Anzeige

 Anzeige

Golf 7 GTI Facelift

Ist er zu langweilig, bist du zu sportlich

10.01.2018 16:00 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Jan Bürgermeister


Die Modellpflege des 7er-GTI fällt überschaubar aus. Die wesentlichen Neuerungen beschränken sich auf Details, streng genommen bleibt er ganz der Alte. Wir haben uns gefragt: Wie sportlich ist er denn eigentlich noch?

Nö, der Clubsport war kein normaler GTI. Geschweige denn die Regel. Er war so ganz anders als die Serie und machte wieder Hoffnung auf eine Reinkarnation der guten alten Werte: vor allem ernst zu nehmende Sportlichkeit und Fame-Faktor. Denn davon ist heutzutage nicht mehr allzu viel übrig, wenn man den 7er-GTI direkt mit der Urserie vergleicht. Oder kräht irgendein Hahn danach, wenn ein aktueller GTI an euch vorbeifährt? Seht ihr! Dazu muss man fairerweise sagen, dass mit diesem Schicksal auch viele andere Modelle zu kämpfen haben – ein 911er ist zwar schön, aber eben auch nicht mehr übermäßig besonders. Was nicht bedeutet, dass diese Modelle schlecht oder nicht erfolgreich sind.

Markanteste Neuerungen der Modellpflege ist die neu gestaltete Schürze samt LED-Scheinwerfern, die den Golf aus Distanz wesentlich grimmiger dreinblicken lassen.

Einen GTI kann heutzutage vom Student bis zur „Omma" wirklich jeder fahren. Streng genommen ist das der grundlegende Gedanke eines „Volkssportlers", wie ihn 1973 eine Handvoll VW-Mitarbeiter bei einem fröhlichen Zusammensein mit Schnittchen und Bier ausheckte. Wesentlich treffender aber wäre „Volksbelustigung", wie wir mit dem neuen Golf-7-GTI-Facelift erfahren durften. Dabei fährt sich der „Neue" eigentlich nicht anders als sein Vorgänger. Man muss schon zwischen Burn-out und Ekstase hochsensibel zu Werke gehen, um die zusätzlichen zehn PS des 2.0 TSI hinter dem klassischen Wabengitter zu spüren. Der GTI kommt nun nämlich mit der bisherigen Performance-Ausbaustufe des Zweiliterturbos einher und bringt es damit auf 230 PS. Der neue Performance leistet mit 245 PS 15 PS mehr und lässt PS-technisch noch einen Respektabstand zum Clubsport.

Grundsätzlich nichts Neues … Äh, bis auf das Active Info Display und Entertainment-Schnickschnack

Langeweile durch Perfektion?

Scheinbar finden die Wolfsburger den GTI perfekt. Warum also groß etwas daran ändern? Das Facelift fällt recht mager aus und beschränkt sich neben dem Leistungsupdate auf die Stoßfängerschminke sowie LED-Scheinwerfer, die das Xenon ablösen. Hinzu kommen noch LED-Rückleuchten mit voll hippen, dynamischen Blinkern sowie größere Endrohre am Heck. In Summe fällt das alles nicht groß ins Gewicht. Beziehungsweise bedeutet das auch, dass er ganz der Alte bleibt. Vor allem auch in Sachen Sounddesign: Man sieht ihn zuerst, bevor man ihn hört – herrje, welch beschämende Erkenntnis! Und das, obwohl das Triebwerk mit seinen 350 Newtonmetern ab nur 1.500 Umdrehungen pro Minute ziemlich gut aus dem Quark kommt und bis auf sechseinhalb (6.500 U/min) dreht, bevor der rote Bereich anfängt. 

Für die einen Kirmesbude, für die anderen ein cooles Feature: dynamische Blinker von Konzerntochter Audi

Zusammen mit dem DCC, also gestrafftem Fahrwerk im Sportmodus, ist das eine ziemlich souveräne Nummer, die für den Normalo im Alltag völlig ausreichen dürfte. Schmerzlich vermisst haben wir jedoch das gewisse Quäntchen Sportlichkeit – zu perfekt scheint alles aufeinander abgestimmt. Und das macht dann doch ein bisschen unbeliebt. Fast schon wie bei einem Streber wirkt alles jahrelang einstudiert. Ja, in der Tat. Um genau zu sein, über 40 Jahre. Und noch immer ist der Sechsgangschalter, übrigens in Golfballoptik, die bessere Wahl, wenn es mehr Spaß machen soll. Denn das DSG hat auch bei diesem Facelift noch immer nicht gelernt, sich rauszuhalten. Selbst im manuellen Modus nicht. Manuell? Hallo, was ist daran nicht zu verstehen? Bei einem BMW klappt es doch auch ...

Die Grundform bleibt vertraut: Das Facelift beschränkt sich auf die Scheinwerfer und Details an der Frontschürze

Übers Ziel hinaus

Ja, und weil wir uns gerade so schön warm gequatscht haben, gibt es zum Schluss noch einen saftigen Kritikpunkt: Wo zum Teufel ist der gute alte Drehregler am Radio hingekommen? Im Testwagen war das 9,2 Zoll (!) große Touchscreendisplay inklusive Vollbildtacho „Active Info Display" verbaut. Das mag zwar supermodern sein und auch edel rüberkommen, ist aber vollkommen überflüssig und versprüht null Komma null GTI-Flair! Vor allem die Bedienung mit den Fingern ist tückisch. Denn wer die Musik etwa lauter oder leiser machen oder beim Navigationssystem in die Karten reinzoomen möchte, der muss zielsicher auf das Display tippen. Zwangsläufig wandern die Augen dann dorthin, wo sie eigentlich im Straßenverkehr nicht hinsollten. Und zu guter Letzt stellt sich bei all dem Schnickschnack die Frage, ob dieser denn wirklich nötig ist. VW findet's klasse, denn der Golf ist jetzt vollends auf der Höhe der Zeit. Zum Glück kann man aber auch darauf verzichten, denn für die meisten Extras muss optional ein Häkchen auf der Sonderausstattungsliste gesetzt werden. Sowieso finden wir: Wer verwöhnt werden will, kann auch Passat oder Arteon fahren. Einen GTI kaufe ich mir wegen des sportlichen Aspekts – und der hat uns bei diesem fast gänzlich gefehlt.

"Pferdestärken, die Gänsehaut machen", lautet der Slogan von VW. Ganz so emotional fühlt sich der 2.0 TSI aber nicht an, obwohl er wirklich angenehm zu fahren ist.

„Wo ist der Sprotfaktor geblieben?" – 3 von 5 Sternen

Die Modellpflege des neuen GTI ist recht spärlich ausgefallen. Bis auf andere Stoßfänger, LED-Leuchten und Auspuffendrohre bleibt er ganz der Alte. Der 2.0 TSI läuft hervorragend, das DCC macht einen guten Job. Aber: Der 230-PS-Golf präsentiert sich ziemlich unemotional, aalglatt und fast schon zu perfekt. Hinzu kommen die digitalen Raffinessen wie Vollbildtacho und megagroßes Touchscreen-Navi. Bei all dem Schnickschnack gerät die Sportlichkeit in den Hintergrund oder wird gar ganz vergessen, wie der quasi nicht vorhandene Auspuffsound unterstreicht – schade!

Analog ist out? Im Facelift-GTI schon – zumindest gegen Aufpreis …

TECHNISCHE DATEN 

VW Golf 7 GTI Facelift (2017)

MOTOR  4-Zylinder-Ottomotor TSI BlueMotion mit 1.984 cm3 Hubraum
LEistung: 169 kW / 230 PS bei 4.700 - 6.200 U/min; 350 Nm bei 1.500 - 4.600 U/min
KAROSSERIE Lackierung in Tornadorot (ohne Aufpreis)
FAHRWERK Adaptive Fahrwerksregelung DCC (1.045 Euro)
BREMSEN Sportbremse mit 312-mm-Bremsscheiben
GETRIEBE 6-Gang-Schaltgetriebe, optional 6-Gang-DSG (2.000 Euro)
AUSPUFF Größere Endrohre, jetzt 95 mm Durchmesser
REIFEN/FELGEN Milton Keynes 7,5 J x 18, Reifen Bridgestone Potenza in 225/40 R 18
INTERIEUR Sitzbezüge in Stoff „Clark"; Active Info Display (510 Euro)
CAR-HIFI Navigationssystem Discover Pro mit 9,2-Zoll-Touchscreen (2.435 Euro); Soundsystem „DYNAUDIO Excite", digitaler 10-Kanal-Verstärker,Subwoofer, 8 Lautsprecher, 400 Watt Gesamtleistung (680 Euro)
GRÖSSE/GEWICHT 4.268 mm x 1.790 x 1.482; Radstand 2.626 mm; 1.386 kg Leergewicht; 1.870 kg zulässiges Gesamtgewicht
VERBRAUCH innerorts 8,2 Liter, außerorts 5,4 Liter, kombiniert 6,4 Liter (Werks­angabe); CO2-Ausstoß kombiniert 148 g/km; Euro 6
FAHRDATEN 0 - 80 km/h in 5, 0 Sekunden; 0 - 100 km/h in 6,4 Sekunden (Werks­angabe)
GRUNDPREIS  ab 29.975 Euro (ohne DSG)