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VW T1 (1963)

Elvis lebt!

17.01.2018 10:15 Uhr

Text: Bernd Frank | Fotos: Jan Bürgermeister


Ganz ehrlich? Bei dem Begriff Rock-'n'-Roll-Bus denkt im ersten Moment sicherlich niemand an einen mausgrauen T1-Kasten. Manchen erscheint dieser Gedanke vermutlich sogar vollkommen absurd – aber eben nicht allen …

Coskun ist türkischer Abstammung und verbindet mit dem T1 Kindheitserinnerungen, weil mit eben so einem Bus früher die ganze Familie in die türkische Heimat fuhr. Der typische Geruch im Innenraum, der Ausblick durch die geteilte Frontscheibe, all das hat sich tief in Coskuns Gedächtnis eingebrannt. Auch wenn der T1 irgendwann durch einen Ford Transit ersetzt wurde – irgendwann sollte wieder ein Bus der ersten Generation vor der Tür stehen. Aber bitte in perfektem Zustand. Der Bus ist ein Gemeinschaftswerk von Alin und seinen Rock-'n'-Roll-Freunden. Der eine ist Karosseriebauer, der andere kennt sich mit Motoren aus. Sattler und Lackierer? Alles im Freundeskreis. Ein perfektes Netzwerk.

Allein schon Coskuns Hand spricht eine eigene Geschichte …

Ursprünglich im Dienste der Feuerwehr

Als Basis diente ein 1963er-Feuerwehrkasten mit Doppelklapptüren. Von der Feuerwehr haben überdurchschnittlich viele Exemplare überlebt, denn sie wurden während ihrer „Dienstzeit" oft wenig gefahren und dafür umso gründlicher gewartet. In der Folge hielten sich die Schweißarbeiten im Rahmen. Der Wagen wurde nach dem Schweißen komplett entlackt, Dellen und andere Unebenheiten wurden so weit wie möglich zurechtgedengelt, Schweißnähte verzinnt. Auf der Karosserie findet sich so gut wie kein Spachtel. Der professionelle Lackaufbau erfolgte nicht nur außen, sondern auch innen. Alin ist stolz darauf, wirklich jede einzelne Schraube des Fahrzeugs in der Hand gehabt zu haben, wobei so weit wie möglich die Originalschrauben wiederverwendet wurden, allerdings nicht ohne sie zuvor gelbverzinken zu lassen. Alle Chromteile wurden neu verchromt, selbst die Sitzgestelle wurden gestrahlt und pulverbeschichtet.

Als waschechter Rocker brauchte der Balinger natürlich auch den entsprechenden Untersatz

Obwohl es der Familien-T1 damals selbst mit kleinem Motor in die Türkei schaffte, durfte es im Motorraum deutlich mehr Rock 'n 'Roll sein. Zwei Liter Hubraum hat das neue Herz und mobilisiert standfeste 110 Pferde. Auch optisch macht das Aggregat mit den zwei Weber-Doppelvergasern und Porsche-Style-Luftfilterkasten etwas her. Airbrush findet man im Maschinenabteil eher selten. Für die Musik sorgen die Sportluftfilter und eine kernige CSP-Abgasanlage. Logisch, dass Getriebe, Fahrwerk und Bremsen der Leistung angepasst wurden. Ca. 60 Millimeter kommt der Kasten dem Boden der Realität näher, verzögert wird rundum mit CSP-Scheiben. Wie viel Fahrtzeit sich Coskuns Familie damit wohl auf dem Weg in die Türkei gespart hätte? Auf jeden Fall hätte sie damals deutlich mehr Fahrspaß genossen. Im Original sind T1-Busse ja eher untermotorisierte Arbeitstiere.

Der "Zwoliter" besitzt natürlich einen Weber-Doppelvergaser und leistet groovige 110 PS

Im Innenraum spielt die Musik

Der eigentliche Rock 'n' Roll findet jedoch im Innenraum statt. Als Raum- und Objektdesigner mit eigener Firma war Coskun in seinem Element. Und ging teilweise ungewöhnliche Wege. So ist zum Beispiel der Innenhimmel im Laderaum aus GFK, das hinterste Element trägt ein Elvis-Airbrush. Abgeteilt werden die Segmente mit aus mehreren Schichten verleimten Mahagonileisten, für die er eigens eine Presse baute, um sie in Form zu bringen. Den Fahrgastraum überspannt ein Alcantarahimmel. Der hintere Ausbau ist dank diverser Auszüge variabel, sodass er sowohl als Schlafplatz als auch als Stauraum genutzt werden kann. Eine weitere Nutzung sind feste Stehtische.

Kein Schnickschnack, aber jedes Teil irgendwie ein Kunstwerk – das passt!

Zwei schillernde Multitalente

Ungewöhnlich ist auch das Material, mit dem Sitze und Türverkleidungen bezogen sind: Das Leder stammt von Wasserbüffeln. Ohne zu verspielt zu wirken, arbeitete Coskun einige Erinnerungsstücke ein, beispielsweise ein Elvis-Kostüm, das sein verstorbener Vater für seinen Sohn genäht hatte, oder einen Speckstein-Bulli, den eine gute Freundin geschnitzt hat, die leider an Parkinson erkrankt ist. Der Laderaum ist mit einer Plexiglasscheibe vom Fahrerraum getrennt, die ein Airbrush von Johnny Cash ziert. Man muss sich schon etwas mehr Zeit nehmen, will man wirklich alle Details an dem Kastenwagen entdecken. Am besten, man hört dabei ein wenig Elvis im Hintergrund, denn der Wagen ist wirklich Rock 'n' Roll.

Das Elvis-Kostüm hat Coskuns Vater für seinen Sohn genäht

Jawohl! That's all right …

Der Innenraum ist ein etwas ganz Besonderes: Der Innenhimmel besteht aus GFK und wurde mit Airbrush und Mahagonileisten veredelt

TECHNISCHE DATEN 

VW T1 (1963) von Coskun Alin

KAROSSERIE  seltener Doppelklapptürer, Karosserie original restauriert, Lack L325 Mausgrau/ Elfenbein-weiß, Safarifenster vorne/hinten, Dach-gepäckträger
INTERIEUR individueller Ausbau, Dachhimmel in Alcantara/GFK, Trennleisten aus Mahagoni, Sitze und Türverkleidungen mit Wasser-büffelleder antik bezogen, Zusatzinstrumente für Drehzahl, Öldruck und Öltemperatur, viele individuelle Lösungen
MOTOR 2 Liter Hubraum, ca. 110 PS, Weber-Doppelvergaser, Engle-Nockenwelle, Pleuel Scat 5, elektronische Zündung, CSP-Python-Fächerkrümmer und -Abgasanlage
FAHRWERK verstellbare Vorderachse, verdrehte Drehstäbe hinten, Tieferlegung um ca. 60 mm, Bilstein-Sportstoßdämpfer, innen belüftete CSP-Scheiben vorne und hinten
FELGEN/REIFEN 195/55 R55 vorne und 205/50 R15 hinten auf breiteren Radkappenfelgen
DANKE AN Björn Balle (Karosserie & Lackaufbau), Alexander Bartzak (Elektrik & Bremsen), Heiko Getrot und Jannik Ehinker (Motor & Getriebe)
KONTAKT  info@traumwelten-balingen.de