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Test: Porsche 718 Cayman S (2018)

Porsche mit Käfer-Klang

26.11.2018 10:38 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Markus Leser


Der neue Porsche 718 Cayman S tritt mit 350 PS und 420 Newtonmetern das Erbe des Vorgängers 981c an, setzt dabei jedoch auf ein ganz anderes Motorenkonzept: Turbo-Vierzylinder statt Sauger-Sechszylinder – eine weise Entscheidung?

Petrus hat schlechte Laune. Dunkle Wolken und raue Wellen schmücken an diesem Tag den Bodensee als wir mit dem neuen Modell des Porsche Cayman S direkt vor dem herrschaftlichen Schloss Montfort in Langenargen parken. Vielleicht hat er etwas gegen Downsizing ... Verständlich wäre es zumindest, denn der neue Cayman trägt genauso wie der Boxster ab sofort die Zahlenkombi 718 auf dem Blech. Zwar besitzt er wieder einen Mittelmotor, verliert jedoch mit dem neuen Beinamen auch gleich zwei (wertvolle) Zylinder. Anschauen? Ist nicht. Auch das neue 2,5-Liter-Vierzylinder-Aggregat ist nach wie vor unter einer nur für die Werkstatt zugänglichen Serviceklappe verborgen. Immerhin haben die Ingenieure einen Turbo draufgeschnallt, um jeglicher Skepsis mit dem Effizienzargument entgegnen zu können. Mehr PS, mehr Drehmoment, mehr Elastizität. Und das bei gesteigerter Wirtschaftlichkeit sowie geringeren Emissionen. Klingt erst mal nicht schlecht, trotzdem steht viel auf dem Spiel: Leistung kontra Emotion, Porsche-Philosophie kontra Leitbild – was zählt mehr? Fakt ist, dass sich Linksstarter an diesen Umstand genauso gewöhnen müssen wie auch daran, dass die wohl traditionsreichste Sportwagenmarke der Welt inzwischen das meiste Geld mit Cayenne, Macan und Panamera erwirtschaftet. SUV und Limo statt Sportwagen und Schnaps – das ist der Lauf der Zeit, Leute.

Sie können nix dafür

„Ein Porsche mit einem Vierzylinder? Lächerlich!", sagt ein neugieriger Porsche-911-Carrera-S-Fahrer mittleren Alters bei unserem Tankstopp. Ein bisschen gemobbt fühlen wir uns schon. Jetzt fahren wir schon Porsche, und es scheint immer noch nicht recht zu sein. Hausfrauen-Porsche? Um Gottes willen! Immerhin erwidert sein etwa gleichaltriger Beifahrer, dass solch eine Art Motor ja gar nicht so blöd sei. Er sei leichter, effizienter und habe ein bisschen was von den guten, alten Zeiten: „Der erste 718 Ende der 1950er-Jahre hatte auch nur vier Töpfe", weiß er. Dennoch: Der neue 718 als Automatikversion mit PDK ist sogar 15 Kilo schwerer als der 981 – Futter für die Vierzylinder-Kritiker! Und wenn wir erst einmal das Triebwerk anschmeißen, ist's sowieso zu spät. Wir kennen nämlich kaum ein Auto, bei dem Downsizing so sauer aufstößt. „Ein Porsche muss mindestens sechs Zylinder haben", lautet die landläufige Meinung der Fan-Gemeinde. Hasstiraden haben da keinen Sinn, denn Porsche macht das nicht, weil das Unternehmen den Vierzylinder ach so toll findet. Nein, dieser Schritt muss sein, wenn es um CO2-Zahlen, um die neuen Euro-Abgasnormen und die Typenzulassungen geht. Während andere schwere Sechszylinder mit Otto-Partikelfiltern unter das Blechkleid schrauben, um die neuen Anforderungen zu erfüllen, geht man im Raum Stuttgart den vernünftigeren Weg. Und der Klang? Bietet keine Vergleichsgrundlage gegenüber dem Sechszylinder-Boxer. Ein Porsche-Motor im Käfer ist zwar cool, ein Käfer-Motor im Porsche hingegen nicht. Was bereits viele Journalistenkollegen getadelt haben, müssen wir ebenfalls anmerken. Auch wenn ihr es nicht mehr hören könnt: Sorry, Porsche, aber der Sound ist wirklich enttäuschend. Und auch die optionale Sportabgasanlage macht dieses Geräusch nicht schöner, sondern nur noch lauter. Bleibt also nur die Hoffnung auf den neuen Cayman GT4, oder?

Schwerer, aber nicht schwerfällig

Wir haben einen Fehler gemacht! Denn normalerweise gehört es sich nicht, mit der Kritik anzufangen und mit dem Lob zu aufzuhören. Wobei wir die Sache mit dem Motor gewollt in den Vordergrund stellen wollten. Andere Schwächen erlaubt sich der 981c-Nachfolger nämlich nicht. Und das, was man zuletzt liest, bleibt vielleicht auch besser im Kopf ... Angefangen beim Design ist der 718 deutlich spitzer und sportlicher geworden. Vorn haben sich die Designer vor allem die Scheinwerfer und die Frontschürze vorgeknöpft, die optischen Änderungen wurden sehr bedacht umgesetzt. Vor allem seitlich sieht der Laie so gut wie keinen Unterschied zwischen beiden Modellen. Letztlich ist der 718 der etwas Modernere – Punkt für den Newcomer. Einfach nur Facelift zum 981c-Nachfolger zu sagen, wäre zu lapidar. Denn neben der motorischen Veränderung wurde auch das Fahrwerk neu abgestimmt. Unser Testexemplar erhielt zudem das PASM-Sportfahrwerk mit adaptiven Dämpfern inklusive 20 Millimeter Tieferlegung (1.666 Euro extra) und das fast unverzichtbare Porsche Torque Vectoring, kurz PTV, mit mechanischer Hinterachs-Quersperre. Dies erlaubt eine bessere Traktion und steigert die Fahrdynamik durch die aktive Drehmomentverteilung zwischen den beiden Hinterrädern. Das merkt vor allem derjenige, der in Kurven das Gaspedal beherzt durchtritt.

Denn der 2,5-Liter-Turbomotor vor der Hinterachse klingt zwar schlecht, geht dafür aber eine ganze Ecke quirliger als der Sechsender. Statt der ehemaligen Fünf vor dem Komma schafft der neue Cayman S den Spurt auf Tempo 100 circa eine halbe Sekunde schneller. Den vom Werk angegebenen Wert von 4,6 Sekunden können wir auf jeden Fall bestätigen. Hätte man keinen Bezug zum Autofahren, würde man vermutlich auch nicht bemerken, dass ein Turbo verbaut ist. Ein Turboloch findet man so gut wie gar nicht, und der Vierzylinder hängt saugerähnlich am Gas – zusammen mit dem PTV und PSAM ergibt sich schließlich eine höhere Elastizität sowie eine gesteigerte Kurvengeschwindigkeit.

Ist das typische Porsche-Feeling jetzt weg?

Nur ein Porsche fährt wie ein Porsche: Das Fahrgefühl sowie die Rückmeldung des Fahrwerks und der Lenkung sind auf unschlagbar hohem Niveau und kommen nur bei reichlichem Übertreiben an ihre Grenzen. Wer rund fährt, wird in keinem anderen Fahrzeug derselben Klasse schneller sein. Wer das erfahren darf, der versteht auch, warum die Sportwagenmarke den Ruf hat, zu den besten Automobilherstellern der Welt zu gehören. So gesehen lässt sich Folgendes sagen: Dieser Porsche überzeugt mit hervorragender Performance und weitestgehend ungefiltertem Fahrgefühl, auch wenn der Vierzylinder-Boxer emotional sowie stilistisch nicht das Niveau des ehemaligen Sechszylinders erreicht und auch niemals erreichen wird.

Die Hauptsache ist, dass es ein Mittelmotor bleibt. An dieser Stelle müssen wir auch das Vorurteil, er sei bauartbedingt vor allem zickig zu handeln, widerlegen. Wir waren vor allem überrascht, wie gutmütig der 718 S eigentlich zu fahren ist. Plötzliche Anfälle in Form von unvorhersehbaren Lastwechseln blieben in unserem Test aus. Und wenn man doch mal abschmiert, kann es nur an der Reaktion oder der falschen Sitzposition gelegen haben. Denn auch im 981c-Remake sitzt es sich ausgesprochen gut. Die Cockpit-Ergonomie scheint bis aufs Letzte ausgeklügelt, sodass Füße, Hände und der Blick immer dort sind, wo sie sein müssen. Während das Seriengestühl etwas wenig Seitenhalt auf der Sitzfläche bietet, hatte „S-GO-1130" die Carbon-Sportschalensitze für knackige 3.272 Euro verbaut. Diese gaben absolut keinen Anlass zum Hin- und Herrutschen, wurden jedoch auf längeren Strecken ein bisschen unbequem. Porsche-Fahrer dürfen ja auch mal nörgeln, oder?

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

Hat man den Schock über die zwei fehlenden Zylinder verdaut, ist's gar nicht mehr so schlimm. Der 718 ist fahrtechnisch besser und schneller als der 981, rechtfertigt in allen weiteren Punkten seinen verdienten Platz in der Porsche-Familie und läutet fast schon eine neue Ära ein. Und sind wir doch mal ehrlich: Jetzt regen wir uns vielleicht noch darüber auf, später einmal werden wir uns aber vielleicht genau diesen Motor zurückwünschen, wenn Studien wie der Mission E und weitere Concept Cars Realität werden – Drehmoment hin oder her. Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Petrus hat das anscheinend schon – am eben noch wolkenverhangenen Himmel scheint in Langenargen jetzt die Sonne ... ein gutes Zeichen?

FAZIT: „Bis auf den Klang ein waschechter Porsche" 

★★★★☆ (4/5)

Der 718 Cayman S ist superdynamisch und effizient zugleich, war aber in unserem Test nicht wirklich sparsamer als der „alte" 981er mit zwei Zylindern mehr. Der Vierzylinder-Boxer ist Mittel zum Zweck, um das neue Modell dynamischer und sauberer zu machen – das wiederum geht zulasten des Porsche-typischen Klangs. Apropos, Porsche-typisch: Mindestens 65.189 Euro rufen die Zuffenhausener für den Einstieg in die Sportwagenwelt auf. Wem das Preis-Leistungs-Verhältnis trotz unemotionalerem Triebwerk zusagt, der bekommt ein perfektes Mittelmotorkonzept für so ziemlich jeden Anlass.

DATEN & FAKTEN 

Porsche 718 Cayman S (2018)

MOTOR 2,5-Liter-Vierzylinder-Mittelmotor (2.497 ccm, Boxer) mit Abgas-Turbolader und Ladeluftkühler
FAHRWERK PASM-Sportfahrwerk mit 20-mm-Tieferlegung; Porsche Torque Vectoring (PTV) inklusive mechanischer Hinterachssperre
RAD/REIFEN 9-Zoll-Cayman-S-Räder (8 x 19 ET vorn und 10 x 19 ET 45 hinten) mit 235/40 ZR 19-Bereifung vorn und 265/40 ZR 19 hinten
BREMSEN  4-Kolben-Aluminium-Bremse verstärkt mit gelochten 330-mm-Scheiben vorn und 299-mm-Scheiben hinten, innen belüftet; roter Bremssattel, elektronische Parkbremse
AUSPUFF zweiflutige Abgasanlage mit mittigem Doppelendrohr aus Edelstahl
GETRIEBE optionales 7-Gang-Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK)
INTERIEUR Dachhimmel, Lenkrad, PDK-Wählhebel und Ablagefach mit Alcantara bezogen; Carbon-Paket; Türeinstiegsblenden aus Carbon
CAR-HIFI Navigationssystem mit Touch-Bedienung; Digitalradio; Bose-Surround-Sound-System
TECHNISCHE DATEN  350 PS und 420 Nm; 1.385 kg Leergewicht; 0-100 km/h in 4,4 Sekunden; Vmax 285 km/h; 10,4 Liter kombinierter Testverbrauch
PREIS Grundpreis: 65.189 Euro; Testwagenpreis: 105.303 Euro