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Fahrbericht: MTM TT RS (2018)

Boden-Boden-Rakete

27.10.2018 11:57 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Jan Bürgermeister


Auto versus Flieger. Auf die Frage, welches Verkehrsmittel in diesem Fall denn das bessere sei, gibt es für uns eine klare Antwort: der MTM TT RS mit abgehobenen 552 PS! Flug-, äh ... Fahrbericht.

Liebe Fluggäste, wir landen in Kürze am Bodensee-Airport Friedrichshafen, dem südlichsten Verkehrsflughafen Deutschlands. Wir bedanken uns für das Reisen mit Dornier DO-31E1 und wünschen einen guten Aufenthalt. Ihre nächste Anschlussmöglichkeit: „IN-RS-17" mit 552 PS und 650 Nm ... Na, wenn das mal kein Begrüßungskomitee ist! Am Boden wartet auf uns der nächste Überflieger: ein Audi TT RS. Aber nicht irgendeiner – sondern der des Tuners MTM, der seine Paradedisziplin bereits im Namen trägt: Motoren Technik Mayer. Die Veränderung muss sich also unter der Haube abspielen, denn nach außen hin sieht dieser TT RS ziemlich gewöhnlich aus. Behutsame Modifikationen könnte man auch dazu sagen, denn der MTM-Radsatz Nardo Edition in 8,5 x 19 Zoll ist die einzige optische Zutat, die auf ein Tuning hindeutet.

Nicht zu hart

Nachdem die Kollegen der AutoBild noch das viel zu harte KW-Clubsport-Gewindefahrwerk des MTM tadelten, schien man sich in den bayerischen Werkstatthallen zu besinnen und montierte auf ein Variante-3-Gewindefahrwerk, ebenfalls von KW, um. Über das damalige Set-up können wir keine Aussagen treffen, aber durchaus darüber, wie er sich mit der neuen, humaneren Feder-Dämpfer-Kombination in der Street-Einstellung bewegen lässt. Dabei muss man wissen, dass der TT RS schon von Haus aus straff gefedert ist. Das in der Höhe- und in Zug- sowie Druckstufe einstellbare Fahrwerk von Klaus Wohlfarth (Gründer von KW) funktioniert unserer Meinung nach aber wesentlich besser als die Serie. Es senkt den Fahrzeugschwerpunkt um rund 40 Millimeter ab und lindert die konstruktiv bedingten Beschwerden der Kopflastigkeit des vorne längs eingebauten Fünfzylinder-Turbos. Grundsätzlich sollte man an dieser Stelle auch sagen, dass das V3 zwar nicht das einzig gute Fahrwerk auf dem Markt ist, aber den Kompromiss aus Tieferlegung, sportlichem Fahrverhalten sowie Komfort so ziemlich am besten meistert.

Nonstop in den Leistungshimmel

Aber der Teufel steckt ja sprichwörtlich im Detail. Klappe auf, schauen, was das graue „Flugobjekt" eigentlich so drin- und vor allem draufhat ... Klar, der hochgelobte 2,5-Liter-TFSI, welcher zwangsbeatmet bereits serienmäßige 400 PS auf die Straße bringt, ist dank ungerader Zylinderanzahl einfach schon klangtechnisch ein Charakterviech. Doch ganz normal schaut's im Motorraum des Ingolstädters nicht mehr aus: keine ungebetenen Gäste, dafür aber ein imposantes Carbon-Ansaugsystem, welches zwar ein MTM-Emblem trägt, aber durchaus in gleicher Bauweise von Eventuri bekannt ist. Alleine durch die geänderte Ansaugung erhält der TT RS ein Leistungsplus von rund 20 PS. Das klingt natürlich in Anbetracht der Gesamtleistung von 552 PS fast schon lächerlich. Weitere 132 PS Zusatz-Power kommen daher von der elektronischen Leistungssteigerung inklusive größerem Turbolader und Abgasvorrohr. Außerdem gibt's für verringerten Abgasgegendruck noch eine sportliche Edelstahlabgasanlage ab Kat – selbstverständlich mit EG-Genehmigung. Sie verstärkt den typischen Fünfzylinderklang um ein Vielfaches und stellt in der sonst so „kaputten" Vierzylinderwelt eine echte Wohltat dar. Wir hoffen doch sehr, dass dem TT RS nicht das gleiche Schicksal wie dem Porsche Cayman/718 droht ... Unser BFO (Bemanntes Flugobjekt) zählt auf jeden Fall zu den sportlichsten Kompakt-Raketen auf heimischem Boden, immerhin steht die Dornier im Hintergrund in keinem Maßstab zu unserem Tester. Ein „bisschen" lauter, 750 km/h Topspeed und gut 1.800 Kilometer Reichweite sprechen eine ganz andere Sprache – egal, auf dem Boden hat der MTM TT RS die Nase vorn.

Status: im Anflug

Der MTM TT RS ist eigentlich ein ziemlich böser Zeitgenosse. Kaum von der Serie zu unterscheiden, verbläst er alle, die nicht innerhalb von 3,3 Sekunden (!) auf Tempo 100 sind. Wo die Konkurrenz mit den Vorderrädern scharrt oder mit dem Heck wedelt, krallt sich der allradgetriebene MTM mit voller Wucht in den Asphalt, dass es sich subjektiv sogar noch brutaler anfühlt, als es ohnehin schon ist. Das Gefühl, das Lenkrad führt die Hände und nicht andersherum, ist gleichzeitig so faszinierend wie respekteinflößend. Bedanken dürfen wir uns an dieser Stelle beim grandiosen Hang-on-Allradantrieb à la Haldex, der im neuen TT erstmals zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zum quattro wird der Allradantrieb bedarfsgesteuert. Das System erkennt also, wann alle vier angetriebene Räder gebraucht werden und wann nicht. MTM nutzt diese Technologie und gibt dem Fahrer weitaus mehr Mitbestimmungsrecht, als es Audi lieb ist. So findet sich rechts neben dem Digitaltacho ein kleines Display, welches als manuelle Haldexsteuerung dient. Per Fingertipp lässt sich auswählen, ob der TT ausschließlich über die Vorderräder oder doch über alle vier Räder angetrieben wird. Stellt man die Haldex-Control auf „Off", regelt das System wie im serienmäßigen Zustand. Grundsätzlich lässt sich das Potenzial des MTM TT RS nicht vollends ausloten. Nicht zuletzt, weil wir uns jahreszeitbedingt mit Winterreifen begnügen mussten. Deshalb ist der Besuch einer Rennpiste mit Semis fast schon zwingend erforderlich. Dann hat auch die Haldexsteuerung wirklich Sinn: Denn über den minimalen und maximalen Sperrgrad kann man sich das Fahrverhalten nach Belieben einstellen, sodass man aus dem typischen leicht untersteuernden TT einen Sportwagen mit Hang zum Übersteuern machen kann – dann purzeln auch die Rundenzeiten im Handumdrehen.

Nur Fliegen ist schöner

Wir geben zu, dass der Vergleich zwischen einem Senkrechtstarter und einem Sportwagen etwas weit hergeholt ist – dafür möchten wir uns entschuldigen! Und ja, wenn überhaupt, wäre der modifizierte TT RS eher ein Düsenjet als ein Langstrecken-Transportflugzeug. Dennoch kommt das Gefühl der Beschleunigung schon sehr der eines Fliegers nahe: Er drückt dich ähnlich in die Sitze, denn das volle Drehmoment von 650 Newtonmetern liegt schon bei circa 2.760 Umdrehungen pro Minute an. Wir sind uns sicher: Hätte er Tragflächen, würde er sicherlich abheben, vorausgesetzt, man scheut sich nicht davor, das Gaspedal voll durchzudrücken und die folgende Tankrechnung zu bezahlen – aber das nur am Rande. Wer sich diesen MTM kauft, der muss schmerzfrei sein. Neben dem Grundpreis von über 66.000 Euro gesellt sich nämlich noch der Umbau von 26.500 Euro dazu. In Summe macht das dann über 90.000 Euro – dafür gäbe es dann aber auch wirklich ein Flugzeug ... guten Flug!

„Teures, aber effektives Tuning" /// 4 von 5 Sternen

Keine Frage, MTM setzt alles auf eine Karte: Leistungssteigerung! Fast alle Aufwendungen fließen in die Antriebs- und Abgastechnik, was einen Mega-Effekt bringt. 552 PS und 650 Nm schieben dank Hang-on-Allrad so brutal an, dass man wirklich von einem überirdischen Gefühl überrannt wird. Hilfreich ist dabei das KW-V3-Gewindefahrwerk mit ordentlicher Straßenlage, aber auch gutem Restkomfort. Schwierig wird's mit den Winterreifen und dem stattlichen Preis – dafür hätte man dann auch vielleicht noch ein bisschen mehr an der Optik machen können.

DATEN & FAKTEN

MTM TT RS (2018)

MOTOR Turboaufgeladener Fünfzylinder (1,4 bar) mit 2.480 ccm Hubraum (2.5 TFSI)
FAHRWERK MTM-Gewindefahrwerk V3 by KW; in Zug- und Druckstufe einstellbar
RAD/REIFEN MTM-Radsatz „Nardo Edition" in 8,5 x19 Zoll mit Nokia-WR-A4-Winterreifen in 245/35 ZR 19
INTERIEUR RS-Ausstattung mit Leder-Halbschalensitzen; Alcantara an Schaltknauf und Lenkrad, diverse Carbon-Elemente; Haldexsteuerung von MTM
BREMSEN vorn 370-mm-Scheiben innenbelüftet und gelocht; hinten 310-mm-Scheiben innenbelüftet
AUSPUFF MTM-Klappen-Edelstahlabgasanlage ab Kat
GETRIEBE 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (S-tronic)
ABMESSUNGEN & GEWICHT 4.191/1.832/1.344 mm (L/B/H); 1.487 kg Leergewicht
FAHRDATEN 552 PS bei 6.285 U/min und 650 Nm bei 2.760 U/min; Vmax: 300 km/h; Beschleunigung von 0 auf 100 in 3,3 Sekunden, von 0 auf 200 in 10,7 Sekunden (Herstellerangabe)
PREIS Grundpreis 66.400 Euro; Umbaukosten: 26.520 Euro; Komplettpreis des Testfahrzeuges: 92.920 Euro