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Mercedes-Benz 280 SE (1972)

Alter hat Stil

24.04.2018 10:00 Uhr


Robert Redlich hat sich dem Altblech verschrieben. Der eigentlich aus dem Bereich der klassischen Zweiräder stammende Thüringer musste etliche Anläufe wagen, bis er endlich seinen Traum-Daimler pilotieren konnte ...

 Die Autos mit dem Stern scheinen in der Tuning-Szene seit einiger Zeit auf dem Vormarsch zu sein. Das beschränkt sich nicht nur auf aktuelle Modelle. Getreu dem anhaltenden Trend hin zu alten und noch älteren Fahrzeugen widmen sich immer mehr Tuning-Enthusiasten Oldschool-Daimlern. Robert Redlich, seines Zeichens Inhaber von „Edelweiss Customs“, hat es sich zum Ziel gesetzt, der jüngeren Generation die „alte Schule“ näherzubringen. Während sich sein Tagesgeschäft hauptsächlich um Zweiräder aus dem Oldtimerbereich dreht, rutschte Robert über die Jahre mehr und mehr in die Vierrad-Tuning-Szene. Die natürliche Evolution eines Schraubers, der sich bereits im Alter von zehn Jahren an alten Fahrrädern zu schaffen machte.

Verliebt in einen W 108

Der Grundstein für Roberts Benz-Projekt wurde bereits vor Jahren gelegt. „Oldtimer sind meine Leidenschaft geworden, da lag der Wunsch nach einem Mercedes nahe!“, begründet der Oldschool-Liebhaber seine Verbundenheit zur Traditionsmarke aus Stuttgart. Sein Hauptaugenmerk legte Robert dabei auf den W 108. Das Oberklassemodell wurde von 1965 bis 1972 produziert und war Nachfolger der „Heckflossen“-Modelle und Vorgänger der ersten „S-Klasse“, wobei Daimler selbst den W 108 als Geburtsstunde der S-Klasse sieht. Robert wollte jedoch nicht nur luxuriös dahingleiten. Vielmehr wollte er dies möglichst nahe am Asphalt tun. Suchte man damals via Google nach einem tiefen W 108, waren die Ergebnisse mau. „Als Stanceworks an Heiligabend eine Bilderreihe eines tiefergelegten W 108 hochgeladen hat, war das für mich das schönste Geschenk!“, gibt Robert zu Protokoll und unterstreicht damit den Fakt, dass es damals höchste Zeit für „slammed Benzos“ war. 

Für den Altblechfanatiker stand fest: Er musste so einen Wagen fahren! Koste es, was es wolle. Herr Redlich verkaufte seinen Audi A6 (6F) mit Vollausstattung, um im Winter 2012 seinen ersten W 108 zu erwerben. „Mein Alltagsauto wurde ein wahnsinnig hässlicher Toyota Corolla mit kaputten Stoßdämpfern.“ Das ist wahrer Enthusiasmus! Allerdings stieß Robert den frisch erworbenen Mercedes schon nach einem Monat wieder ab und erstand einen cremeweißen 250SE aus dem Jahr 1967. „Ich war verliebt!“, begründet er diesen Schritt. Die Federn des W 108 wurden gepresst, und Robert war glücklich. Vorerst zumindest. In Sachen Oldtimer schon ein „alter Hase“, war er in Sachen Tuning ein Neuling – und wir wissen ja alle, wie schnell sich das Virus ausbreitet. Bald wurde der Einbau eines Luftfahrwerks beschlossen. „Als es endlich so weit war, schlug der Perfektionismus in mir zu. Mein Benz war mir von der Substanz her zu schlecht!“, erklärt Robert seine Entscheidung, noch ein drittes Mal auf die Suche zu gehen...

Alle guten Dinge sind drei

Beim dritten W 108 handelte es sich schließlich um das Exemplar, dem dieser Artikel gewidmet ist. Robert musste einen Blick über den großen Teich wagen, um seinen persönlichen Traum-Benz zu entdecken: ein 280SE 4.5. Matching Numbers, ungeschweißt, mit Scheckheft und Original-Bordwerkzeug. Alles Dinge, die dem Schrauber extrem wichtig waren. Nachdem der Mercedes am 23. Juni 1972 in Stuttgart das Licht der Welt erblickt hatte, trat er seine Reise nach Amerika an, wo er die nächsten 40 Jahre verbringen sollte. Im Frühjahr 2014 kehrte er schließlich in heimische Gefilde zurück, und schnell wurde klar: Das wird eine Vollrestauration! Die Sonne hatte dem Lack, den Gummiteilen und den Holzverkleidungen über die Dekaden schwer zugesetzt. Robert holte Kumpel Christian und weitere fleißige Helfer ins Boot und wagte einen Neustart. „Mir war es wichtig, das Fahrzeug originalgetreu aufzubauen“, erzählt der „Edelweiss Customs“-Gründer über die wichtigste Maßgabe des umfangreichen Projekts. Die eigentliche Substanz des W 108 war dabei glücklicherweise tadellos. „Alle Achsteile und der komplette Unterboden tragen noch den originalen Lack vom Werk. Sogar die Kreidemarkierungen sind noch erkennbar“, erzählt uns Robert stolz.

Der Neuaufbau beschränkte sich also „nur“ auf die Optik des Wagens. Bei einem über vier Dekaden alten Oberklasse-Benz war allerdings auch dies keine leichte Aufgabe. Der Mercedes wurde bis auf den Kabelbaum komplett zerlegt und Schritt für Schritt neu aufgebaut. Die Innenausstattung des Daimlers wurde teilweise neu aufgepolstert. Dichtungen und Gummiteile mussten nach über 40 Jahren im Dienst natürlich erneuert werden. Der 4,4-Liter-Motor mit mechanischer Direkteinspritzung wurde zum Teil zerlegt, für kerngesund befunden und wieder zusammengesetzt. Neu abgedichtet, versteht sich. Als Lackkleid wählte Robert den zur Hochzeit des W 108 verwendeten Unilack Pastellweiß 131. Abseits von Tuning-Maßnahmen weichen lediglich die gelben Scheinwerfer des französischen Modells, das weiße Lenkrad sowie der schwarz lackierte Kühlergrill vom Auslieferzustand des Jahres 1972 ab. Der Wagen bekam nach dem Lackieren sogar seine über 40 Jahre alten US-Stoßstangen mit den großen Hörnern und kleinen Beulen zurück. Auch andere Originalteile mit Patina durften wieder ihren Platz einnehmen. „Ich wollte kein Neufahrzeug, da ich der Meinung bin, dass jedes Fahrzeug eine Geschichte erzählen kann“, begründet Robert diese Maßnahme.

Let‘s get low

Natürlich wäre der Wagen bis hierhin noch kein klarer Fall für dieses Magazin. Allerdings war die Maßgabe ja von Anfang an, dass der Oldschool-Benz dem Asphalt bedrohlich nahe kommen sollte. Robert verbaute ein Luftfahrwerk und verwirklichte damit seine Pläne. „2Polished“ aus Belgien schüsselte einen Originalsatz Lemmerz-Stahlfelgen von 6 x 14 auf 17 Zoll um. Die verwendeten Radkappen hatte Robert schon über fünf Jahre zuvor als neuwertige Lagerware erworben. „In gewisser Weise fügen sich die Felgen in das Bild des sehr stilvollen Mercedes ein, gleichzeitig spiegeln sie aber auch modernes Tuning wider.“ Das können wir so unterschreiben! Das Projekt ist vollkommen gelungen, und wir sind schon gespannt, was der Gründer von „Edelweiss Customs“ als Nächstes in Sachen Vierrad auf die Beine stellen wird ...

DATEN & FAKTEN 

Mercedes-Benz 280 SE (1972) von Robert Redlich

MOTOR V8 mit 4,5 Litern Hubraum
AUSPUFF Abgeänderte Originalabgasanlage
FAHRWERK Luftfahrwerk mit Universalbälgen und geschweißten Adaptern, Nullbar-Lufterzeugungskit, AccuAir eLevel, zwei 11,5-Liter-Tanks, zwei 444er-Kompressoren
RÄDER Lemmerz-Stahlfelgen in 6 x 14 Zoll mit kleiner Radkappe, von 2polished umgeschüsselt auf 17 Zoll
EXTERIEUR Scheinwerfer des französischen W 108, schwarz lackierter Kühlergrill