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Hamann Motorsport M2 (2016)

"Das Ding ballert, dass es eine Freude ist"

20.07.2018 10:57 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Markus Leser


Um ein HA, MANN wären wir vom Glauben abgefallen. Nicht, dass uns dieser von Hamann Motorsport gepimpte M2 enttäuscht hätte. Im Gegenteil: Weil wir niemals geglaubt hätten, dass derart viel Verbesserungspotenzial in einem Spitzenmodell liegen kann. Vor allem, weil die Basis schon so ausgesprochen gut funktioniert. Hier kommt der Beweis.

Wo gibt's denn noch so was? Ein „Unter-vier-fünfzig"-Coupé mit reinem Heckantrieb und Sechszylinder-Turbo-Motorik. Ja, bei BMW! Was nach „ollen" Kamellen klingt, ist tatsächlich noch (zum Glück) die Realität. Downsizing? Nö. Und weil's nicht nur undiplomatisch klingt, sondern auch ist, müssen wir an dieser Stelle ein Riesenlob aussprechen: Vielen, vielen Dank, liebe Münchner. Das macht euch wirklich sooo ... sympathisch! Jetzt Klartext: Schaut euch doch mal auf dem sportlichen Kompaktwagenmarkt um. So gesehen, sieht's ziemlich traurig aus. A-Klasse-AMG? Vierzylinder. Focus RS? Vierzylinder. Golf R? Okay weiter ... Einzig Audis RS3 hebt sich motorisch noch ein wenig von der breiten Masse ab. Denn auch der Fünfzylinder hat Charakter. Das aber interessiert uns an dieser Stelle herzlich wenig. Ihr merkt schnell, dass das, was BMW an kompakter Sportlichkeit derzeit anbietet, seinesgleichen sucht; abgesehen vom sportlichen (Interieur-)Design vielleicht. Aber für einen richtigen BMW-Fan sieht ein BMW immer gut aus. Sei es drum. Allein dank der Antriebstechnik wäre die Frage nach dem „Warum?" bei einer illustren Stammtischrunde ein Leichtes. Warum ich den M2 so geil finde? Darum! Zugegeben: Ich bin ein BMW-Fan. Und ich liebe den M2. Was aber nicht bedeutet, dass ich befangen wäre oder ich dieses heiße Hamann-Exemplar hier nicht kritisch bewerten würde.

So viel PS wie ein E92-M3

Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass die Erzeugnisse der M GmbH absolut hoch im Kurs stehen. Insbesondere der M2: Denn kein Geringerer als er war 2017 mit mehr als 12.000 verkauften Einheiten der absolute Verkaufsschlager der „M-ler" . Das Prinzip Anti-Downsizing scheint äußerst gut anzukommen, und der Erfolg gibt ihnen recht, auch wenn die auf Vierzylinder-Turbo bedachte Konkurrenz es BMW sicherlich ein bisschen einfacher macht. Aber Downsizing konnte man auch bei den M-Modellen bisher nie ganz ausschließen. Man denke noch an den E92-M3: Jener war zwar Turbo-Kontrahenten gnadenlos unterlegen, dafür aber mit einem 420 PS starken V8-Sauger und voluminösem Sound gesegnet – hier war der Generationswechsel auf Biturbo-R6 im ersten Moment schlimmer als es eigentlich war. Deshalb ist auch so bemerkenswert, dass der Generationswechsel von 1er M Coupé auf M2 Coupé keine Zylinderkastration mit sich brachte. Und noch mal zum Mitschreiben: Der Motor des BMW M2 ist schon von Haus aus ein richtiger Gaskocher. Drei Liter in Reihe, ein Turbo, 370 PS und maximal 500 Newtonmeter Drehmoment. „Was soll man da denn jetzt noch besser machen?", fragten wir uns. Doch diese, im Nachhinein betrachtet, unüberlegte Frage möge bitte alsbald verpuffen. Wir wissen es jetzt.

Von Hirnaussetzern und Hinternkribbeln

Hamann hat seine ganz eigene Antwort darauf: 420 PS und 530 Newtonmeter, Gewindefahrwerk, Klappenauspuff und dazu noch ein paar optische Raffinessen sollen dem aufgemöbelten M2 nicht nur besser zu Gesicht stehen, sondern auch noch fahraktiver machen. Warum es immer um Komparative geht? Weil besser, stärker, schneller scheinbar im Streben des menschlichen Wesens steckt. In diesem Fall ist es moralisch vertretbar, denn was für ein Feuerwerk das Laupheimer Tuning-Objekt hier abfeuert, könnte auch getrost eine Liga höher spielen. Dieser „Kerl" packt dich am Nacken, lässt deinen Hintern kribbeln und katapultiert dich in unter vier Sekunden auf Reisegeschwindigkeit – kleine Hirnaussetzer inklusive. Wo die Serie schon ordentlich zupackt, kneift das Hamann-Derivat noch fester zu, ohne den Charakter des Originals zu verunglimpfen. Er ist quasi wie der Alte – verstärkt nur das Gefühl, gräbt sich noch vehementer übers Drehzahlband der Sieben entgegen. Obwohl man meinen könnte, der Turbo würde mehr Zeit benötigen, um den gesteigerten Ladedruck aufzubauen. Nein. Erstaunlich, welch positive Folgen so eine gezielte Leistungssteigerung haben kann. Nun muss man aber sagen, dass sich besser oder sportlicher nicht nur über die Längsdynamik messen lässt. Vielmehr machen ja auch die Handling-Eigenschaften einen Sportwagen aus – also ab zur Serpentine ...

Links, zwo, drei, vier

Breite Spur, kurzer Radstand, vollvariable Aktivsperre sowie radführende Elemente von M3 und M4. Gute Anleihen, die Hamann zusätzlich mit einem „hauseigenen" Gewindefahrwerk zu verbessern versucht. Ein schwieriges Unterfangen, genießen die M-Fahrwerke doch schon von Haus aus einen exzellenten Ruf. Dabei geht es hier nicht nur um die Steigerung der Performance, sondern soll die gezielte Tieferlegung auch eine optische Wirkung haben. Wir stellen fest: Mächtig tief ist er. Und Garagenauffahrten mag er auch nicht. Sei es drum. Auffällig sind das straffere Einfedern und die reduzierte Wankbewegung des Aluminium-Chassis. Damit geht der Hamann M2 einen entscheidenden Schritt in Richtung Kompromisslosigkeit, während das Serienfahrwerk wesentlich mehr Restkomfort für den Alltag bereithält. Dennoch: Eine schlechte Entscheidung war es nicht. Auch weiterhin wirbelt er wie von selbst um enge Ecken und ist stets nur einen Gasstubser von der stabilen Seitenlage entfernt. Und auch aus dem gut bestückten Motorraum macht er keinen Hehl: Denn dank Zusatzanzeige anstelle des linken Lüftungsgitters lassen sich nicht nur verschiedene Parameter wie Ladedruck ablesen, sondern über den linken Lenkradhebel auch die Klappen der selbst entwickelten Abgasanlage steuern. Gerade im offenen Zustand bringt sie das Trommelfell dank 300-cpsi-Kat so ordentlich zum Schwingen, dass die Konkurrenten aus Ingolstadt fortan nicht mehr als klare Sieger vom Platz gehen würden.

Groovy, funky

Erst als wir uns so richtig eingegroovt hatten, wollten wir es uns nicht nehmen lassen, mal eben in einem ruhigen Waldstück rechts ranzufahren. Ganz bewusst. Mal schauen, wie er eigentlich so da steht – mit dem aufgesogenen Fahrgefühl im Bauch und dem Adrenalin im Blut. Was sonst leicht übertrieben und prollig wirken könnte, hat nach getanem Ausflug plötzlich einen Sinn. Getreu dem Motto: Wenn du weißt, was er kann, ist's okay, wie er aussieht. Versteht ihr? Das Bodykit, bestehend aus Frontspoiler, Carbon-Lippe, Seitenschwelleraufsätzen, Heckspoiler, Winglets für die Heckschürze und vielem mehr. Als Topping sozusagen gibt's einen Zoll größer als die Serie: Der Hamann M2 rollt zwar auf denselben Reifendimensionen wie beim Werkssetting, dafür aber mit viel speichigen 20-Zöllern im Design „Anniversary Evo" mit Sonderlackierung und ein bisschen weniger Gummihöhe an den Start. Das alles mag nicht jedermanns Sache sein, brutalisiert aber die ohnehin sportliche Basis um ein Weiteres. Ob's sein muss? Die subjektive Relevanz möchten wir hier auf jeden Fall nicht bewerten. So mussten wir uns dennoch der Frage neugieriger Wanderer stellen: „Hat er wirklich viel Leistung, oder sieht er nur so aus?" Na, danke schön ... Vielleicht lag's auch an der schwarzen Mattfolie, welche zwischen Scheinwerfer und Kühlergrill seitens des Tuners angebracht wurde? Damit ähnelt der Hamann M2 nämlich von vorn ein bisschen einem Wild-West-Banditen mit Augenmaske. ‚Egal', denke ich mir und schalte in den Zweiten. Das macht der Zweier von Hamann quasi von selbst, denn unser Tester kam mit Siebengang-M-DKG samt Drivelogic, welches tuningfrei blieb. Hier finden wir, hätte es auch gut und gerne das Sechsgang-Schaltgetriebe getan. Das hätte das Ganze nicht nur zusätzlich emotionalisiert, sondern wäre vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten auch nicht ganz so holprig zu Werke gegangen. Das bleibt aber auch so ziemlich der einzige Kritikpunkt. So etwas gibt uns Gewissheit, dass wir vom Glauben an gute Tuner niemals abfallen dürfen. Gut gemacht, Hamann!

„Tuning nach klassischer Machart" – 4,5 von 5 Sternen

Es bleibt ein Ausschnitt unserer Erfahrungen, welcher oftmals mit rund 1.000 Wörtern kaum zu fassen ist. Faktisch ist der Hamann M2 in allen Belangen besser als die Serie. Schneller, dabei ähnlich gut beherrschbar, lauter, extremer und vor allem auffälliger. Das Optische mag polarisieren, die Fahrleistungen hingegen nicht. Die haben uns auf ganzer Linie überzeugt, was man aber bei einem happigen Verkaufspreis von knapp 100.000 Euro auch durchaus erwarten darf.

DATEN & FAKTEN 

HAMANN MOTORSPORT M2 (2016)

MOTOR Reihen-Sechszylinder mit 2.979 ccm Hubraum und TwinPower-Turbo mit 420 PS und max. 530 Nm bei 1.500 - 3.400 U/min
GETRIEBE 7-Gang-M-DKG-Getriebe mit Drivelogic
AUSPUFF Endschalldämpfer mit Abgasklappe und vier 89-mm-Endrohren samt schwarzer Keramikbeschichtung; Downpipe inklusive 300-cpsi-Katalysator
KAROSSERIE Serienlackierung in BMW Alpinweiß Uni; Frontspoiler inkl. Frontlippe in Carbon; Seitenschwelleraufsätze und Seitenwinglets; Heckspoiler, Heckdiffusor; Winglets für Heckschürze
RAD/REIFEN „Anniversary Evo"-Radsatz mit Sonderlackierung in 8,5 x 20 Zoll an VA und 10 x 20 Zoll an HA; Bereifung in 245/30 ZR20 vorn und 265/30 ZR20 hinten
FAHRWERK Hamann-Gewindefahrwerk, einstellbare Dämpfungstechnik in Zug- und Druckstufe; Tieferlegung VA 15 - 40 mm, HA 20 - 45 mm; aktives M-Differential
BREMSEN BMW-M-Compound-Stahlbremse vorn und hinten, innenbelüftet und gelocht
INTERIEUR LED-Laser-Türeinstiegsbeleuchtung mit Hamann-Wappen; Pedalerie in schwarz-eloxiertem Aluminium; Fußstütze in schwarz-eloxiertem Aluminium mit beleuchtetem Hamann-Schriftzug; exklusiver Fußmattensatz mit gesticktem Hamann-Schriftzug in Blau
ABMESSUNGEN & GEWICHT 4.468 x 1.854 x 1.410 mm (L x B x H); 1.496 Kilogramm Leergewicht
FAHRLEISTUNGEN 4,0 Sekunden (Eigenmessung); Vmax-Sperre aufgehoben: 280 km/h
PREIS  Basisfahrzeug ab 59.900 Euro (2016); Testwagenpreis: 99.799 Euro