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Golf 1 GTI V8 (2018)

Mehr Muscle-Car als Kompaktsportler

24.08.2018 10:15 Uhr

Text: Nick K. Hofmeister | Fotos: Viktor Benyi


Auf der SEMA Show scheint Geld bei Showcars sprichwörtlich keine Rolle zu spielen, und dennoch gibt es einen VW-Schrauber, der allen anderen die Show. Ein Golf 1 GTI mit 6,0-Liter-V8 und 550 wilden Mustangs unter der Haube. Howdy!

Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an unseren SEMA-Nachbericht erinnern, indem ich damals auf die Crux einging, dass es für Volkswagen-Fans auf der weltgrößten After-Market-Messe eigentlich nicht viel zu entdecken gibt und sich die US-Tuningwelt eben ganz dem „US-Tuning first"-Gedanken verpflichtet. Wenn man die diversen VW Atlas SUVs links liegen ließ, konnte man in Las Vegas getunte Volkswagen an zwei Händen abzählen. Ein echtes VW-Highlight gab es dann aber doch noch auf der SEMA: den Golf von Connor Hofford, der im Grunde gar kein VW mehr ist.

Unauffällig auffällig: ein VW Golf 1 in Vegas

Connors „Rabbit" stand auf dem Gehweg kurz vor dem Haupteingang zur „Central Hall", und als ich Ausschau nach einem VW hielt, stach mir das knallige Rotbraun ins Auge. Ein ziemlich cleaner und auf den ersten Blick noch unscheinbarer GTI mit BBS-Rädern. Die Fahrertür stand offen, und mir fiel ein schickes Custom-Interieur auf. Ganz in der Nähe, im Schatten der Messehalle, lehnte ein schlaksiger Kerl, der mich neugierig ansprach. Wie sich herausstellte, war er der Fahrer des GTI und war ganz verdattert, warum ich nur Augen für den Innenraum habe. Na ja, wann sieht man schon einen Golf 1 auf der SEMA ‒ und dann noch so einen, dessen Eigenbau-Armaturenbrett ohne Armaturen und einem digitalen Motorsporttacho im Himmel fast aus einem Hotrod stammen würde, antwortete ich mit meinem deutschen Akzent.

„Hotrod trifft es gut", meinte Connor und öffnete mit einem breiten Grinsen die Motorhaube. „Der ,Rabbit' war nur meine Alltagsschleuder, die ich ziemlich günstig auf der Craiglist entdeckte, und eigentlich hatte ich ja einen Jetta in der Mache." Als ich unter die Haube sah, hörte ich Connor schon gar nicht mehr. Da war tatsächlich ein V8 vor meinen Augen ‒ oder spielte mir der Jetlag einen Streich? „Am GTI sponn die Elektronik, und so parkte ich ihn einfach für ein oder zwei Jahre im Hühnerstall meiner Eltern, und dann kam mir die Idee, dass man doch auch mal einen V8 in einen Kleinwagen einbauen könnte." Ich holte tief Luft und fragte Connor, was er da noch mal gemacht habe. „Na ja, eigentlich wollte ich an meinem Golf nur dem Elektronikproblem auf die Schliche kommen, und als ich den Teppich im Innenraum anhob, kam gleich der halbe Unterboden mit, und dann dachte ich mir, warum ich nicht in den Golf einen V8 einbaue." Ich zog meinen Notizblock und musste mit Connor wohl länger reden. Wie sich herausstellte, demontierte er den Golf Stück für Stück und hatte da eigentlich gar keinen großen Plan, was er denn da eigentlich tat.

Absolute Beginner: Connor und Taylor

„Eigentlich bin ich kein Kfz-Mechaniker, sondern arbeitete in der Serviceabteilung eines Baumarktes an Rasenmähern. Ein Kollege dort half mir aber mit dem einen oder anderen Tipp. Er brachte mich auch auf die Idee, einfach auf Ebay nach alten Mustang-Achsen Ausschau zu halten." Gemeinsam mit seinem Bruder Taylor wurde die Karosserie weiter zerpflückt, und die ersten Schnapsideen mit einem Eigenbaurahmen entstanden. Während die Karosseriearbeiten eher unbekanntes Terrain waren, war der V8 eher ein Kinderspiel. „Mein Kumpel Brandon Funk verkaufte mir aus seinem verunfallten '06 Chevy Van den gebrauchten LQ4-Motor für 700 US-Dollar." Das Muncie-M20-Getriebe kaufte Connor auf dem „Hershey Swap Meet", einem der größten Klassik-Events und Teileflohmärkte an der Ostküste der USA. Die Ford-9-Inch-Starrachse samt Differenzial entdeckte er wieder auf Craiglist. Und auf meine Frage, wie Connor überhaupt auf die Idee kam, alles selbst zu machen, antwortete er lapidar, dass das alles gar nicht so schwer sei, etwas zusammenzusetzen. „Als ich 16 war, kaufte ich mir ein gebrauchtes Schweißgerät und fing damit einfach an, Dinge zu schweißen." Gemeinsam mit seinem Bruder schweißte er über mehrere Monate den Rahmen und setzte alles zusammen. Vorne wurde die Mustang-Vorderachse samt der ganzen Aufhängung einfach mal zu Versuchszwecken eingebaut. Hinten kam die verschmälerte Achse an Bord, der Motor, das Getriebe und das Fahrwerk wurden auch in den Rahmen gesetzt und ein paar alte Mustang-Räder probeweise gesteckt. Nach dem ersten Schieben des Unterbaus und nach einer Begutachtung durch einen Kumpel nahm alles seinen Lauf. Die HotRod-Golfer waren auf dem richtigen Weg. Aber der Jetta ging vor. Während der Golf in der Halle wieder Staub anlegte und Connor mit seinem Jetta auf Treffen-Tour ging, lernte er durch einen Zufall Mike Heim von Quality Custom Rides kennen. Die zwei kamen ins Gespräch, und Connor erzählte ihm, was er so mache, und da Mike die Karosseriearbeiten an dem getunten Jetta so gut gefielen, bot Mike dem VW-Schrauber spontan einen Job in seiner Werkstatt an.

Golf reloaded: Mission SEMA 2017

Nach ein paar Monaten bei Quality Custom Rides kamen die Amerikaner auf die Idee, den Golf mit dem V8-Swap nun doch professionell aufzubauen, um irgendwann auf der SEMA einen „HotRod-Golf" auszustellen. „Mike meinte, dass es doch besser wäre, wenn ich meinen selbst gebauten Rahmen noch mal überarbeite und den Golf auf Basis eines Gitterrohrrahmens samt 10-Punkt-Käfig aufbaue." Nachdem die Gitterrohrkonstruktion mit ihren zig Verstrebungen fertiggestellt war, wurde alles lackiert und der V8-Motor in seinen Einzelteilen zu Teasdale Competition Engines in Jonestown (Pennsylvania) für eine Revision verfrachtet. Der komplette V8 wurde mittels Trockensumpfschmierung, LS3-Zylinderköpfen von Precision Race Components, LQ4-Kurbelwelle und FAST 92 mm Drosselklappe neu aufgebaut. „Mike zog auch ein paar Sponsoren für die benötigte Hardware an Land", freut sich Connor, der es im Grunde immer noch nicht glauben kann, dass er mit seinem Golf auf der SEMA steht. Am nervigsten an seinem ganzen Umbau findet er im Rückblick, dass es einfach eine gefühlte Ewigkeit gedauert hat, tatsächlich den relativ simplen Swap schön zu verpacken. „Die Golf-Karosse war wirklich ziemlich fertig, und wir haben mehr Arbeit mit der Restauration verbracht, als die Technik zum Laufen zu bekommen." Im Ernst? Am Ende gibt Connor dann doch lachend zu, dass es doch ein wenig komplizierter war und er erst einen Tag vor dem offiziellen Start der SEMA mit seinem Trailer in Vegas ankam. Ich konnte es mir nicht verkneifen und fragte Connor, ob der Motor überhaupt laufe. Der Motor läuft, und es ist schon ein ziemlich komisches Gefühl, vor sich einen Golf 1 mit tief blubberndem V8-Sound stehen zu sehen und vor allem zu hören. Während der Motor noch lief, zeigte mir der 23-Jährige auf seinem Smartphone die umfangreiche Dokumentation des knapp drei Jahre dauernden Umbaus. Als ein Security uns freundlich darauf hinwies, dass wir doch bitte den Motor abstellen sollten, drehte Connor einfach am schwarzen Serientankdeckelverschluss ‒ und der V8 schwieg. „Das ist der Notausschalter", grinste der Amerikaner. „Und bevor du fragst: Getankt wird hier", und klappte das hintere Nummernschild weg.

Die coolsten Teerschneider aller Zeiten: BBS in 4 x 15 Zoll!

Apropos Räder, sie sind eine Sonderanfertigung von Max Herr, der sich nicht nur um die Radnabenadapter kümmerte, sondern die Räder auch auf 10 x 15 Zoll an der Hinterachse und 4 x 15 Zoll an der Vorderachse umschüsselte. Damit die Karosserie für die breiten Räder an der Antriebsachse nicht verbreitert werden musste, wurde die alte 9-Zoll-Hinterachse einfach verschmälert. Aber zurück zum Interieur, das mich so verzaubert. Die gesamte Elektrik versteckt sich hinter dem mit Leder bezogenen Custom-Armaturenbrett, und kein einziger Schalter ist auf den ersten Blick sichtbar. Am Himmel, dort, wo normalerweise die Sonnenblende sitzt, hat Connor einen digitalen Renn-Tacho montiert. Cool wirkt auch der sichtbare Gitterrohrrahmen, der sozusagen auch als Überrollkäfig fungiert, da die Karosse längst nicht mehr selbsttragend ist. Eigentlich müsste der Golf samt Connor zum Wörthersee eingeflogen werden, aber noch hat Connor für dieses Abenteuer keinen Sponsor gefunden – vielleicht sollte er dazu einfach mal eine Kickstarter-Kampagne starten ...

DATEN & FAKTEN 

VW Golf 1 GTI (1984) von Connor Hofford 

MOTOR 1.781 ccm Vierzylinder (DX), 82 kW (112 PS); Motorumbau auf 5,97 Liter LQ4 Vortec 6.000 V8 (GM LSx) Motor mit gehonten und aufgebohrten Kanälen (LQ-Block, LS3-Zylinderköpfe; Callies-Compstar-Pleuel, Diamond-Racing-Kolben; Texas Speed 231° Einlass- und 236° Auslassnockenwellen; LS3-Ansaugkrümmer; FAST 92 mm Drosselklappe; F.A.S.T. EZ EFI 2.0 Motormanagement und Benzineinspritzung; ...; 550 PS
KAROSSERIE Eigenbau-Gitterrohrrahmen mit 10-Punkt-Überrollbügel und aufgesetzter Golf-1-GTI-Karosserie; Eigenbau-Getriebetunnel; Golf-1-„Euro"-Stoßstange und -Grill sowie -Scheinwerfer; diverse Cleanings (Seitenblinker, Stoßstangen, Heckklappe ...) eingeschweißte Kotflügelverbreiterungen, Umbau auf schmale Rückleuchten; polierte Türgriffe; Serientankdeckelverschluss als Notausschalter (Tankeinfüllstutzen hinter Kennzeichen); zahllose Restaurierungsarbeiten (diverse Einschweißbleche, neue Schweller ...)
FAHRWERK modifizierte Ford-Mustang-II-Vorderachse, verschmälerte Ford-Mustang-9-ZollStarrachse mit Competition Engineering 4-Link.Anbindung; QA1-Dämpfer und -Federn
BREMSEN Wilwood-Vierkolbenbremsanlage mit 279 mm Bremsscheiben rundum
AUSPUFF Eigenbau-Auspuffanlage mit GP-Headers-Abgaskrümmer
GETRIEBE  Borg Warner M20 4-Gang-Getriebe aus Chevrolet Cargo Express
RAD/REIFEN mehrteilige BBS RS224-Felgen (Sonderanfertigung für die Mustang II Naben) in 4 x 15 Zoll vorne und 10 x 15 Zoll; Reifen: Kumho 155/60-15 und Hankook 295/50-15
INTERIEUR Eigenbau-Armaturenbrett; Racepak-IQ3-Digitaltacho, Hurst-Schaltgestänge mit Kamei-Schaltknauf; VW-Käfer-Pedale; NGR-Lenkrad mit Momo-Wolfsburg-Hupenknopf; Golf-GTI-Stoffbezüge, schwarzes Leder; schwarzer Teppich, Aftermarket-Sportsitze
DANKE AN Geoff Wood, Rich Wright, Mike Heim, Eltern (Rob Hofford und Janet Malin) und Bruder (Taylor Hofford); Sponsoren: GP Headers, Racepak, Wilwood Brakes; Fuel Air Spark Technology (F.A.S.T.); Ron Francis Wiring; Max Herr
KONTAKT www.qualitycustomrides.com