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VW Golf 5 R32 (2006)

Optimal abgestimmt

07.05.2018 10:45 Uhr

Text: Patrick Zwerger | Fotos. Jan Bürgermeister


Was versteht ihr denn heute so unter Tuning? Tiefes Fahrwerk? Trailerqueen? Show 'n' Shine? Alles schön und gut. Aber Tobias Graml ist da anderer Meinung.

Aus Trends hat sich Tobi nie wirklich viel gemacht. Und aus Oberflächlichkeiten auch nicht. Rallye-Asse wie Walter Röhrl und ihre Gruppe B-Monster waren die Helden seiner Kindheit. Doch als Tobi ein Kind war, gab es die Gruppe B schon gar nicht mehr. Dennoch atmete Tobi, 1994 geboren und nahe Regensburg aufgewachsen, von klein auf den Duft der guten alten Zeit, als es beim Tuning noch darum ging, ein Auto besser zu machen, stärker, dynamischer – und nicht unbedingt schöner. Als Steppke schaute er dem Vater beim Schrauben am Opel Ascona B GTE über die Schulter. Sein Spielplatz war die elterliche Hobbywerkstatt, der Motorsport seine heimliche Passion – bis heute: „Mich hat dieses Ur-Tuning schon immer mehr begeistert als Tiefe um jeden Preis und schwere 20-Zöller", stellt Tobi klar. „Vor allem die Porsche der 1970er- und 1980er-Jahre haben mich fasziniert, wie die deutlich stärkere Gegner regelmäßig in Grund und Boden gefahren haben – allein durch technische Raffinesse."

Dass es am Ende weder ein Opel noch ein Porsche, sondern ein Fünfer Golf R32 geworden ist, den Tobi als Quell für sein Projekt auserkor, hängt ebenfalls mit einem „Kindheitstrauma" zusammen. Denn so vernarrt Tobis Vater in den Opel war, so begeistert fuhr seine Mutter Golf – und zwar durchgängig, von 1 bis 5. Ein Kurzbesuch beim VW-Händler im zarten Alter von acht Jahren geriet schließlich zum Erweckungserlebnis: „Ich bin mit meinem Vater dorthin, um Ersatzteile abzuholen. Und dann stand da dieser Golf 4 R32. Reflexsilber Metallic, Dreitürer, Handschalter. Ich war wie geplättet. Das war für mich der Golf schlechthin, ein Wahnsinn – ein Traum!" Ein Traum, den sich Tobi im Sommer 2014, mehr als zwölf Jahre später, endlich erfüllen konnte. „Es ist dann zwar ein Fünfer geworden, aber das war mir egal."

Der Wagen, Baujahr 2006, Black Magic Pearleffekt, war fast original geblieben, lediglich ein TA-Technix-Fahrwerk hatte man ihm untergejubelt. Dessen Zeit war allerdings nun abgelaufen, denn Tobi hatte andere Pläne: „Die Idee, einen R32 im Rallye-Trim zu bauen, faszinierte mich – und als ich über meinen Kumpel Franz und dessen Vater auch noch Kontakt zu Walter Röhrl höchstpersönlich bekam, war die Sache für mich geritzt."

Dem selbst entworfenen Foliendesign, angelehnt an den WRC-Polo der Rallye Monte Carlo, folgte zunächst klassisches Saugertuning. Der VR6 unter der Haube bot mit seinen 250 PS und 320 Nm Drehmoment dafür nicht die schlechteste Basis. Fächerkrümmer, 200-Zellen-Kats, BN Pipes-Auspuff und Schmiedekolben wanderten unter das Fünfer-Blech, OZ Formula HLT-Alufelgen mit Zentralverschluss-Optik zogen in die Radkästen. Ein in Zug- und Druckstufe verstellbares B16-Gewindefahrwerk von Bilstein garantiert perfekte Straßenlage – auch dort, wo gar keine Straße ist: „Das Fahrwerk habe ich auf meiner Hausstrecke im Bayerischen Wald eingestellt, und zwar so, dass ich auch problemlos über den Feldweg brettern kann."

Projekt EA 390 Evo

Die Geschichte könnte hier zu Ende sein – doch wo andere den Haken setzen, legte Tobi erst richtig los. Erst einmal warf er die Rückbank raus, ersetzte sie durch einen Wiechers-Überrollbügel und wertete die Schalensitze mit Takata-Gurten auf. Dann widmete er sich dem Triebwerk. Projekt EA 390 Evo, angelehnt an die VW-interne Bezeichnung der VR-Motoren, kam ins Rollen. 300 Sauger-PS waren schon eine Hausnummer, aber natürlich ging da noch mehr. Tobi liebäugelte zunächst mit einem Kompressor, doch je mehr er sich damit beschäftigte, desto verlockender erschien ihm ein Turbo-Umbau. Dafür holte sich der Maschinenbau-Techniker Hilfe bei Motorenpapst Wolfgang Ettl von Ettl Motorsport. Heraus kam eine eigens für Tobis Golf gefertigte Turbo-Spezialkreation aus einer Billet-Turbine und einem Abgasrad von Inconel. „Dieser relativ kleine Lader ermöglicht ein nutzbares Drehzahlband von 2.500 bis 7.500 Umdrehungen mit sattem Drehmoment und über 500 PS. Das war genau das, was ich wollte."

Damit war es allerdings nicht getan, denn längst hatte sich Tobi so tief in die Materie verstrickt, dass schnell eins zum anderen kam. Dazu zählen nicht nur ein SQS-Getrieberadsatz und eine Sinterkupplung, mittels derer sich die Gänge drei bis sechs ohne Zugkraftunterbrechung schalten lassen. Viele technische Details fallen erst auf den zweiten Blick auf. Zum Beispiel jenes, dass der R32 inzwischen „nur" noch ein R30 ist: „Ich habe eine Kurbelwelle aus dem AAA-Motor vom Golf 3 VR6 eingebaut, die passt haargenau auf den R32-Motor. Dadurch habe ich einen geringeren Hub mit reduzierter Verdichtung, das macht den Motor drehfreudiger, nimmt ihm die Trägheit und macht ihn noch standfester", erklärt Tobi. Klassisches Tuning eben – tüfteln, bis der Arzt kommt, das Auto immer noch einen Tacken besser machen. Und über den Tellerrand hinaus denken: „Man kann sich von anderen Herstellern viel abschauen, denn es gibt Gründe, warum bestimmte Probleme dort nicht auftauchen." Da der R32 beispielsweise latent zum Überhitzen neigt, erhöhte Tobi den Kühlwasserdurchsatz mittels einer Zusatz-Wasserpumpe aus einem Mercedes SL 55 AMG. „Mit der Hitze habe ich seitdem keine Probleme mehr", freut sich der Rallye-Fan.

Keine Probleme gibt es außerdem mit der Spritversorgung. Hier hat Tobi ein redundantes System aus zwei parallel geschalteten DW65v-Pumpen geschaffen, die zusätzlich von einer Bosch 044 unterstützt werden. Sollte auf dem Track also eine Pumpe schlappmachen, bleiben immer noch zwei, die die nötige Arbeit verrichten. „Theoretisch könnte ich damit sogar 1.000 PS fahren", macht Tobi klar. „Die Schwierigkeit war, die Pumpen gleichzuschalten und für genügend Rücklauf zu sorgen."

Neue Pläne

Natürlich ist die Technik nicht alles und der Weg zum Gruppe-B-Monster noch weit. Doch immerhin weiß Tobi schon genau, wo er ansetzen muss: „Leider ist der Wagen mit anderthalb Tonnen noch viel zu schwer, da werde ich noch mal das Interieur entrümpeln müssen und viel mit Carbon und Kevlar arbeiten." Breiter soll der Golf ebenfalls werden, das Auge isst schließlich mit. Hier will Tobi mit Blecharbeiten und einem Aerodynamik-Bodykit nachhelfen. „Es gibt noch jede Menge Details zu optimieren, auch was den Anpressdruck angeht, die Bremsenkühlung, und, und, und ..." Langweilig wird es dem 23-Jährigen also nicht werden. Aber Rom wurde bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut.

DATEN & FAKTEN 

VW Golf 5 R32 von Tobias Graml 

MOTOR ehemals 3,2 Liter-VR6 (Motorcode BUB) mit 250 PS und 320 Nm; Motorblock neu gehohnt, JE-Schmiedekolben, AAA VR6-Schmiedekurbelwelle (Hubraum aktuell 3,0 Liter), Verdichtung 9:1; Zylinderkopf für Turboumbau bearbeitet, Supertech-Inconel-Auslassventile, Bosch-Einspritzdüsen (650 ccm),Ventildeckel vom Golf 4 R32 BFH; H-Schaft-Pleuel von Eurospec; Eigenbau-Turbolader von Ettl Motorsport (Billet-Turbine, Inconel-Abgasrad); Eigenbau-Ansaugtrakt (Kombination aus Audi RS3- und Golf R32-Komponenten mit maximaler Fläche), Ettl Motorsport-Ansaugkrümmer (Aluguss), bearbeitet und für Zylinderkopf angepasst; Rothe Motorsport-Turbokrümmer, 2 x 200-Zellen-Kats (HJS), handgeschweißte Abgasanlage von Ettl Motorsport mit Klappensteuerung; zwei DeatschWerks-Kraftstoffpumpen DW 65v (je eine in jeder Tankhälfte) sowie eine 044-Pumpe von Bosch Motorsport zur Unterstützung; links Benzinkorb vom Golf 4 GTI für die zweite Pumpe; Einspritzleiste vom Golf 4 R32 mit TDI-Rücklaufkühler am Unterboden für geringere Klopfneigung; verstärkte Wasserpumpe, 81°-Thermostat, Zusatzwasserpumpe vom Mercedes-Benz SL55 für erhöhten Wasserdurchsatz; Öl-/Luftkühler (19 Reihen) zusätzlich zum Originalkühler mit externem Thermostat, Öldrucksensor, gesonderte Leitung für die Turbo-Ölversorgung, Umölung auf 15W30 300v von Motul; Getriebe von Ettl Motorsport (GUM) mit SQS-Radsatz, für Turbobetrieb optimiert, Sachs-Sinterkupplung, EMS-Schwungrad von Sachs; Abdeckung aus Alu-Riffelblech für die Benzinpumpen, Übertragung aller Daten des frei programmierbaren Steuergeräts auf Smartphone oder Tablet (Steuergerät im Wasserkasten auf Originalposition des originalen Bosch-Steuergeräts ME 7.2, Adapter für CAN-Bus in wasserdichtem Kasten verbaut); aktuelle Leistung: 500+ PS, 700+ Nm Drehmoment
FAHRWERK Bilstein B16-Stoßdämpfer (in Zug- und Druckstufe verstellbar) mit Trackday-Dämpferkennlinie, Bilstein-Federn mit Federrate vorn 110 N/mm und hinten 80 N/mm; Originalstabilisatoren mit PU-Buchsen, Achsschenkel vorn bearbeitet (für den Einbau der Bremsanlage); Tieferlegung ca. 35 mm
RAD/REIFEN OZ Formula HLT in 8 x 18 Zoll ET 42 vorn und hinten auf Federal RSR-595-R-Reifen der Dimension 225/40R18; Spurverbreiterung vorn und hinten je 10 mm pro Achse

KAROSSERIE Maxton-Diffusor und Frontschwert für mehr Abtrieb (mit Unterboden verbunden), Maxton-Seitenschweller und Maxton-Spoiler Cap; Originallackierung in Black Magic Pearleffekt (VW-Farbcode-LC9Z), Teilfolierung nach eigenem Design in Anlehnung an den Polo WRC 2014 bei der Rallye Monte Carlo
INTERIEUR VW-Motorsport Schalensitze (Serie, mit Leder bezogen), Rückbank entfernt; Serienlenkrad mit nachgerüsteter 12-Uhr-Markierung und R32-Logo, Wiechers Clubsport-Überrollbügel, Takata-Vierpunktgurte (FIA-homologiert), zwei 2,4 Liter-Feuerlöscher von OMP an den Vordersitzen, ein 1-Liter-Feuerlöscher im Kofferraum; zwei OMP-Gurtmesser in der Mittelkonsole, Prosport EVO Premium-Instrumente für Ladedruck, Öldruck und Benzindruck; OMP-Spanngurte im Kofferraum für Ersatzreifen und Öl bzw. Wasser
BREMSEN vorne 8-Kolben-Bremsanlage von K-Sport mit 356-mm-Scheiben und Bremsenkühlung vom Opel Astra H OPC; hinten 4-Kolben-Anlage von K-Sport mit 330-mm-Scheiben; rundum Stahlflex-Bremsschläuche
DANKE AN an: meine Freundin Lisa für ihre Unterstützung, ihre Leidensfähigkeit und ihre aufmunternden Worte, meine Mutter für ihre Hilfe als Teilelieferantin, meine Freunde (dafür, dass sie mich nicht als total verrückt abgestempelt haben, vor allem Simon); außerdem an die Megatonale Petrolheads Autogruppe, Kevin für die #gegramlt-Aufkleber, Michi für Reifen und Felgen sowie Franz, Philipp, Julian und Andreas für die zahlreichen Ideen und Gespräche; ein Dank geht auch an Bavaria Carstyling fürs Folieren, Spik's Garage fürs Besorgen der PU-Buchsen, Christian Gründel von Carlicious-Parts für die Teileversorgung und die Expresslieferungen, Funtuning für die Maxton-Teile sowie vor allem an das Team von Ettl Motorsport um Wolfgang Ettl für Unterstützung, Fachkompetenz, die perfekte Motorabstimmung, die tolle Abgasanlage, alle anderen Arbeiten und den langen Atem; der größte Dank aber gebührt meinem Vater, der das Projekt immer begleitet und tatkräftig mitgestaltet hat!