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Fahrbericht: BMW M3 (F80)

"A mords Gaudi!"

19.12.2017 14:06 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Markus Leser


Kaum ein Auto packt den Spagat zwischen Alltag und Rennstrecke so gut wie dieser hier. Ob Posen, Cruisen oder Rennstrecke – bei allen drei Dingen macht der BMW M3 eine gute Figur! Und zwar eine richtig gute ...

Ja, do legst die nieda, hod de Hoiz vor da Hüttn! Gerade in Zeiten von Oktoberfest & Co. können schon mal die Hormone mit einem durchgehen. Zugegeben, so ist das grundsätzlich auch bei uns. Mit einer kleinen Ausnahme. Denn: In diesem Fall meinen wir keine hübschen Wiesn-Madl. Und trotzdem geht es um bayerische Kurven. Dieser Vorbau, diese Augen, dieser Hintern. Und dann noch so sportlich. Eine Liebeserklärung. Und das Schöne: Sie ist noch zu haben! Genauer gesagt: Sie freut sich schon auf einen heißen Ritt mit uns – die M3-Limousine.

„A mords Gaudi"

Das, was BMW da auf die Räder gestellt hat, ist einfach zum Anbeißen. Ausladende Kotflügel, grimmig dreinblickende Frontscheinwerfer, mächtige Lufteinlässe. Auch der Hintern ist einen Blick wert. Scharf gezeichnete Heckschürze samt Diffusor und vier „M"-typische Auspuffendrohre machen Lust auf mehr. Schade allerdings, dass die Lippe auf dem Kofferraumdeckel serienmäßig so klein ausfällt. Die aus Carbon der Kollegen M Performance würde sicherlich noch mehr her machen. Aber egal. Der Blick fällt bei unserem Testwagen ohnehin zu allererst auf den interessanten Lack. Ja, richtig gehört. Lack. „Frozen Red" nennen die bajuwarischen Autobauer das Colourit, das auf den ersten Blick wie eine Folie wirkt. Da müssen wir einfach grabschen. Sorry, aber das sieht schon richtig cool aus. Und fühlt sich auch so an. Noch besser wird es, wenn du alleine mit diesem 3er bist. Du Platz nimmst und den Motor anschmeißt. Ja, so schnell hat man die alte Beziehung vergessen. Nix mehr mit dem Hinterhertrauern nach dem hochdrehenden Achtzylinder des Vorgängers. Der neue doppelt aufgeladene Dreiliter-Reihensechszylinder mit 431 PS und 550 Newtonmeter Drehmoment ist noch spritziger und stellt das alte Sauger-Konzept in den Schatten, hängt zudem weitaus aggressiver am Gas. Das Gefühl trügt nicht, denn der Vortrieb ist fantastisch: In nur 4,1 Sekunden (mit 7-Gang-M-DKG) sprintet die Sportlimousine auf Tempo 100 und findet erst ein Ende bei elektronisch abgeriegelten 250 Sachen (280 km/h mit M Drivers Package). Sehr schön.

Mal leise, mal laut

Die Beziehung scheint perfekt, wäre da nicht ein Haken: Soundtechnisch kann sich der M3 nicht ganz so entscheiden. Wirkt irgendwie launisch. Dabei kommt der Sechszylinder nicht ganz an den alten Achter dran. Zumindest nicht, wenn man „normal" fährt. Unter 5.500 Touren klingt er grundsätzlich zu leise. Zu leise für einen M3. Immerhin stehen diese Initialen seit jeher für Sportlichkeit. Alltagsauto hin oder her. Lupft man das Gas, brabbelt er willig vor sich hin. Was aber auch irgendwie ein bisschen synthetisch herüberkommt – da war der Vorgänger etwas ehrlicher. Ja, Meckern auf hohem Niveau, denn es dürfte grundsätzlich einen Grund haben, warum der Kunde zu einem M3 und nicht zu einem M4 greift. Weil er auch mal seine Ruhe möchte und weil er auch mal gemütlich unterwegs sein mag. Und Kind und Kegel einpacken möchte. Trotzdem: Der Unterschied zum Coupé (das jetzt ja M4 heißt) ist nur marginal. Schön wird es, wenn das Triebwerk das bekommt, was es braucht: Drehzahl! Spätestens bei über 6.000 Touren schreit der Closed-Deck-Block (mit nach oben geschlossenem Wasserkreislauf), was das Zeug hält. Richtig geil wird es, wenn du im Tunnel bist und alle Scheiben unten hast – „a mords Gaudi" wie der Wiesn-Wirt sagen würde.

Einer muss vernünftig sein

Jaja, so ein emotionaler Höhenflug kann schon mal sämtliche Gehirnwindungen außer Kraft setzen – und das kann unter Umständen blöde Folgen haben. Denn, man darf nie vergessen: Die Antriebsachse sitzt hinten, das bedeutet einen natürlichen Hang zum Übersteuern. Gefährlich? Das wäre doch gelacht! Der Über-3er bleibt stets gutmütig, vor allem mit aktiven Fahrhilfen. Sind die elektronischen Helferlein deaktiviert, dann entfaltet unsere „Gschbusi" (Geliebte auf bayerisch, Anmerkung d. Redaktion) seine wahre Persönlichkeit. Schwänzelnd mit dem Heck und frei von Antriebseinflüssen auf der Vorderachse wird jede Kurve zur wahren Freude und sogar der Drift gelingt mühelos –ohne böse Überraschungen und ungeheuer agil. Außerdem wäre da im Notfall ja noch die Keramikbremse. Mit der ist unsere „Wochenend-Beziehung" nämlich ausgestattet und kostet mal eben 7.300 Scheine extra, belohnt aber mit gescheiten Verzögerungswerten ohne Fading. Für den Alltagsgebrauch und gelegentliche Auflüge auf die Piste reicht aber auch die konventionelle Blausattel-Compound-Bremse. Fahrwerkstechnisch ist sowieso alles drin: Dank einstellbarer Dämpfer lässt sich das Fahrwerk straffen oder dämpfen. Im Sport-Modus liegt der Wagen schön straff. Mit der Wahl des Comfort-Modus bügelt der Wagen gekonnt jede Bodenwelle weg und verwöhnt die Insassen mit Kuschel-Atmosphäre. Wie es sich eben für eine entspannte Fahrt gehört.

Neuer gleich besser?

Der Urvater des heutigen M3, der E30, hatte ja noch einen Vierzylinder. Sei es drum, denn er war sauschnell und relativ leicht. Dass der neue M3 im Alter ein bisschen zuglegt hat, lässt sich nicht leugnen. Irgendwo müssen die Pfunde ja hin. Größere Maße hier, elektronische Helferlein hier, Hightech da. Insgesamt bringt der Münchener über 1.600 Kilogramm auf die Waage – das macht round about 300 Kilogramm mehr als der Alte. M Servotronic, Launch Control und Head-up-Display – alles Gimmicks, die jeder cool findet, aber grundsätzlich keiner braucht und jede Menge Gewicht mit sich bringen. Aber letzten Endes auch egal. Die paar Mehr-Kilos auf den Rippen sehen wir der Limo nach. Außerdem, wie sagt man so gern: Wahre Schönheit kommt von innen – und da sieht die Konkurrenz ziemlich alt aus ...

FAZIT

Der BMW M3 sieht trotz leichtem Übergewicht nicht nur zum Anbeißen aus, sondern glänzt auch noch mit inneren Werten. Der Sahne-Motor dreht wie die Hölle und der Antrieb lässt sich auf die persönlichen Bedürfnisse einstellen. Cruisen im Stadtverkehr oder Driften auf der Rennstrecke – alles kein Problem für den Über-3er. Er bleibt stets agil und gutmütig. Wochenend-Beziehung? Nö! Diesen Wagen will ich öfter!

TECHNISCHE DATEN 

BMW M3 (F80) 2016

Motor  R6-Zylinder mit 2979 cm3 Hubraum, 4-Ventiler, Biturbo, Direkteinspritzung; 317 kW / 431 PS bei 5500 - 7300 /min; 550 Nm bei 1850 - 5500 /min
Getriebe 7-Gang-M-Doppelkupplungsgetriebe mit Drivelogic (optional)
Fahrwerk M-Sportfahrwerk mit adaptiven Dämpfern, vorne: McPherson-Federbeine, Querlenker, Zugstreben, Stabilisator; hinten: Mehrfachlenkerachse, Federn, Stabilisator; DSC (ESP)
Rad/Reifen 19-Zoll-M-Leichtmetallräder „Doppelspeiche 437" (vorne 9 x 19, hinten 10 x 19) mit Mischbereifung 255/35 R 19 Y vorne und 275/35 R 19 Y hinten; Michelin Pilot Super Sport (optional)
Bremsen innenbelüftete Carbon-Keramik-Scheiben (optional); ABS; Bremsassistent
Karosserie BMW-Individual-Lackierung in „Frozen Red"; M-Frontschürze; Kühlergrill mit Doppel-Nieren und M-Emblem; Air Curtain, Air Breather und M-Kieme an der Seite; M-Seitenspiegel; M-Heckschürze mit Difussor; Kotflügelverbreiterung
Car-HiFi Navigationssystem Professional (iDrive Touch Controller, 8,8" großer Farbbildschirm mit Splitscreen-Funktion, 3D-Kartendarstellung und Satellitenbildern, 20 GB Speicherkapazität für Audiodateien, Bluetooth- Audio-Streaming, DVD-Laufwerk (Audio, Video, mp3-fähig)
Maße & Gewicht  4671/1877/1424 mm (L/B/H); 2812 mm Radstand; 1617 kg Leergewicht (483 kg Zuladung)
Fahrleistungen  0-100 km/h in 4,4 s; Höchstgeschwindigkeit 250 km/h (elektronisch abgeriegelt, Vmax-Anhebung auf 280 km/h mit M Driver's Package)
Bremsweg von 100-0 km/h: kalt 33,4 m, warm 33,2 m
Verbauch  Superbenzin, Innerorts 12,0 l, Außerorts 6,9 l, Kombiniert 8,8 l
Grundpreis  71.500 Euro