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Ratgeber: Scheibenfolierung (2018)

Nicht alles ist erlaubt

21.08.2018 09:42 Uhr

Text und Fotos: Tom Bauer

Alle Jahre wieder ... Die Sonne kommt raus, die Sonnenbrille sitzt perfekt auf der Nase und Hitze macht sich im Fahrzeug breit. Wen wundert es da, dass auch die Folierer wieder Hochkonjunktur haben. Denn für viele gehören getönte Scheiben und individuelle Decals zum guten Ton. Und so wird wieder geklebt bis die Polizei kommt. Damit ihr mit eurem neuen Look nicht in die Punkteränge fahrt, haben wir ein paar Tipps zusammengestellt.

Mit modernen Folien lässt sich jedes Fahrzeug farblich umgestalten. So gut wie jeder Farbwunsch ist in kürzester Zeit zu verwirklichen. Solange sich eine Folierung auf den Lack und die Anbauteile beschränkt und lichttechnische Einrichtungen sowie Scheiben nicht beziehungsweise nicht über das zulässige Maß hinaus beklebt werden, gibt es auch nichts weiter zu beachten. Einzige Ausnahme sind sogenannte retroreflektierende Folien, welche nicht verbaut werden dürfen. In jüngerer Vergangenheit standen immer wieder Folierungen in Chromoptik in der Kritik, weil durch den Effekt andere Verkehrsteilnehmer geblendet werden könnten. In zwei mir bekannten Fällen wurde diesbezüglich schon Recht gesprochen. Einmal wurde das Verfahren eingestellt, weil durch die Folierung keine Gefährdung zu erwarten wäre. In einem anderen Fall wurde die Chrom-Effekt-Folierung als unzulässig bewertet, weil durch sie eine erhöhte Blendgefahr anderer Verkehrsteilnehmer zu erwarten wäre. Was dieses Thema angeht, wird es also spannend bleiben.

Folien und Aufkleber auf lichttechnischen Einrichtungen

Machen wir es kurz: Auf Leuchten und Lampen haben Aufkleber und Folien nichts zu suchen. Es handelt sich dabei um bauartgeprüfte Fahrzeugteile, die nicht verändert werden dürfen. Der eine oder andere Prüfer drückt bei beklebten Scheinwerfern zwar hin und wieder ein Auge zu, wenn der Lichtaustritt nicht beeinträchtig wird, doch leitet sich daraus natürlich kein Rechtsanspruch ab.

Was die Zulässigkeit von Scheibenbeklebungen angeht, kommt es vor allem darauf an, ob die Scheiben mit Folie oder Aufklebern beklebt werden sollen:

Das Tönen von Front- und Seitenscheiben ist grundsätzlich nicht zulässig. Gemäß der ECE-R 43 müssen diese eine Lichtdurchlässigkeit von mindestens 70 Prozent aufweisen. Um hier eine Folie aufbringen zu dürfen, müsste zunächst die Lichtdurchlässigkeit der verbauten Scheiben bestimmt werden. Anschließend könnte eine Folie aufgebracht werden, deren Tönungsgrad zusammen mit der Scheibe eine Restlichtdurchlässigkeit von mindestens 70 Prozent ergibt. Da heute aber so gut wie alle Fahrzeuge bereits werkseitig getönte Scheiben vorweisen, wird in diesem Punkt nicht mehr viel Raum für zusätzliche Tönungen bleiben. Der verbleibende, zusätzliche Tönungsgrad würde vermutlich keinen großen Unterschied mehr machen und meilenweit vom gewünschten Effekt entfernt sein. Außerdem müsste die Restlichtdurchlässigkeit am Ende durch ein technisches Gutachten bestimmt werden. Da zulässige Scheibenfolien nicht auf den vorderen Seitenscheiben und der Frontscheibe aufgebracht werden dürfen, wäre im Anschluss eine Einzelabnahme erforderlich.

Wer Tönungsfolie auf den vorderen Seitenscheiben (Gangster-Style) anbringt, riskiert ein Erlöschen der Betriebserlaubnis. Denn: Die Verkehrssicherheit ist dadurch wesentlich beeinträchtigt. Der nicht verhandelbare Einstiegspreis liegt in diesem Fall bei 90 Euro und einem Punkt. Außerdem müsst ihr damit rechnen, dass ihr erst weiterfahren dürft, wenn die Folie an Ort und Stelle von den Scheiben entfernt wurde. Auch das Abdunkeln der Fahrzeugscheiben mit Hilfe von Lack oder Lasur ist unzulässig. Wie bereits beschrieben, müsste auch hier ein fototechnisches Gutachten erstellt und eine Einzelabnahme vorgenommen werden. Geahndet werden lasierte Scheiben genauso wie unzulässig folierte Scheiben.

Übrigens: Auch Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung dürfen in Deutschland nur in Betrieb genommen werden, wenn die vorderen Seitenscheiben frei von Folie sind. Sie unterliegen zwar nicht der StVZO (Ausrüstungsvorschrift), doch findet die StVO (Verhaltensvorschrift) Anwendung. Und hier gibt es den Tatbestand des Führens eines nicht vorschriftsmäßigen Fahrzeuges, was mit dem Erlöschen der Betriebserlaubnis gemäß StVZO vergleichbar ist.

Sonnenblendstreifen

Ist die verwendete Folie nicht ausdrücklich zur Verwendung als Sonnenblendstreifen freigegeben, darf sie nicht auf der Frontscheibe aufgebracht werden! Hierbei gelten die in der Tabelle genannten Vorgaben. Farbige Streifen (die als Aufkleber zählen) dürfen maximal 0,1 Quadratmeter Fläche aufweisen!

Unabhängig von der Größe muss das Sichtfeld des Fahrers in jedem Fall erhalten bleiben und der Blend- oder Zierstreifen darf vom oberen Scheibenrand aus gesehen, nicht beliebig weit nach unten versetzt montiert werden. Genau gesagt, darf er nur so tief angebracht sein wie eine waagerechte Ebene, gemessen 700 Millimeter über der Mitte des unbelasteten Fahrersitzes, im Abstand von 130 Millimeter von der Rückenlehne – viel Spaß beim Ausmessen... 

Scheibengravuren

Sogenannte Scheibengravuren oder –tattoos sind zwar immer wieder gerne gesehen, sind aber genau genommen nichts anderes als eine Beschädigung der Scheibe. Fahrzeugscheiben müssen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit viele Vorgaben erfüllen. Insbesondere müssen sie in Sachen Bruchverhalten, Abrieb, Witterungs- und Feuchtigkeitsbeständigkeit besonderen Prüfungen standhalten. Durch das Gravieren der Scheibe wird deren Struktur dauerhaft geschädigt und ihre Haltbarkeit herabgesetzt. Somit erfüllen gravierte Scheiben nicht mehr die Vorgaben der ECE-R 43 und müssen im Falle einer Beanstandung ausgetauscht werden. Als Ahndung kommt auch hier das Erlöschen der Betriebserlaubnis zur Anwendung, was auch hier 90 Euro und einen Punkt bedeutet.

Fazit: Schon seit den 1980er-Jahren sind Scheibentönungen ein Dauerthema. Anfangs stand vielleicht noch der Nutzen (Wärmeabweisung) im Vordergrund. Im Zeitalter von serienmäßig getönten und bedampften Scheiben ist die Zielrichtung eher die optische Wirkung und vielleicht noch der Schutz vor neugierigen Blicken. Wird bei der Folierung der Karosserie fast nichts reglementiert, sieht das beim Einsatz von Folien und Aufklebern auf Beleuchtungseinrichtungen und Scheiben, die bauartgeprüft und sicherheitsrelevant sind, schon wieder anders aus. Hier sollten auch manche Einbaubetriebe ihr Geschäftsgebaren überdenken und darauf verzichten, unzulässige Folierungen von Front- und Seitenscheiben vorzunehmen. Denn eines muss euch klar sein: Am Ende zahlt ihr das Bußgeld!