Anzeige

 Anzeige

Drei Jahre neues Punktesystem

Einen Zwischenbilanz

31.12.2017 10:00 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: ADAC, Jan Bürgermeister


Volkssport: Rasen? Im vergangenen Jahr waren laut Kraftfahrt-Bundesamt über 8,5 Millionen Personen in der Verkehrssünderkartei registriert – eine beeindruckende Zahl, die nach Aussagen von Experten in den nächsten Jahren sogar noch weiter zunehmen könnte.

Schuld haben zumeist die Autofahrer selbst, dennoch macht es das neue System gerade für Berufskraftfahrer nicht einfacher. Aus dem früheren Verkehrszentralregister (VZR) wurde im Zuge der Reform des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer ab Mai 2014 das Fahreignungsregister, kurz FAER. Dabei hat sich nicht nur der Name geändert, sondern auch am Punktesystem selbst wurden gravierende Änderungen vorgenommen. So ist der „Lappen" nach der neuen Regelung bereits bei acht Punkten weg, beim alten System waren es noch 18 Punkte. Obwohl es jetzt zwar tendenziell weniger Punkte für Verstöße gibt, hat man den kritischen Bereich viel schneller erreicht als bei der alten Regelung. Da fragen wir uns: warum eigentlich die Reform? Laut den Politikern nur, um alles so zu vereinfachen, dass auch der Laie einen Überblick darüber hat, was und vor allem wie viel in seiner Verkehrskartei steht.

Nur auf den ersten Blick einfacher

Das neue System ist mittlerweile seit fast drei Jahren in Kraft, aber dennoch ist die Übergangsphase mit speziellen Regeln für die Alteintragungen aus der Zeit vor dem 1. Mai 2014 noch nicht abgeschlossen. Anders als im VZR werden im FAER nur Entscheidungen über Ordnungswidrigkeiten eingetragen, die Einfluss auf die Sicherheit des Straßenverkehrs haben. Ordnungswidrigkeiten wie zum Beispiel das verbotene Einfahren in eine Umweltzone werden dagegen nicht mehr im Register gespeichert. Die Basis laut Paragraf 4 des Straßenverkehrsgesetzes in Verbindung mit Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung klingt dabei recht simpel:

  • ein Punkt für weniger schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten (Verstoß gegen die Vorfahrtsregel, Überfahren einer roten Ampel, rechtswidriges Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren, Missachtung von Verkehrshindernissen, Fahren ohne Führerschein, Handy am Steuer, Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 Stundenkilometern)
  • zwei Punkte für die Verkehrssicherheit besonders beeinträchtigende Ordnungswidrigkeiten und Straftaten ohne Entziehung der Fahrerlaubnis [Drogen und/oder Alkohol am Steuer (mehr als 0,5 Promille), Nötigung im Straßenverkehr, Teilnahme an Autorennen]
  • drei Punkte für Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis (Fahren ohne Führerschein, Drogen und Alkohol am Steuer mit über 1,1 Promille, Gefährdung des Straßenverkehrs, unterlassene Hilfeleistung und Fahrerflucht)

 

Wer klagt, hat eventuell Nachteile

Um zu verstehen, wie sich Punkte auswirken, insbesondere, wie lange diese in Flensburg erhalten bleiben, muss man die Eintragungszeit kennen. Wichtig zu wissen: Jeder Verkehrsverstoß verjährt für sich. Die sogenannte Tilgungshemmung (ein neuer Punkteeintrag verlängert automatisch die Tilgungsfrist der alten Einträge) fällt weg. Geregelt ist die Dauer der Eintragung über die Länge der Tilgungsfrist (§ 29 Straßenverkehrsgesetz, kurz StVG). Getilgt wird je nach Schwere des Vergehens entweder nach zweieinhalb, fünf oder zehn Jahren. Die erste Hürde für die Beurteilung seiner Situation umgeht der Betroffene meist unbemerkt. Gerechnet wird nämlich nicht vom Tattag des jeweiligen Verstoßes an, sondern in der Regel ab ihrer Rechtskraft (§ 29 Abs. 4 StVG). Auch davon gibt es aber (natürlich nachteilige) Ausnahmen. Ist der Führerschein weg, beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis oder spätestens fünf Jahre nach der Rechtskraft der beschwerenden Entscheidung. Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt folgendes Beispiel von Verkehrsrechtsanwalt Klaus Kucklick (anwalt.de): Wer am 1. April 2014 zu schnell war und erst nach zwei Rechtszügen und dem Durchlaufen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens am Oberlandesgericht am 2. Januar 2017 verurteilt wurde, besitzt die dazugehörigen Punkte zwar schon ab 1. April 2014, getilgt werden sie allerdings erst ab Rechtskraft des Verfahrens! Das können im Extremfall weitere fünf Jahre sein. Und damit insgesamt sogar acht Jahre bei „leichten" Vergehen! Wenn der Betroffene zudem im März 2016 noch sechs Punkte hatte (die Tilgung alter Punkte erfolgte vielleicht erst im Mai 2016) und damals auch bereits von der Fahrerlaubnisbehörde ermahnt und verwarnt war, wird ihm nun im Jahr 2017 die Fahrerlaubnis entzogen, weil er in der Zeit bis März 2017 die Grenze von sieben Punkten überschritten hatte. Dann gibt es den Führerschein erst nach sechsmonatiger Sperre und erfolgreich absolvierter MPU (im Volksmund „Idiotentest" genannt, Kosten ab 1.500 Euro aufwärts, Anm. d. Redaktion) wieder.

KOMMENTAR von Joshua Hildebrand: Die Bilanz nach drei Jahren FAER ist ziemlich ernüchternd. Das System ist nach wie vor weitestgehend intransparent, zumal laufen vor allem Berufskraftfahrer jetzt viel schneller Gefahr, ihren Führerschein zu verlieren. Und wer klagt, läuft Gefahr, die Tilgung seiner Punkte zu hemmen – was blöde Folgen haben kann. Kein Wunder also, dass die Zahl der Fahrerlaubnisentziehungen mit Beginn des neuen Systems rapide gestiegen ist! Einziger Tipp: Fahrt angemessen und lasst euch nicht blitzen, dann seid ihr auf der sicheren Seite. Alles andere kann euch noch teurer zu stehen kommen als früher.