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Golf 6 GTI "R" (2009)

Der bessere R?

09.02.2018 17:00 Uhr

Text: Ben Plant, Joshua Hildebrand | Fotos: Sebastiaan Mol


Was extravagantes Tuning angeht, scheinen unsere Nachbarländer ein absolutes Eldorado zu sein. Ganz nach dem Motto „Geht nicht, gibt's nicht" wird alles passend gemacht, was eigentlich nicht zusammengehört. So kann es durchaus passieren, dass auch mal Ferrari-Räder auf einem belgischen 390-PS-GTI samt Allrad und Airride landen – kein Scherz.

Moment mal. Den Wagen kennen wir doch?! Richtig, das ist Steven Sopranos GTI! Wir erinnern uns: Es ist schon einige Jahre her, als es uns ins belgische Gent verschlug. Die „Selected" Car Show lockte zu Saisonbeginn, um erstklassige Fahrzeuge zu bestaunen. Damals ein sehr auffälliger Umstand: Es waren nicht nur unheimlich viele VW Golf unter den Exponaten – das wäre an sich ja nicht weiter überraschend –, sondern vor allem die sechste Generation war zum ersten Mal so richtig stark vertreten. In allen Farben und mit jedem erdenklichen Radsatz. Und dennoch war es Sopranos GTI, der am meisten herausstach. Vielleicht lag es am Lack „Rising Blue". Oder aber auch am runtergeballerten Luftfahrwerk, den Ferrari-Rädern und der dicken Bremsanlage. Ganz egal wie: Mit so viel Individualismus dürfte der TÜV hierzulande ein Problemchen haben. Schon alleine wegen der Eintauch-Möglichkeit der Räder in die Radhäuser hieße es sicherlich: nix Plakette, nix Zulassung. Aber Showcar ist eben Showcar.

Einmal GTI, immer GTI

Der Belgier hat schon viel ausprobiert. Dabei begann er die Laufbahn als VW-Fahrer mit einem Golf 3. Allerdings nicht mit irgendeinem, sondern einem VR6. „Ein einfaches Serienfahrzeug für den Alltag, nichts besonderes", beschreibt Steven den Sechszylinder-Wolfsburger eher nüchtern. War er doch schon immer auf die drei legendären Buchstaben getrimmt. „Die Kraft, der Sound und nicht zuletzt die Optik der Gölfe" hatten ihn gepackt. Selbst die Baureihe war ihm dabei relativ egal. Und als sich dann einer von Stevens Kumpels von seinem Sechser-GTI trennen wollte, ergriff er die Chance und schlug zu.

Umbau auf Allrad – macht das Sinn?

Recht schnell war klar, dass der Wagen näher an den Asphalt musste. Außerdem brauchte der Wagen seiner Meinung nach mehr Power. Obwohl er anfänglich nur mit Chiptuning liebäugelte, werkeln jetzt doch 390 Pferde unter der blauen Haube. Gut, dass VAG-Parts den „Frontkratzer" auf Allradantrieb umgebaut hat. Sonst bekäme er die Power gar nicht auf die Straße. Richtig gelesen. Der GTI bekam DAS „4motion" seines Bruders „R" implantiert. Mit allen damit verbundenen Modifikationen. Warum er sich nicht gleich einen R gekauft hat, bleibt vermutlich sein Geheimnis. Aber gut. Leidenschaft und Vernunft sind ohnehin zweierlei paar Schuhe. Damit Steven auch alle Pferde ordnungsgemäß im Zaum halten kann, spendierte er seinem Golf eine bestialische Bremsanlage. Achtkolbensättel an der Vorderachse und Sechskolbensättel an der Hinterachse sieht man nun wirklich nicht bei jedem Upgrade-Projekt. Für den GTI-Fan aus Antwerpen war der Bremsen-Umbau der Höhepunkt seiner Tuning-Ambitionen: „Die Leute drehen immer durch, wenn sie meine Bremsen sehen. Ihre Kraft ist total verrückt!", freut er sich über die monströse Anlage. Apropos „Anlage". Unter dem GTI hat sich auch was getan. Eine von Maq Racing überarbeitete Milltek-Abgasanlage unterstreicht den Sound, den Steven am GTI so liebt. Und auch wenn er den Wagen so liebt, konnte er zu Beginn für die Fahrgastzelle nur wenig Liebe aufbringen. Er empfand das Interieur im Serientrimm als schlicht und ergreifend zu langweilig. Also hielten Alcantara, blaue Nähte und Klavierlack Einzug. Das „i"-Tüpfelchen: Der blaue Überrollbügel. Dieser verhindert zwar, dass mehr als zwei Personen im GTI unterwegs sein können, bringt aber auch einige Vorteile: „Der sieht nicht nur gut aus, sondern sorgt für Sicherheit und versteift die Karosserie des Fahrzeugs, was wiederum ein besseres Handling zur Folge hat!", erklärt Steven.

Schluss? Aus? Vorbei?

Absolutes Alleinstellungsmerkmal des 4motion-GTIs: der italienische Radsatz. Als wir Stevens Sechser zum ersten Mal begegneten, rollte er noch auf Walzen eines Ferrari 458 Italia. Mittlerweile hat er auf Räder vom Ferrari FF umgerüstet. Zugegeben: Das klingt ziemlich dekadent. Aber der GTI-Fanatiker hat sich ganz bewusst für Räder der italienischen Sportwagenschmiede entschieden, weil er sich so noch mehr von der Masse absetzen kann. In Verbindung mit der auffälligen Bremsanlage und dem Tiefgang durch das HP-Drivetech-Luftfahrwerk hat er sein Ziel absolut erreicht. Aufgrund des Umfangs der Modifikationen wurde der GTI eine ganze Weile von Spezialist zu Spezialist durchgereicht. Da Steven ein gutes Händchen bei der Wahl der richtigen Firmen bewies, gab es keine Stolpersteine. „Das einzige Problem bei diesem Projekt war, es in weniger als einem Jahr abzuschließen", erzählt er. Schließlich wollte der Mann aus Antwerpen nicht nur Besitzer, sondern auch aktiver Fahrer eines GTI sein. Wobei wir sagen müssen: Bei diesem Wagen erinnert eigentlich nur noch der Lenkrad-Schriftzug an den Basis-GTI. Viel mehr ist hier ein Über-„R" entstanden, der eher als Showcar durchgehen dürfte. Nichtsdestotrotz ist das Endergebnis wirklich sehr beeindruckend geworden. Und das sahen nicht nur wir so: Kurz nach Fertigstellung schaffte es Stevens Projekt bei „Heaven on Wheels" unter die Top Ten Belgiens – das war 2014. Das Jahr, in dem auch wir das erste Mal Bekanntschaft mit dem blauen Sechser machen durften. Umso erstaunlicher, dass drei Jahre später Schluss sein soll. Denn der Belgier spielt mit dem Gedanken, den Wagen zu verkaufen und das Tuning komplett sein zu lassen. Gründe hierfür kennen wir nicht. Wir können nur hoffen, dass er zur Vernunft kommt und weiter dem Hobby frönt, welches wir alle so lieben!

DATEN & FAKTEN 

VW Golf 6 GTI "R" (2009) von Steven Soprano 

MOTOR 2.0 TSI. Carbon-Intake, CTS K04 Turboupgrade, CTS-&-Maq-Racing-Kühler, Silikonschläuche
GETRIEBE 6-Gang-R20-DSG, kompletter Umbau auf „4motion"-Allradantrieb
KAROSSERIE Verbreiterte Kotflügel, Nummernschildmulde vorne gecleant, Außenspiegel in Klavierlack.
FAHRWERK HP-Drivetech-Luftfahrwerk von Kean Suspension mit AccuAir-Steuerung. Einstellung durch „nullbar" Belgium
RAD/REIFEN Radsatz von Ferrari FF in 8,5x20 Zoll (ET46) mit Vredestein Ultrac Sessanta in den Dimensionen 225/35R20
BREMSEN 400-mm-Scheiben mit Achtkolbensätteln (VA) und 360-mm-Scheiben mit Sechskolbensätteln & Handbremssattel (HA) von XYZ Racing
AUSPUFF Von Maq Racing überarbeitete Milltek-Abgasanlage
INTERIEUR Recaro-R20-Schalensitze, blauer Überrollbügel von Maq Racing, Umfassende Sattlerarbeiten in Alcantara mit blauen Nähten, Kunststoffteil in Klavierlack
CAR-HIFI RNS510 von Volkswagen mit 8 Dynaudio-Lautsprechern (Serie)
DANKE AN  VAG-Parts, R-Speed Tuning, Steven van Assche (SWORKz), T&T Leather Design, Maq Racing und Low Department