Toyota Supra (1994)
PS-Monster mit Kult-Faktor
16.02.2018 17:00 Uhr
Text: Nick K. Hofmeister | Sebastiaan Mol
Was haben wir gestaunt, als wir diesen Toyota Super (MK4) zu Gesicht bekamen ... Der Pole Adam Fijal hat den Kult-Sportwagen aus dem Land der aufgehenden Sonne zum PS-Monster mit Lachgas-Einspritzung und radiaklem Auftritt gemacht.
Wenn der Name Toyota Supra fällt, schnalzen JDM-Fans mit der Zunge. Andere haben für den bereits in Serie brutal wirkenden Supra nur ein Achselzucken übrig. Selbst schuld. Einfach mal über den Tellerrand schauen und offen für Neues sein, lautet die Devise. Aber so neu ist der Supra gar nicht. Keine Angst, ich verschone euch mit der Geschichte des Supra, der ursprünglich eigentlich „nur" das Topmodell des Toyota Celica war und dessen Anfänge bis in die späten Siebzigerjahre zurückreichen. Das wäre wohl zu viel des Guten. Die letzte Modellgeneration des Supra erschien Mitte des Jahres 1993. In dieser Ausführung erinnerte der Supra mit seinen Rundungen beinahe an eine Rubensfigur oder schien aus der Feder Fernando Boteros zu stammen. Heute ist der Supra MK4 bzw. JZA80, wie der Modellcode hierzulande lautet, längst JDM-Kult. Von diesem Design waren in Deutschland allerdings nur wenige angetan. Mit dem riesigen Heckflügel und dem 330 PS starken Turbomotor passte der Supra offenbar nicht so recht ins deutsche Straßenbild; so mancher Tester kam gar zu dem Ergebnis, dass der Wagen wohl noch aus den Achtzigern stammte.
Na ja, und heute? Heute ist der Toyota Supra richtig selten geworden. Der MK4 war in Europa kein wirklich großer Erfolg. Bereits 1996 stellte der japanische Autobauer den Export nach Europa ein, obwohl der japanische Sportwagen damals fast alles in den Schatten stellte, was die Automobilwelt zu bieten hatte. Trotzdem war selbst in den USA Schluss mit dem Supra, ebenfalls Ende der Neunzigerjahre. Manche vermuten, dass der Absatz durch die immer strengeren Abgasnormen stagnierte. Wenig hilfreich war auch, den Verkauf durch die Einführung von Supra-Modellen ohne Turbo ankurbeln zu wollen. In Japan bot Toyota den Sportwagen dagegen noch bis 2002 an. Und selbst danach schrieb der Supra noch Geschichte: Im Jahr 2007 siegte der Supra HV-R nämlich als erster Rennwagen mit Hybridmotor beim Tokashi-24-Stunden-Rennen – Wahnsinn! In die Geschichtsbücher wird auch der Supra des polnischen Drifters Adam Fijal eingehen. Er mischte am Bodensee nämlich nicht nur die Drift-Area auf, sondern räuberte beim European Showdown unter die Top 5! Ein Rennwagen in der Show-&-Shine-Area? Ja! Denn der Show & Shine ist nicht nur das Jagdrevier von „Trailer-Showcars", sondern auch von PS-Ungeheuern wie diesem Supra. Schade nur, dass Adam in Friedrichshafen gar nicht selbst dabei sein konnte. Doch seine Kumpels haben ihn würdig vertreten, während er selbst in Polen auf einem Driftrennen war. Adam stellt in seiner Heimat übrigens auch einen Volvo FM12 quer – kennt ihr nicht? Ist ja auch ein Lkw ...
Der 330 PS starke Supra-Reihensechszylindermotor (2JZT-GTE) ist mit seinen beiden Turboladern ein Meisterwerk japanischer Motorbaukunst und absolut standfest. Beinahe schon kugelsicher, konstruierten Tuning-Koryphäen wie Bn Sports, JUN, VeilSide, Tamon Design, Top Secret auf Basis des 2JZT-GTE echte Meisterwerke. Doch bekanntermaßen hat eine Medaille stets zwei Seiten; dementsprechend gibt es auch beim Driften unterschiedliche Philosophien. Während in der japanischen D1GP-Driftmeisterschaft die Mehrheit der Drifter mit aufgeladenen Sechszylindern oder sogar nur Vierzylindern unterwegs ist, setzen die Fahrer in der US-amerikanischen Formula Drift zum Großteil auf drehmomentstarke Achtzylindermotoren. Auch Adam setzt zum Leidwesen der Supra-Puristen auf einen kapitalen Achtzylinder. Der GM-Konzern bietet unter dem Dach von Chevrolet eine immense Auswahl an V8-Motoren zum Nachrüsten an. Ab ungefähr 10.000 US-Dollar seid ihr dabei und bekommt für euren Engine Swap alles direkt vom Hersteller. Es gibt sogar ganze Plug-&-Play-Kits inklusive Getriebe! Doch in Adams Supra kommt natürlich kein „normaler" Achtzylinder zum Einsatz, sondern in gewisser Weise ein Eigenbau-LS2. Die Basis bildet ein grauer, gusseiserner Chevrolet-LSX-Block mit 6,2 Litern Hubraum, der per LS2-„Stroker Kit" (Hubraumerweiterung mit Schmiedekolben, Schmiedepleuel, Kolbendichtringen, geschmiedeter Kurbelwelle etc.) auf 6,8 Liter „aufgebohrt" wurde.
Wird das „N2O" eingespritzt, wuchtet die Kurbelwelle übrigens bis zu 1.800 Newtonmeter in den Antriebsstrang. Das sind Kräfte, die erst einmal gebändigt werden müssen. Die geschmiedeten Motorteile verkraften das locker. Eine potenzielle Schwachstelle könnte höchstens das Hinterachsdifferenzial darstellen. Aber da hat Adam längst vorgesorgt. Das „Winters-Sperrdiff" verfügt über Schnellverschlüsse und kann einfach ausgetauscht werden. Die Exedy-Zweischeibenmotorsportkupplung hat bis jetzt noch nie „Mucken" gemacht und das sequenzielle G-Force-Viergang-schaltgetriebe ist ebenfalls auf diese Kraftentfaltung ausgelegt. Übrigens, selbst ohne die zusätzlich Power durch das Lachgas presst der per Turbo aufgeladene Chevy-V8 immer noch 1.450 Newtonmeter ins Getriebe. In Friedrichshafen verriet mir Adams Crew, dass man mit dem Supra eigentlich alles im vierten Gang fahren kann ...
Selbst mit der Serienbremsanlage war der Supra seinerzeit jahrelang die Nummer eins in Sachen Verzögerung von Serienfahrzeugen. Erst 2004 knackte ein Porsche Carrera GT den 1996 im amerikanischen Magazin „Car and Driver" aufgestellten Supra-Bremsrekord aus 113 Stundenkilometern. Innerhalb von 45 Metern kam der Supra zum Stehen. Der Carrera GT benötigte allerdings einen Meter weniger (44 Meter bzw. 145 Fuß). Und Adam? Er setzt aktuell auf die Serienbremsanlage vom Porsche Cayenne Turbo. Bei den Felgen handelt es sich um dreiteilige ISC-Schmiedefelgen. An der Vorderachse sind die 9,5 x 19 Zoll großen Räder mit Federal-595SS-Reifen bezogen. Hinten, wo 305/30-R19er-Yokohama-Advan-Sport-V103-Pneus für ordentlich Grip sorgen, messen sie 12,5 x 19 Zoll.
Auch bei Adams Supra handelt es sich um eine Targa-Version, doch der Pole hat das Dach seines Toyotas um ca. 40 Millimeter „gechoppt". Die Dachsäulen wurden gekürzt und durch die verkleinerte Fensterfläche wirkt die Silhouette viel flacher. Ein Meisterwerk ist auch das Bodykit. Der 16-teilige Bausatz ist komplett aus Kevlar und Carbon. Hier ist nichts nur Show, sondern alles erfüllt eine berechtigte Funktion. Da Adam vorwiegend in renommierten Drift-serien startet, muss sein Supra natürlich auch alle FIA-Sicherheitsstandards erfüllen. Dementsprechend hat er für den Fall der Fälle auch in die passive und aktive Sicherheitsausstattung investiert. Beispielsweise kommt ein automatisches Feuerlöschsystem zum Einsatz. Heute erinnert an dem Supra nichts mehr an sein Alter. Erst 2015 wurde der Toyota beim Driften eingesetzt, doch laut Adam kann das Setup des Wagens auch jederzeit auf die Viertelmeile oder die Rundstrecke angepasst werden. Wer auch immer in Zukunft mit dem „American Sumo" unterwegs sein wird: viel Spaß und allzeit eine erfolgreiche Drift-, Drag- oder Racing-Saison.
Toyota Supra MK4/JZA80 (Baujahr 1994) von Adam Fijal
MOTOR | 2.997-ccm-DOHC-Reihensechszylindermotor (2JZT-GTE); Serienleistung: 330 PS; Motorwechsel auf aufgebohrten Chevrolet-LSX-LS2-V8-Rennmotor mit 6.801 ccm Hubraum; LSX-Alugusszylinderkopf mit sechs ARP-Stehbolzen pro Kolben; Schmiedepleuel, Schmiedekolben, geschmiedete Kurbelwelle; Leichtbaukipphebel, Titanventilfederteller, doppelte Ventilfedern; Trockensumpfschmierung, Öl-Catch-Tank, F.A.S.T.-LSXr-102-mm-Einlasskrümmer, F.A.S.T.-92-mm-„Big Mouth"-Drosselklappe; Garrett-GT47-Turbolader, 70-mm-Precision-Turbo-Wastegate, 50-mm-Tial-Blow-off-Ventil, Eigenbauladeluftkühler; frei programmierbare Benzineinspritzung mit Aeromotive-Benzindruckregler, drei Bosch-Benzinpumpen, 40-l-Aero-Tec-Laboratories-Rennbenzintank, Catch-Tank; zwei Steuergeräte (Ecumaster EMU und Autronic Master Unit), jeweils einzeln nutzbar; elektronisch gesteuerte Nitrous-Express-Lachgasdirekteinspritzung pro Zylinder; Wasserkühler mit zwei zusätzlich wassergekühlten SPAL-E-Lüftern; Leistung: 1.200 PS und 1.450 Nm (1.480 PS und 1.800 Nm mit NOS) |
GETRIEBE | sequenzielles G-Force-T101A-Viergang-schaltgetriebe mit Exedy-2-Scheiben-Motorsportkupplung; Winters-Sperrdifferenzial (dank Schnellverschlüssen austauschbar); Eigenbauantriebswellen |
AUSPUFF | mit Keramik ummantelte STW-Line-Eigenbau-Edelstahlauspuffanlage inklusive 4-in-2-in-1-in-2-Krümmer |
FAHRWERK | BC-Racing-ER-Series-Gewindefahrwerk mit Stützlager; WiseFab-Lenkwinkel-Kit, Stabis, PU-Buchsen |
RAD/REIFEN | dreiteilige ISC-Schmiedefelgen in 9,5 x 19" Zoll und 12,5 x 19" mit Federal-595SS-Reifen in 235/35 R19 (vorne) und Yokohama-Advan-Sport-V103-Reifen in 305/30 R19 (hinten) |
BREMSEN | Porsche-Cayenne-Turbo-Bremsanlage mit 360-mm- und 340-mm-Bremsscheiben |
KAROSSERIE | gechopptes Dach, 16-teiliger STW-Line-Eigenbau-Bodykit (Motorhaube, Schürzen, Kotflügel, Türen, Dach, Heckflügel aus Kevlar und Carbon); Makrolon-Scheiben (Heckscheibe mit Belüftungskiemen); „Pearl Satin"-Karosseriefolie |
INTERIEUR | AIM-MXG-Multifunktions-Armaturendisplay; Willwood-Stehpedalbox; FIA-zertifizierte Sicherheitsausstattung inklusive Käfig mit Flankenschutz, automatisches OMP-Feuerlöschsystem, Killswitch, Sparco-Evo-II-Schalensitze, Sparco-HANS-Vierpunktgurte; OMP-Sportlenkrad; Fly-off-Bremse; unzählige Verkleidungen und Cockpitelemente aus Carbon |