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Eleanor-Nachbau von Michael Scholz

Super Snake!

11.12.2017 17:21 Uhr

Text: Patrick Zwerger | Fotos Christian Riedmann


Wenn sich ein vermeintliches Schnäppchen als Großbaustelle entpuppt, hilft nur eines: Ärmel hochkrempeln und durchbeißen. Vor allem, wenn als Lohn eine astreine Kopie des wohl berühmtesten Ford Mustang aller Zeiten winkt: Eleanor!

Eleanor – ein Name, der elektrisiert. Zumindest im Kreis von uns Autofans. Spätestens seitdem der Kinofilm „Nur noch 60 Sekunden" über die bundesdeutschen – und österreichischen – Leinwände geflimmert ist, wissen auch die nach 1980 Geborenen, dass sich hinter dem Namen „Eleanor" der ultimative Ford Mustang verbirgt. Der feuchte Traum eines jeden Benzinjunkies. Das Auto schlechthin.

Zwölf Exemplare ließ Filmproduzent Jerry Bruckheimer von Designer Steve Stanford und Schrauber Chip Foose für das Remake des Kultstreifens „Die Blechpiraten" aus dem Jahr 1974 anfertigen. Fünf davon segneten während der Dreharbeiten das Zeitliche, allein drei davon für die legendäre Brückensprungszene. Nur gut, dass Eleanor nicht nur wunderschön, sondern vor allem ein gut gemachter Fake war: Auf der Leinwand trumpft die silbergraue Lady zwar als aufgemöbelter 67er-Shelby GT 500 auf – in Wahrheit handelte es sich bei allen zwölf Eleanor-Darstellern jedoch um „geschminkte" Normalo-Mustangs. Jerry Bruckheimer selbst gefiel die Filmschöpfung allerdings so gut, dass er sich eine 13. Eleanor bauen ließ. Die einzige, die tatsächlich auf einem Shelby GT 500 basierte ...

Mit seinem Spleen für den Film-Mustang stand Bruckheimer nicht alleine da: Als „Nur noch 60 Sekunden" im Jahr 2000 weltweit in die Kinos kam, konnte sich die Filmcrew kaum noch vor den Anfragen solventer Fans retten, die auch so einen silbergrauen Shelby Mustang haben wollten. Die Firmen Unique Performance und Classic Recreations produzierten den Wagen daraufhin in Kleinserie, direkt auf Bestellung. Pro Exemplar waren 2.500 Arbeitsstunden veranschlagt, die etwa neun bis zwölf Monate Zeit in Anspruch nahmen. Classic Recreations limitierte die Produktion auf 150 Stück, von den Unique-Eleanors wurden ganze fünf ausgeliefert. Preislich sind all diese Eleanor-Unikate kaum unter 150.000 Euro zu haben.

Ab nach Rom!

So viel wollte Michael Scholz aus Müllendorf in Österreich für seinen großen Traum dann doch nicht ausgeben. Deswegen stöberte er im Internet eine optisch sehr gelungene Eleanor-Replik auf. Veranschlagter Preis: unter 100.000 Euro. „Wenn ich heute zurückschaue, dann wäre ich mit einer originalen Eleanor wahrscheinlich trotzdem billiger gefahren", lacht Michael. „Aber damals konnte ich noch nicht wissen, wie viel Arbeit und Geld ich in das Projekt stecken würde. Und mittendrin aufhören konnte ich auch nicht, dann wäre ja alles umsonst gewesen ..." Doch der Reihe nach: Die Geschichte von Michael und „seiner" Eleanor beginnt im Winter 2014. Der selbstständige Installateur erinnert sich: „Von diesem Auto träume ich, seit ich zum ersten Mal den Film gesehen habe. Allerdings hatte ich in all den Jahren zuvor nie die finanziellen Möglichkeiten, mir diesen Traum zu erfüllen." 

2014 jedoch hat Michael tatsächlich einen Batzen Geld auf der hohen Kante, sodass der Traum plötzlich in den Bereich des Möglichen rückt. Er wirft seinen Rechner an, recherchiert im Netz – und stößt schließlich auf einen soliden Eleanor-Nachbau auf Basis eines 1967er-Shelby Mustang Fastback, der in Rom bei einem Händler zum Verkauf steht. Kurz entschlossen schnappt sich Michael seinen Anhänger und fährt über Silvester nach Italien. Was ihn in Rom erwartet, ist allerdings mehr als ernüchternd: „Der Wagen stand viel schlechter da, als es in der Internetanzeige den Eindruck gemacht hatte. Der Motor war hinüber, der Lack ramponiert, das Getriebe im Eimer und überhaupt war viel mehr kaputt als gedacht." Sollte Michael tatsächlich 1.000 Kilometer umsonst über den Brenner getuckert sein? „Ich dachte mir, so schnell gebe ich mich nicht geschlagen! Also hab ich den Händler ordentlich runtergehandelt, den Mustang aufgeladen und bin wieder heim." Für 79.000 Euro wechselt der Fastback letztlich den Besitzer – und es gab noch einen weiteren Lichtblick: „Das Eleanor-Bodykit war top in Schuss und sehr professionell montiert. Das war gut, denn so ein Kit kostet in den USA allein schon 10.000 Euro."

Ein hartes Stück Arbeit

Ansonsten war die Italo-Eleanor allerdings in einem eher bemitleidenswerten Zustand. Ziemlich schnell wurde Michael klar, dass es genau zwei Möglichkeiten gab: „Entweder ich mache eine Komplettsanierung oder ich lasse ganz die Finger davon." Da Aufgeben nicht infrage kam, entschied sich Michael für Ersteres – und zog mit Motorenspezialist Karl, besser bekannt als „Mustang-Charlie", einen ausgewiesenen Spezialisten hinzu. Der inspizierte den original verbauten 390er-Big Block, konnte jedoch nur noch den Tod des maroden Achtzylinders feststellen. Ein herber Verlust! Doch zum Glück wusste „Mustang-Charlie" Rat. Kurzerhand bot er Michael einen generalüberholten 428cui-V8, Baujahr 1967, als Alternative an. Mehr Hubraum, mehr Pferde, mehr Spaß: Michael war begeistert! Natürlich übernahm Karl auch den kompletten Austausch des Motors, während sich Michael ums Getriebe kümmerte. Das allerdings war leichter gesagt als getan: Der Vorbesitzer hatte den gesamten Antriebsstrang bereits so verbastelt und verpfuscht, dass das Mustang-Getriebe einer mehrmaligen Revision bedurfte. Ganze dreimal musste es komplett zerlegt und neu zusammengebaut werden. Nun aber läuft die C6-Automatik wieder wie geschmiert.

Als ein weiteres heißes Eisen beim Umbau erwies sich die Auspuffanlage. Eleanor besitzt bekanntlich Sidepipes, doch die mussten erst angelegt werden. Michael erinnert sich: „Ich hatte zwar Originalteile aus den USA zur Verfügung, aber da hat nichts zusammengepasst. Wir haben bestimmt fünfmal Hand angelegt, geflext, geschweißt, gebogen – eigentlich ist der gesamte Auspuff Marke Eigenbau. Aber jetzt passt alles!"

Eine neue Herausforderung

Dasselbe trifft dank der Lackiererei Dingl auch auf den Lack zu, der den Eleanor-Nachbau im besten Licht des originalen Filmfarbkleids erstrahlen lässt. Die Unterschrift von Nicolas Cage auf der Motorhaube ist allerdings nur aufgedruckt – was jedoch kein Dauerzustand bleiben muss, wie Michael betont: „Herr Cage soll ja öfter mal in Wien sein. Vielleicht fahre ich da einfach mal spontan hin und bitte ihn um ein Autogramm." Einen Versuch wär's wert. Schließlich hat Michael in den letzten zwei Jahren mit seiner Eleanor schon ganz andere Sachen fertigbekommen ...

TECHNISCHE DATEN

Ford Mustang Fastback, Baujahr 1967 (428 Shelby Cobra) von Michael Scholz

Karosserie GFK-Bodykit „Eleanor" (Front- und Heckschürze, Kotflügel, Seitenschweller, Frontgrill, Motorhaube und Heckklappe entsprechend dem Film-Mustang „Eleanor" aus „Nur noch 60 Sekunden"); Lackierung in Pepper Grey Metallic (Dupont Fleet 44490) mit schwarzen Rennstreifen (Black Metallic, Dupont Fleet 44435); verchromter Tankdeckel, zahlreiche Eleanor-Komponenten von Velocity
Motor 428cui-Cobrajet-Big-Block-V8 (Original von 1967) mit Aluzylinderköpfen, Rollenkipphebel, 750er-Holley-Vergaser, Aluansaugspinne, MSD-Zündanlage (elektrisch), offener Luftfilter; Alukühler, Alulichtmaschine, neuer Anlasser; verstärktes 1967er-C6-Automatikgetriebe mit geänderter Schaltbox (P, R, N, 1. bis 3. Gang); Leistung: 600 PS und 800 Nm
Auspuff zweiflutige Eigenbau-Edelstahlauspuffanlage mit Sidepipes links und rechts, Krümmer keramikbeschichtet
Fahrwerk vorne einstellbare Stoßdämpfer, einstellbare Shelby-Querlenker unten und oben, Aluzugstreben, härteverstellbarer Stabilisator, härtere Federn; hinten originale 9"-Hinterachse von 1967, Eaton-Detroit-Truetrac-Sperre (Übersetzung 3:1); Alukardanwelle (3"), verstärkte Blattfedern, Rahmenversteifung, härteverstellbarer Stabilisator, Performance Underride Transaction Bars (Torsionsstreben)
Bremsen  4-Kolben-Bremsanlage mit gelochten und geschlitzten Bremsscheiben vorne und hinten (Scheibendurchmesser: 309,6 mm/12,19")
Rad/Reifen vorne und hinten originale Shelby-Felgen in 9 x 18" ET0 auf Reifen der Dimension 255/45/18 vorne und 275/45/18 hinten
Interieur  Ledersportsitze Cobra GT 500 mit Carbonrückwand und Aluverstrebungen (Einzelanfertigung), Shelby-Überrollbügel mit Hosenträgergurtbefestigung, Handbremse in die Mitte verlegt, neuer Tacho, neuer Teppich, Sparco-Gurte, Zusatzinstrumente für Öldruck, Öltemperatur und Wassertemperatur; Batterie mit Velocity-Aluverkleidung im Kofferraum
Danke an  meinen Nachbarn und guten Freund Bojan für die Hilfe, die Tage und Nächte in der Garage und das Bier zum Feierabend, außerdem Mustang-Spezialist Karl, der mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand, sowie die Firma Dingl in Müllendorf für die Lackierung; außerdem ein großes Dankeschön an Velocity US-Car Parts für die vielen Teilelieferungen (90 Prozent aller verbauten Teile sind von Velocity)!