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Wolf Racing Focus RS (2019)

Zu tief für "Rallye Sport"

03.01.2019 14:50 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Jan Bürgermeister


Lange dauert es nicht mehr, dann dankt die dritte Generation des Ford Focus ab und macht Platz für den Mk4. Da liegt es natürlich nahe, dass wir uns den Focus RS von Wolf Racing mit 440 PS und 590 Nm haben kommen lassen. Ist er eine Bestie?

Die Erfolgsgeschichte von Ford RS ist inzwischen ein halbes Jahrhundert alt. Einen gewissen Höhepunkt fand die Historie 2015, als die dritte Generation des Focus RS vorgestellt wurde: Mit knapp 270 km/h Spitzengeschwindigkeit und einem Beschleunigungsvermögen von 4,7 Sekunden auf 100 Sachen war der Kölner Kompaktsportler der schnellste RS, den Ford jemals produziert hat. So toll es auch klingen mag, so polarisierend war der Auftritt auf dem Genfer Automobilsalon. Fans vermissten den guten, alten Fünfzylinder. Obwohl der Wagen äußerst potente 350 PS und 440 Nm leistet, musste man sich an das neue Vierzylinder-Triebwerk, den 2,3-Liter-EcoBoost, erst einmal gewöhnen. Einzige Wermutstropfen waren zumindest der vom „Ford Performance"-Team entwickelte Allradantrieb mit Torque Vectoring für noch höhere Kurvengeschwindigkeiten sowie vier einstellbare Fahrmodi inklusive Driftfunktion und adaptive Dämpfer. Schon damals war klar: Es gibt keine fünftürige Limousine, welche in dieser Klasse und zu diesem Preis fahrtechnisch auf ein ähnlich hohes Niveau kommt. Was passiert, wenn da dann noch eine Schippe draufgelegt wird? Viel!

Es gibt (fast) nichts zu heulen

Tuning: eine Form der Fahrzeugveredelung, um ein Auto schneller, individueller und auffälliger zu machen – sei es mithilfe von Optik oder Klang. Und gerade jene Disziplin beherrscht Wolf Racing aus Neuenstein bei Heilbronn, einer der bekanntesten Ford-Tuner, äußerst perfekt. Manch einer sagt, die Ford-Fan-Gemeinde sei so verschwindend gering, dass es ja kein Wunder sei, dass es kaum ernst zu nehmende Ford-Tuner gäbe – es lohne einfach nicht. Liebe Kritiker, sagt uns doch mal bitte, welches Fahrzeug denn in diesem Jahr zum wiederholten Male meistverkaufter Sportwagen war?! Ein Ford Mustang? Ach, nee ... Hinzu kommt, dass die Neuzulassungen des Ford Fiesta über 120 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt haben. Einzig der Focus schwächelt ein bisschen. Der Zulassungswert ist zwar um knapp 18 Prozent gesunken, wird aber mit dem neuen Modell sicherlich wieder steigen. Aber völlig egal, denn Wolf Racing hat alle Hände voll zu tun. Am besten angenommen wird übrigens das Tuning-Programm für die Focus-ST-Modelle, aber auch ein paar RS werden pro Woche vor Ort umgebaut. Warum Wolf Racing nicht wie andere spezialisierte Tuner mit roten Zahlen zu kämpfen hat, liegt nicht nur am angeschlossenen Ford-Autohaus, sondern vielmehr an der guten Arbeit. Ersichtlich am Testwagen, einem Focus RS Mk3 mit Stage-3-Tuning und stimmiger Optik, auch wenn unserer Meinung nach das Design der Folie sowie der 20 Zoll großen Lupus-Lightweight-Felgen ein wenig aus der Mode gekommen ist – aber Geschmäcker sind ja verschieden. Über das üppige Carbon-Anbaupaket für knapp 8.600 Euro in Kombination mit der serienmäßigen schwarzen Lackierung gibt es für unseren Geschmack nichts zu meckern. Zwar käme die Kohlefaser bei dem typischen RS-Blau sicherlich besser zur Geltung, dennoch wirkt sie am ultratiefen Focus im richtigen Licht ziemlich brutal.

Insgesamt besteht dieses Aerodynamik-Paket aus Front-Grill-Einsatz, Frontspoilerlippe, Frontspoileransatz, Seitenschweller, Lufteinlassblenden und Diffusor. Was gut aussieht, stellte sich in unserem Test allerdings kaum alltagstauglich heraus: Die tief angeordneten Anbauteile an der Frontpartie lassen aufgrund der mächtigen Tieferlegung des Wolf-Racing-Gewindefahrwerks (by Eibach) nämlich kaum eine Gelegenheit aus, am Boden zu schleifen. Fahrbahnunebenheiten, Straßenhubbel oder Bahnübergänge werden zu einer echten Herausforderung. Schlaglöcher? Lieber nicht! Kleiner Tipp: Wer vorausschauend fährt, kann das Risiko einer Beschädigung minimieren. Und sonst so? Ist er äußerst pflegeleicht. Kein Schleifen im Radkasten, obwohl wenig Platz und die spezielle Fahrwerksabstimmung sogar etwas weicher als bei der Serie ist. Dieses Set-up minimiert gerade bei schnellen Spritztouren das Hoppeln, ohne dass die Direktheit der Lenkung darunter leidet. Und da die Basis dieses Autos hier als RS für Rallye-Sport steht, muss man sich auch fragen, wie es sich wohl auf unbefestigtem Untergrund oder gar Schnee fahren lässt, oder?! Schnee konnten wir im August leider keinen finden, jedoch sehr wohl eine unbefestigte Straße: Wenn es nämlich darum geht, das Auto mit einer gesunden Dosis Drosselklappenwinkel querzustellen, dann sind exzessive Raddrehzahlunterschiede eher hinderlich – man braucht also eine Differenzialsperre! Wolf Racing verbaut genauso eine für 3.000 Scheine extra; äußerst hilfreiches Teil für noch sportlicheres Fahren!

Schafft er die Vorgaben?

Die Leistungssteigerung des 2,3-Liter-Vierzylinders auf 440 PS und 590 Nm resultiert aus der individuellen Kennfeldoptimierung, einer 3-Zoll-Komplettabgasanlage inklusive Downpipe mit HJS-Sportkat, optimiertem Turbolader sowie Veränderungen der Motor-Peripherie. Was den Klang angeht, wirkt er im Innenraum eher verhalten als sportlich. Die Fehlzündungen bei Schaltvorgängen hören sich gefühlt etwas blecherner an als beim Original. Je mehr die Drehzahlnadel unter Volllast anzeigt, desto knackiger wird auch der Sound. Vor allem das Turbopfeifen hört man sehr deutlich, wenn der Wolf mit Vollgas auf der Autobahn an einem vorbeibeschleunigt. Apropos: Der Tuner datiert das Sprintvermögen auf 4,1 Sekunden von null auf 100 km/h und verspricht eine Höchstgeschwindigkeit jenseits der 280. Damit sei er nicht nur mehr als eine halbe Sekunde eher auf Landstraßentempo als das Original, sondern auch in der Endgeschwindigkeit gute 20 km/h schneller. Auf kurze Nachfrage per Telefon erklärte uns der Inhaber Walter Wolf, dass man, um den Beschleunigungswert zu erreichen, leicht die Kupplung des Handreißers schleifen lassen müsse, da sich die Anti-Schlupf-Regelung nicht ganz aus dem Steuergerät herausprogrammieren lässt. Mit einem schlechten Gewissen gegenüber der Kupplung haben wir es dann genau so probiert – Ergebnis der GPS-Messung: 4,3 Sekunden. Damit etwas schlechter als angegeben, aber dennoch 0,4 Sekunden besser als das Serienpendant. Und die Vmax? Die lässt die Arme am serienmäßigen RS-Sportlenkrad ganz schön verkrampfen, denn Spurrillen mag der Wagen ziemlich gerne. Bei 284 km/h ging es für uns und den Focus RS nicht mehr weiter – ein völlig ausreichender Wert, denn viel schneller können und wollen wir auf öffentlichen Straßen eh nicht fahren.

Bald gibt's Nachschub!

Im Zuge der Einführung der neuen, der vierten Ford-Focus-Generation (die Markteinführung in Deutschland ist für September 2018 geplant) lief die RS-Produktion in diesem Frühjahr aus. Nun wird im Werk in Saarlouis (Saarland) alles für die vierte Generation umgebaut – der Focus RS Mk4 ist also nur eine Frage der Zeit, sodass auch die Geschichte von Wolf Racing bald erfolgreich fortgeschrieben werden könnte.

WERTUNG: 3,5 Sterne (von 5)

„Ein spaßiger Porsche-Schreck fürs Wochenende"

Es ist wirklich schade, dass der Focus RS nur noch vier Zylinder in sich trägt, dafür kann Wolf Racing aber nix. Das Komische: Die Leistung fühlt sich nicht so brachial an, wie sie tatsächlich ist. Unsere Messwerte zeigen, dass die Leistungssteigerung auf 440 PS durchaus Wirkung haben und selbst einen Porsche 911 Carrera 4 kaltstellen kann. Das Handling und der Spaßfaktor sind dank mechanischer Sperre auf noch höherem Niveau, allerdings ist die krasse Tieferlegung samt 20-Zöller und ultratiefem Carbon-Frontsplitter nur wenig alltagstauglich. 

MOTOR  3,5
LEISTUNG 4
HANDLING 4
SPASSFAKTOR 4
ALLTAG 2,5
PREIS/LEISTUNG 3

DATEN & FAKTEN 

Ford Focus RS by Wolf Racing 

MOTOR 2,3-Liter-Vierzylinder mit Turboaufladung (EcoBoost); Kennfeldoptimierung und Änderung der Motor-Peripherie von Wolf Racing; Tubrolader-Optimierung;Leistung: 440 PS und 590 Nm
FAHRWERK Ford-Performance-Allradantrieb; speziell abgestimmtes Gewindefahrwerk und Differenzialsperre von Wolf Racing
RAD/REIFEN Lupus-Lightweight-Felgen in 8,5 x 20 Zoll ET40 mit Bereifung in 235/30 R20
KAROSSERIE Wolf-Racing-Carbonpaket bestehend aus Motorhaube, Front-Grill-Einsatz, Frontspoilerlippe (OEM), Frontspoileransatz, Seitenschweller, Lufteinlassblenden und Diffusor
INTERIEUR Pedalsatz aus eloxiertem Aluminium mit Wolf-Emblem
BREMSEN Brembo-Bremse mit Sätteln in RS-Blau; Scheibengröße 350 mm x 25 mm vorn und 302 mm x 11 mm hinten
AUSPUFF 3-Zoll-Komplettabgasanlage mit Downpipe von Wolf Racing; HJS-Metallsportkat
GETRIEBE Durashift-6-Gang-Schaltgetriebe
TECHNISCHE DATEN Leergewicht: 1.529 KG, 0 – 100 km/h in 4,3 Sekunden; Vmax: 284 km/h, kombinierter Testverbrauch der Redaktion: 11,8 Liter (mindestens 100 Oktan); EU 6
PREIS  Tuningzubehör: 22.879 Euro; Testwagenpreis: 59.490 Euro