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Tuner vs. Poser und Raser

Wie eine Szene kriminalisiert wird

27.03.2018 11:42 Uhr

Text: Peter Hintze | Bilder: MAV-Verlag


Die Stadt Mannheim hat mit ihrem rigorosen Vorgehen gegen sogenannte Auto-Poser bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Mannheim ist dabei kein Einzelfall. Es werden immer mehr Metropolen, in denen sich Ordnungskräfte und Auto-Poser nach wie vor ein Katz-und-Maus-Spiel liefern.

Meldungen über illegale Autorennen verkaufen sich gut, so scheint es. Gleiches gilt offenbar für Nachrichten über manipulierte Fahrzeuge ... Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo zwischen Hamburg und München, Köln und Berlin motorisierte Störenfriede aus dem Verkehr gezogen werden. Ebenso auffällig: Nur die wenigsten Redaktionen von Printtiteln sowie von Funk und Fernsehen unterscheiden zwischen Posern, Rasern und Tunern. Wer seinen Auspuff aufschlitzt, um ein „besseres Klangerlebnis" zu erzielen, wird nicht selten in denselben Topf mit einem potenziellen Raser geworfen. Wer einen lautstarken C63 AMG fährt, gilt automatisch als Tuner oder Poser. Sehr zum Leidwesen derer, die ihr bestes Stück nach allen Regeln der Kunst veredeln, es im wahrsten Sinne des Wortes hegen und pflegen und damit Treffen ansteuern. Sie wissen: Ist alles eingetragen und sind alle Papiere an Bord, gibt es auch keinen Ärger.

Lärm macht krank! Das ist bekannt. Genervte Anwohner machen öffentlich Druck. Deshalb greift die Polizei auch außerhalb Mannheims zunehmend härter gegen sogenannte Poser durch. Wie die „Morgenpost" berichtet, hat die Hamburger Polizei eigens eine Spezialeinheit aufgestellt. Die Ordnungshüter sollen gegen Auto-Poser vorgehen. Und natürlich Raser und Teilnehmer illegaler Straßenrennen. Offenbar mit Erfolg, wie zahlreiche Sicherstellungen belegen.

Erst kurz vor Weihnachten hat Ex-Werder-Bremen-Torhüter Tim Wiese bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Polizeibeamte kassierten seinen Lamborghini Aventador (LP740) in Hamburg. Medienberichten zufolge dürfte der Sportwagen im Stand 88 und während der Fahrt 74 Dezibel laut sein. Wieses „Lambo" war weitaus lauter: Bei ihrer Kontrolle maßen die Ordnungshüter 139 Dezibel. Hersteller Lamborghini bietet für den 740 PS starken Sportwagen ein Soundpaket an, dessen Besitz zwar legal, eine Benutzung auf öffentlichen Straßen aber nicht zugelassen ist. Ermittelt wird offenbar wegen des Verdachts von Manipulationen an der Klappenauspuffanlage. Zur Beweissicherung wurde das Auto sichergestellt.

Ein illegales Autorennen in Berlin hatte im Februar 2016 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Zwei Männer (25 und 28 Jahre) lieferten sich mit Sportwagen auf dem Ku'damm eine Verfolgungsjagd. Der Ältere donnerte mit 160 Stundenkilometern über eine rote Ampel und rammte in der Nähe des KaDeWe den Jeep eines Unbeteiligten. Der 69-jährige Fahrer konnte nur noch tot aus seinem Auto geborgen werden. Die Männer, die in Revision gingen, wurden Ende Februar 2017 in erster Instanz zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Außerdem wurde ihnen für immer der Führerschein entzogen.

Inzwischen hat der Bundestag härtere Strafen für Raser beschlossen. Demnach sollen illegale Straßenrennen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat gewertet werden. Veranstaltern und Teilnehmern drohen neben saftigen Geldstrafen bis zu zwei Jahre Gefängnis. Werden Menschen schwer verletzt oder kommen sie sogar ums Leben, drohen bis zu zehn Jahre Haft. Außerdem ist es nunmehr möglich, Autos von Beteiligten zu beschlagnahmen und ihnen den Führerschein wegzunehmen. Durch die nunmehr geänderten Rahmenbedingungen haben auch andere Städte, beispielsweise Dortmund, den Teilnehmern illegaler Straßenrennen den Kampf angesagt. Stationäre Blitzer machen Rasern auf Stuttgarts Party- und Posermeile, der „Theo" (Theodor-Heuss-Straße), das Leben schwer. Die dortige Verkehrsüberwachung meldet rekordverdächtige Zahlen. Demnach blitzt es dort 300-mal am Tag.

Neben Rasern und Posern geraten auch Tuner zunehmend ins Visier der Gesetzeshüter. Die Düsseldorfer Polizei hat eine eigene „Arbeitsgruppe" ins Leben gerufen, die nach Medienberichten der „Tuning-Szene den Kampf angesagt hat". Jüngstes Beispiel: die Kontrollen am Rande der Essen Motor Show.

Unabhängig von den Vorkommnissen im Ruhrpott haben wir Schrauber befragt. Sie leben und lieben ihr Hobby und distanzieren sich von Rasern und Posern.

„Unser Club distanziert sich strikt von jeglichen Rasern/Störern der öffentlichen Ordnung und Treffen. Wir sind seit vielen Jahren auf diversen Treffen und Messen in Europa unterwegs und beobachten leider immer mehr, wie das Niveau und Verhalten einiger sogenannter ‚Tuner' zu wünschen übrig lässt", meint ein Mitglied des United-Tuning-Teams, Hohenems (A). „Wir möchten diese Leidenschaft ausleben und diese mit anderen teilen ... Nicht jeder Computer-Zocker ist ein Amokläufer! Deshalb sollte aber nicht sofort alles verboten und reglementiert werden."

Auch Schamy, Mitglied des Clubs „The Crusaders" aus Rielasingen/Worblingen, distanziert sich ausdrücklich von Posern und Rasern: „Ich stecke viel Zeit, Geld und Material in mein Auto und zeige auch gerne bei Treffen, Messen und ähnlichen Veranstaltungen, was ich gemacht habe. Ich bin Fernfahrer und an die gesetzlichen 85 km/h gebunden. Fahre ich mit meinem Polo mal 120 km/h, kommt mir das vor wie 200."

Ähnlich sieht es Patrick Hantsche von „Zeig deine Karre": „Wir nutzen das Thema Tuning zum Abschalten und spiegeln unseren persönlichen Geschmack in unseren Autos wider. Daher haben wir es nicht nötig, uns durch Rasen oder Posen zu profilieren." Sascha Borsich (StreetStylerZ) aus Albstadt wehrt sich gegen den Vergleich: „Es wird immer schwieriger für uns als Tuner, unser Hobby auszuleben. Meist werden wir behandelt wie Kriminelle – zu Unrecht. Weil man uns verwechselt ..."

Patrick Dambietz (VW/Audi Freunde Oberpfalz) bringt den Unterschied auf den Punkt:
„Ein Tuner möchte sein Prachtstück zeigen nach dem Motto ‚Drive low and slow'. Daher kann ein Tuner kein Raser sein. Denn dann würde man ihn ja nicht mehr betrachten können. Zum Rasen sind die hergerichteten Autos zu schade. Außerdem gibt es beim schnellen Fahren mehr von den lästigen Steinschlägen."

Marcel Wohlrab (Southstance, Amtzell) findet es traurig, dass alle über einen Kamm geschoren werden: „Uns und auch dem Rest der wahren Tuner geht es mehr darum, mit Freunden zu schrauben, sich gegenseitig zu helfen, gemütlich wie eine Familie zusammenzusitzen."

Markus, Meli, Alex, Tobi, Mario, Martin und Jerry sind bei der „2nd & 3rd Generation" aus Baienfurt aktiv und distanzieren sich ganz klar von Posern und Rasern. „Leider denken viele, dass Tuning und Rasen zusammengehören", meint Simon Schwarz von den Ford Drivers Munich. „Wahre Tuner veredeln ihre Autos, indem sie viel Zeit, Liebe und natürlich Geld in ihre Autos stecken. Rasern und Posern liegen ihre Autos dagegen nicht am Herzen. Hier wird weder auf das eigene Auto noch auf das Wohlergehen anderer geachtet." Daher wollen sich die Ford-Fans klar von dieser Szene distanzieren. „Wer sein Auto und seine Fähigkeiten am Limit testen will, soll bitte auf Rennstrecken oder Sportveranstaltungen fahren und nicht andere in Gefahr bringen", sagt Simon Schwarz.