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Fahrbericht: VW Golf GTI Clubsport

Der beste GTI aller Zeiten?

11.12.2017 10:11 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Jan Bürgermeister


Mit 40 geht's steil bergab? Es folgt die Midlife-Crisis und dann ist Schluss mit lustig? Nicht unbedingt. In diesem Fall wird's mit dem vierten Jahrzehnt erst so richtig unterhaltsam. Denn als Clubsport avanciert der neue GTI zum massiv fokussierten Sportgerät, wird krawalliger und entfernt sich einen entscheidenden Schritt vom „Everybody's Darling"-Image.

Was genau der Auslöser war oder ist, wissen wir nicht. Aber es ist schon auffällig, wie sehr sich die Wolfsburger neu zu interpretieren versuchen. Es entsteht der Eindruck, dass VW nicht mehr ganz so Mainstream unterwegs sein, sondern etwas jünger und dynamischer auftreten möchte. Vor allem in Sachen Sport-Golf. Auf einmal wird mächtig an der Performance geschraubt. Erstmals bekamen wir diesen Eindruck beim optisch fast schon langweilige(re)n R, der selbst seine bayerischen Pendants S3 und M135i das Fürchten lehrte. Dann wäre da noch der R400, der sich nahtlos in die High-End-Golf-Historie eingereiht hätte, wenn nicht die Abgasgeschichte dazwischengekommen wäre. Seitdem ist es still geworden um das Projekt – aber das ist eine andere Baustelle. Es soll ja weitergehen. Und richten sollen es unter anderem der neue GTI Clubsport sowie der auf 400 Stück limitierte Clubsport S. Beides Geschenke, die sich VW zum 40-jährigen Geburtstag des Kultsportlers selbst gemacht hat. So gesehen hätte man den Familienzuwachs auch Edition 40 nennen können.

Lohnt sich der Aufpreis?

Außen setzt sich der Jubi-GTI von seinen optisch zivileren Brüdern locker ab. Das liegt vor allem an der Frontschürze mit deutlich ausgestellten Luftleiterelementen in glänzendem Schwarz inklusive Zierstreifen, der sich beidseitig von der Schürze bis zum hinteren Radkasten erstreckt und im Schriftzug „Clubsport" gipfelt. Gerade in der Lackfarbe „Pure White" kommen die kontrastreichen, schwarz glänzenden Applikationen wie beispielsweise die Seitenspiegel, das Dach oder der mehrteilige Heckspoiler besonders gut zur Geltung. Trotzdem: Die optischen Veränderungen halten sich in Grenzen, erzielen aber dennoch eine große Wirkung – dadurch erkennt man sofort, dass es sich nicht um einen „08/15"-GTI handelt. Das Clubsport-Moment steckt vielmehr im technischen Detail, auch wenn sich dieser bolzige Golf des altbekannten Schemas bedient. Zweiliterturbo, Frontantrieb und eben doch viel Baukasten. Nun gut, im Hinterkopf hat man immer das Unwort „Frontantrieb". Umso erstaunlicher, dass es eben das Fahrgefühl ist, welches den wesentlichen Unterschied ausmacht. Es ist zum einen der Quersperre geschuldet, die übrigens auch die schärfere Variante S beherbergt, zum anderen der direkten, mit viel Rückmeldung schmeichelnden Lenkung. Und natürlich dem Fahrwerk, welches die Karosserie grundsätzlich zwar noch tiefer legen könnte, seine Aufgabe aber richtig gut macht. Im Vergleich zum Normalo-GTI, welcher – bitte nicht falsch verstehen – auch nicht unsportlich zu fahren ist, wirkt die Dämpfung des Clubsport jedoch um eine ganze Ecke steifer. Das lässt den bisher sportlichsten GTI entschlossener, echter wirken. Ganz ehrlich: Gut, dass sich VW in dieser Hinsicht ein bisschen was traut.

Wer es „schmusiger" mag, der kann getrost zu einem konventionellen GTI greifen. Wer es fetziger will, eben zum Clubsport oder zum R. Letzterer ist noch mal rund 6.000 Euro teurer, sieht optisch weniger sportlich aus und ist auf der Rennstrecke kaum schneller – vorausgesetzt, der Clubsport ist auf den optional erhältlichen Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Semislicks unterwegs. Und das, obwohl der 40-Jahre-GTI mit 265 respektive 290 PS (zehn Sekunden in der Overboost-Funktion) zehn bis 35 PS weniger zu bieten hat. So interessant sich diese Funktion auch anhören mag, so lächerlich ist sie eigentlich. Denn der Fahrer merkt von der Mehrleistung tatsächlich nichts – sie scheint eher eine Formsache zu sein. „Ich hab 290 PS" klingt halt einfach besser. Egal, ob mit kurzzeitiger Leistungsspritze auf 290 PS, permanenten 230 PS im Performance-GTI oder 290 PS im Cupra – um die 6,5 Sekunden brauchen sie alle für den Spurt auf Tempo 100. Je nach Rahmenbedingungen geht's sogar schneller: Die Werksangabe des GTI Clubsport liegt (vermutlich bei perfekten Bedingungen samt Sportreifen getestet) eine Sekunde darunter. Ob sich dann die rund 5.000 Euro lohnen, die der Clubsport im Vergleich zum konventionellen GTI mehr kostet, ist sicherlich eine ganz subjektive Entscheidung.

Warum nicht immer 290 PS?

Die Leistung holt der Golf wie gewohnt aus dem Zweilitervierzylinder (2.0 TSI) samt Aufladung mit kleinerem Lader als beim Golf R. Die Leistung resultiert einzig und allein aus dem Steuergerät – derbe Wahrheit im Computerzeitalter. Nicht verwunderlich also, dass eben auch die Differenzialsperre – im VW-Fachjargon übrigens auch XDS genannt – an der Vorderachse elektronisch geregelt wird. Aber gerade in Sachen Traktion und Spurstabilität ist das vor allem bei engen Kurven ein Segen. Denn die Sperre ist derart feinfühlig eingestellt, dass sich der Wagen in den Grundzügen zwar wie ein GTI fährt, aber das Niveau auf ein neues Sportfahr-Level hebt. Im Klartext heißt das, dass er nicht so brutal untersteuert, am Kurvenausgang sauber rauszieht und der Fahrer weniger Gefahr läuft, zu viel Stoff auf die Vorderräder zu geben. Das ist idiotensicher, macht aber Spaß! Auch schön: die Bremsen, die auf der Nordschleife selbst nach mehreren Runden noch gut verzögern und nicht müde werden. Das war bisher, gerade bei den „normalen" Modellen, ein altbekanntes Problem – Fading kennt der Clubsport nicht.

Rundum zufrieden? Fast. Allerdings gibt es noch etwas zu hinterfragen: Ein Blick in den Fahrzeugschein offenbart die eingetragene Leistung von 265 PS, obwohl der Wagen doch eigentlich sekundenweise 25 PS und 30 Newtonmeter mehr leistet – streng genommen ist diese Angabe dann falsch, oder? Auf Nachfrage der Redaktion begründet VW-Sprecher Jakob Kähler diesen Umstand wie folgt: „Wir finden, dass die Overboost-Funktion ein tolles Feature ist, um beispielsweise bei Überholvorgängen noch einmal zusätzlichen Schub zu haben. Ohne Overboost ist der Clubsport schon 35 PS stärker als der GTI Performance, die Dauerleistung von 265 PS sorgt unter anderem für die Welten an sportlichem Feeling. Darauf satteln dann als temporäres Schmankerl noch einmal die 25 PS im Overboost auf. Eine temporäre Leistungserhöhung ist gesetzeskonform und wird auch unter anderem von Porsche genutzt. Insofern ist wie vom Gesetzgeber gefordert „nur" die Dauerleistung im Fahrzeugschein eingetragen."

Sportschalen? Aber nur für den Clubsport!

Richtig gelesen. Und das ist es, was den Clubsport eben auch so schmackhaft macht. Denn was sportlich ambitionierte Käufer beim R vermissen werden (übrigens auch beim Facelift 2017), sind die Motorsportschalensitze von Recaro. Und jetzt kommt's: Diese aber hat der Clubsport serienmäßig! Mit Stoff und Alcantara im GTI-Style. Nicht nur sau bequem, sondern auch mit jeder Menge Seitenhalt. Dazu erhalten Käufer ein Sportlenkrad in Alcantara mit Zwölfuhrmarkierung und Alcantaraschaltsack samt Schaltknauf in Golfballoptik. Geschaltet wird von Haus aus manuell, automatisches Sechs-Gang-DSG gibt es optional. Was heißt „gibt es"? Gab es! Denn die Produktion des Sondermodells wurde auf 2016 beschränkt, was der Golf-Modellpflege für dieses Jahr geschuldet ist. Egal, gerade der Clubsport wird auf kurz oder lang handverlesen sein. Die auf 400 Stück limitierte S-Version mit 310 PS liegt im Netz schon jetzt bei weit über 50.000 Euro. Rund 35.000 Flocken kostet der Normale. Sehr viel Geld für „nur" einen Golf, der als S aber immerhin den Pokal als schnellster serienmäßiger Fronttriebler auf der Nordschleife hochhält. Womit wir wieder beim Thema Sportlichkeit wären: Und da hat Volkswagen mit dem neuen GTI einen großen Schritt nach vorne gemacht – egal, ob S oder nicht.

"Hat schon jetzt Potenzial zur Legende" – 5 von 5 Sternen

Ganz klar: In Sachen Sportlichkeit ist das hier der beste GTI aller Zeiten. Der Clubsport geht einen entscheidenden Schritt zurück in Richtung Wurzeln. Das ist aber noch lange kein Rückschritt! Denn endlich gibt es mal wieder einen herrlich bolzigen GTI, der seinem Namen wirklich alle Ehre macht. Der hier geht gut, liegt hervorragend auf der Straße und bremst vehement, auch nach mehr als drei Runden auf der Nordschleife. Nicht zuletzt wegen der serienmäßigen Schalensitze setzt sich dieser Golf vom Einheitsbrei ab, lediglich die Overboost-Funktion macht unserer Meinung nach wenig Sinn.