Natürlich gibt es auch Neider, die den Kopf schütteln und sich fragen, wie sich ein Jungspund wie ich so eine Karre leisten kann. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen, die Kohle dafür ist ehrlich erarbeitet – und so jung bin ich außerdem gar nicht mehr ..."

DATEN & FAKTEN 

Porsche 911 Carrera S (2005) von Johannes Döll 

MOTOR Sechszylinder-Boxermotor mit 3.824 ccm Hubraum und 355 PS; generalüberholt nach Motorschaden, nachgerüstete Stahlbuchsen der Zylinder, Fächerkrümmer, Eigenbau-Auspuffanlage (Edelstahl) mit zwei 200-Zeller-Rennkats
KAROSSERIE Komplettlackierung in Uni-Schwarz mit Racing-Beklebung; Kotflügel verbreitert, GT3-Aerokit Cup-Front, GT3-Heck auf Facelift (2008) umgebaut, Carbon-Diffusor, Eigenbau-Heckspoiler (170 cm breit), abgedunkelte Frontscheinwerfer
FAHRWERK gekürztes H&R-Gewindefahrwerk für maximale Tieferlegung (Federwegbegrenzer gekürzt, ein Federteller entfernt und auf Anschlag geschraubt)
RAD/REIFEN dreiteilige Rotiform CBU in 9x20 Zoll vorn und 11Jx20 Zoll hinten (Sonderanfertigung) auf Niederquerschnittreifen der Dimension 225/30/R20 vorn und 275/25/R20 hinten
BREMSEN Keramik-Bremsanlage vorn und hinten (Serie)
INTERIEUR GT3-Schalensitze, Rückbank entfernt, Lenkrad vom 2008er Modell; polierter Käfig von GTE Motorsport, diverse Teile mit Alcantara bezogen
MULTIMEDIA Bose-Soundsystem (Serie)
DANKE AN die Holyhall-Crew, insbesondere Fabian sowie an meinen Arbeitgeber Wentorf – Die Karosserie- und Lackexperten