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Fahrwerk-Wiki für Einsteiger

Mehr als nur Tieferlegung

14.12.2017 14:04 Uhr

Text: Nick K. Hofmeister, Peter Hintze | Fotos: KW, MAV


Ihr versteht beim Fahrwerk nur Bahnhof? Kein Problem! TUNING hilft euch ein wenig auf die Sprünge.

Moderne Gewindefahrwerke bieten weitaus mehr als die Option einer stufenlosen Tieferlegung oder Härteverstellung. Heute gibt es Gewindefahrwerke mit adaptiver Dämpfersteuerung, die mit vielen Fahrwerksystemen der Automobilindustrie kompatibel sind. Einige lassen sich per Smartphone in ihrer Dämpfercharakteristik einstellen. Bei anderen können die Dämpfer wie im Motorsport in der Low- und Highspeed-Druckstufe sowie Zugstufe und vielen weiteren Parametern individuell abgestimmt werden. Im „Fahrwerk-Wiki" stellen wir euch wichtige Features vor. 

Die Aufgabe eines Fahrwerks 

Zum Fahrwerk gehören Dämpfungselemente bestehend aus Dämpfer, Feder, Stützlager, Anschlagpuffer. Für die Radführung selbst ist die Aufhängung wie etwa Querlenker, Radlagerträger, Radlager, usw. verantwortlich. Räder, Reifen und Stabilisatoren gehören natürlich ebenfalls zu den Fahrwerkskomponenten. Für das Fahrverhalten sind im Wesentlichen die Stoßdämpfer, Federn, Stabilisator und die Elastokinematik der Querlenker verantwortlich.

Fahrwerkfedern

Die Hauptaufgabe der Federn ist das Gewicht des Fahrzeugs zu tragen und sie sind dafür verantwortlich, dass das Auto auf einer bestimmten Höhe liegt. Federn speichern beim Einfedern die aufs Auto einwirkende „Stoßenergie" und wandeln sie in Schwingungen um. Sie halten den Pkw in Verbindung mit den Dämpfern und der Radaufhängung kontrollierbar.

Federrate

Sie beschreibt die Steifigkeit (Härte) der Feder. Je höher die Federrate, desto mehr Kraft wird benötigt, um die Feder zusammenzudrücken. Die Einheit dafür lautet N/mm oder als Faustformel kg/cm, d.h. um eine 70N/mm Feder 1cm zusammenzudrücken, erfordert 70kg Gewicht. Die Federrate beeinflusst insbesondere die Aufbaufrequenz des Fahrzeugs. Harte Federn führen zu einer hohen Aufbaufrequenz und haben den Vorteil, dass sich das Fahrzeug bei Zuladung wenig absenkt. In Kurven neigt sich die Karosserie weniger. Bei allzu harten Federraten verliert das Fahrzeug deutlich an Fahrkomfort und letztendlich auch an Grip. Hier gilt es einen optimalen Kompromiss zu finden. Je nach Bauweise unterscheidet man zwischen linearer und progressiver Federrate. Von linearer Federrate spricht man wenn die Federrate über den kompletten Federweg gleich bleibt, bei einer progressiven Federn jedoch steigt die Federrate im Verlauf des Federwegs an.

Dämpfer

Dämpfer, technisch korrekt Schwingungsdämpfer, kontrollieren die Entspannung der Feder (Zugstufe). Die Druckstufe wird vereinfacht beschrieben zur Unterstützung der Feder benötigt. Die primäre Aufgabe der Dämpfer ist es, Schwingungen der Karosserie zu reduzieren. Zudem kann durch die Dämpfer auch die Schwingung an den Rädern beeinflusst werden. Die von der Feder abgegebene Energie wird über die Kolbenstange auf den Stoßdämpfer übertragen. Bei der entstehenden Kolbenstangenbewegung wird Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt; der Physiker spricht von Dissipation. Je nachdem welche Kräfte an der Kolbenstange wirken, können bis zu über 90°C und mehr entstehen. Bei allen Fahrwerken sind die Dämpfer das wesentliche Instrument, um die Fahrdynamik zu beeinflussen. Gerade bei Sport- und Gewindefahrwerken sind sie die wichtigste Komponente, dass ein sportliches Fahrverhalten entsteht. Je nach Ausführung des Dämpfers können auch die hydraulischen Widerstände durch einstellbare Ventile gezielt verändert werden, um im Detail Einfluss auf das Dämpfungsniveau zu nehmen.

Verschiedene Dämpfungstechnologien

Schwingungsdämpfer werden in der Erstausrüstung und im Aftermarket üblicherweise als „Zweirohrstoßdämpfer" oder eher selten als „Einrohrstoßdämpfer" eingesetzt. Bei beiden Dämpferarten bewegt sich ein Kolben in einem ölgefüllten Zylinder. Der Kolben fördert das Öl durch Ventile. In den Ventilen wird der Widerstand des Ölstroms beeinflusst. Es gibt dabei so viele unterschiedliche Ventilsysteme und -lösungen, diese alle zu erklären würde den Rahmen sprengen. Federt ein Auto beim Fahren ein, wird durch das Eintauchen der Kolbenstange das unter Druck stehende Öl verdrängt. Im Inneren des Dämpfers können sich für die Zug- und Druckstufe jeweils mehrere Ventile befinden. Diese sind notwendig um gezielt bei niedrigen und hohen Kolbenstangengeschwindigkeiten unterschiedliche Kraftanstiege darzustellen. Meist sind diese Systeme in höherwertigen Performance-Anwendungen wie unter anderem in Gewindefahrwerken von KW zu finden.

Einrohrdämpfer

Einrohrdämpfer bestehen aus einem Gehäuse, in dem sich eine Kolbenstange beim Aus- und Einfedern durch einen mit Hydrauliköl gefüllten und unter Druck (Gas) stehenden Zylinder bewegt. Die Flüssigkeit muss durch Ventile im Kolben von der einen auf die andere Seite fließen. Dabei entsteht ein Widerstand wodurch die Dämpferkraft erzeugt wird. Im Gegensatz zum Zweirohrdämpfer benötigen Einrohrdämpfer einen höheren Gasdruck. Üblicherweise ist das Gas und Ölvolumen durch den Trennkolben getrennt.

Zweirohrdämpfer

Der Zweirohrdämpfer besteht aus einem Dämpfergehäuse und dem Zylinderrohr welches sich im Inneren des Dämpfers befindet und u.a. den Arbeitskolben führt. Beim Einfedern fließt das unter Druck stehende Dämpferöl vom Zylinderrohr durch das Bodenventil ins äußere Gehäuse. Beim Ausfedern fließt das Öl durch den Zugstufenkolben, der direkt im Innenrohr arbeitet. Das zuvor verdrängte Öl wird dabei durch ein Rückschlagventil wieder zurück ins Zylinderrohr geleitet.

Adaptive Dämpfer

Früher gab es Gewindefahrwerke und Sportfahrwerke, an denen über elektronische Stellmotoren an der Kolbenstange die Dämpfercharakteristik geändert werden konnte. Heute funktioniert das mit Hilfe elektromagnetischer Ventile, die im Dämpfer installiert sind, innerhalb von Millisekunden, wie es beispielsweise KW-DDC-Gewindefahrwerke beweisen.

Die Zugstufe

Die Zugstufe hat direkten Einfluss auf die Arbeitsgeschwindigkeit beim Ausfedern der Kolbenstange. Sie regelt auch, wie schnell die Feder in ihre Ausgangslage zurück entspannt. Bei verschiedenen Gewindefahrwerken kann die Zugstufe eingestellt werden. Sozusagen werden die Durchmesser der Zugstufenventile für ein weicheres Fahrverhalten geöffnet und für eine straffere Abstimmung geschlossen. Mit der regelbaren Zugstufe werden das Fahrzeughandling und der Komfort beeinflusst.

Die Druckstufe

Bei verschiedenen Gewindefahrwerken lassen sich die Dämpfer unabhängig von der Zugstufe einstellen. Mit der Druckstufe lässt sich die Geschwindigkeit der Kolbenstange beim Eintauchen regeln. Sie wirkt sich direkt auf Nick- und Rollbewegungen der Karosserie sowie das Einlenkverhalten aus. Werden die Ventile geöffnet, verringert sich die Druckstufe und das Fahrzeug taucht schneller bei Lenkbewegungen ein. Wird die Druckstufe erhöht, taucht die Kolbenstange langsamer ein. Umso stabiler agiert das Fahrzeug bei Lenkbewegungen. Das Einlenkverhalten wird präziser, je stärker die Druckstufe abgestimmt ist. Bei manchen Gewindefahrwerken wie etwa KW Clubsport 3-fach Fahrwerken kann die Druckstufe auch im Low- und Highspeedbereich separat eingestellt werden.

Das Gewindefahrwerk

Im Gegensatz zu Serien- und Sportfahrwerklösungen verfügen Gewindefahrwerke über ein Gewinde und einen einstellbaren Federteller. Über dieses Gewinde wird der Federteller nach oben oder unten gedreht, um eine stufenlose Tieferlegung zu wählen. Man verändert die Aufstandsposition der Feder, wodurch sich das Fahrzeugniveau verändert. Die Federvorspannung in Standhöhe des Fahrzeugs lässt sich nicht ändern, dies ist nur durch das Fahrzeuggewicht zu beeinflussen. Während beispielsweise KW Federbeine aus Aluminium oder Edelstahl und einen Federteller aus einem Verbundwerkstoff verwendet, beschichten andere Hersteller lediglich die genutzten Stahlfederbeine und vertrauen Aluminiumfedertellern zum Schutz vor Korrosion.

Eines haben seriöse Fahrwerkhersteller gemein: Keiner von ihnen setzt beim Tieferlegen auf die sogenannte Bracket-Lösung. Darunter versteht man das Verkürzen oder Verlängern des Federbeins mit einer Konterverschraubung. versteht man das Verkürzen oder Verlängern des Federbeins mit einer Konterverschraubung. „Bei KW wird jedes Fahrwerk exakt auf die Gegebenheiten des Fahrzeugs angepasst. Es gibt ausschließlich fahrzeugspezifische Anwendungen, so dass immer die maximale Tieferlegung im Rahmen der gültigen Vorschriften und Normen erreicht wird. Wir achten bereits in der Entwicklung darauf, dass selbst bei der maximalen Tieferlegung es zu keinen Schäden an Achsgelenken, Koppelstangen, Spurstangen, Antriebswellen, Bremsleitungen, etc. kommen kann. Zudem wir penibel darauf geachtet, dass die Räder freigängig sind und die am Unterboden befindlichen Teile wie etwa Ölwanne, Achse oder Auspuff selbst bei extremen Belastungen nicht auf der Straße aufschlagen", erklärt KW Entwicklungsleiter Thomas Wurst. „Bei Bracket-Lösungen wird dies dem Kunden überlassen. Selbst geringfügig falsche Einstellungen werden zwangsläufig zu Schäden am Fahrzeug führen. Ob gekonterte Gehäuseverschraubungen bei radführenden Federbeinen im Alltag halten, ist außerdem mehr als fraglich. Wirken doch beim Fahren zahlreiche Kräfte auf das Federbein. An Probleme, die durch die Korrosion der Konterschrauben entstehen, will ich lieber gar nicht denken."