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Abarth 124 Spider

Offen für alles

02.10.2017 17:11 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Jan Bürgermeister

Die Definition von Leidenschaft und Fahrfreude ist mitunter ganz schön unterschiedlich. In Italien sprechen sie von „Emozioni“, in Japan von „Kanjō“. Kombiniert man diese beiden Ansichten, so erhält man den neuen Abarth 124 Spider – klingt komisch, ist aber so.

 

Im Herzen ist er ein Italiener, seine technischen Wurzeln liegen jedoch in Japan. Ganz so „tradizione sportivo“ ist der neue Streich von Abarth dann vielleicht doch nicht mehr. Auch wenn es so etwas Ähnliches schon mal im Alfa Romeo Arna gab. Damals kollaborierte man mit Nissan, was nach hinten losging. Diesmal probiert es der FCA-Konzern mit Mazda, genauer gesagt mit dem Hit-Roadster MX-5 – ob’s diesmal klappt? Die Zeichen stehen gut, denn der Japan-Roadster ist das Paradebeispiel für offenen und günstigen Fahrspaß: zweisitzig, stoffverdeckt, hinterradgetrieben, leicht. Perfekte Sportwagen-Gene! Aufgrund motorischer Unterschiede (kommen wir später zu), wiegt er allerdings 50 Kilo mehr und ist rund 16 Zentimeter länger als das japanische „Schwestermodell“, aus dem er zitiert. Ob er schlechter oder besser ist? Schwer zu sagen. Denn alleine die Vorgeschichte des Abarth 124 Sport Spider von 1966 könnte „ziehen“, denn Neuauflagen und Modelle mit historischen Anknüpfungspunkten sind beliebt bei diversen Käuferkreisen – Stichwort: Fiat 500.

 

Kein Vergleich zum MX-5

 

Trotz der Seelenverwandtschaft zum Mazda MX-5 trennt sich bereits bei der Produktion die Spreu vom Weizen. Während die „normalen“ Spider tatsächlich nach ihrer Endmontage in Fernost ausgeliefert werden, darf das von Abarth gespitzte Modell noch mal nach Italien reisen, wo Dinge wie die Abgasanlage und Bicolor-Lackierung überarbeitet werden. Wer möchte, kann aber auf die Zweifarbenlackierung verzichten und zwischen Rot, Weiß, Blau, Grau und Schwarz wählen. Wobei nur das „Costa Brava 1972 Rot“ nicht aufpreispflichtig im Katalog steht. Auch der Rest des Fahrzeugs gibt sich relativ eigenständig, sodass nur Kenner den japanischen Einfluss schmecken dürften. Schon allein das, was aus dem „Record Monza“-genannten Auspuff tönt, klingt um Längen rotziger als beim MX-5. Er röchelt, pfeift und gurgelt so lautstark vor sich hin, dass man meinen könnte, er wäre treffsicher am Rande der Legalität. „Keine Sorge. Alles Serie, Herr Prüfer!“ Dabei ist es auch egal, ob der Kippschalter mit Sportmodus betätigt wurde oder nicht. Richtig spaßig sind auch die Schaltvorgänge des straffen Sechsganggetriebes: Wer den Schaltstock im richtigen Moment durch die Gassen führt, der wird mit einem herrlichen Knall belohnt. Dafür erntet man dann schnell auch mal ein Kopfschütteln genervter Passanten. Der 1,4-Liter-Turbovierzylinder mit 170 PS und 230 Newtonmeter (bekannt aus dem Aarth 500) geht beherzter zur Sache als der „Zwoliter“ im Mazda mit 160 PS. Er bietet ein besseres Ansprechverhalten und rennt in 6,8 Sekunden auf Landstraßentempo. Lediglich nach oben heraus geht dem Triebwerk spürbar die Puste aus. Immerhin wird die fehlende Leistung durch das neue Bilstein-Fahrwerk kompensiert. Es findet einen guten Spagat zwischen bocksteif für diverse Blödeleien sowie ernst gemeinter Fahrdynamik, wie es sich für einen Roadster seiner Zunft gehört – dazu trägt auch die perfekte Gewichtsverteilung von 50/50 bei. Schaurig fanden wir allerdings die viel zu hohe Bodenfreiheit, mit welcher sich der Abarth präsentierte. Das passt nicht so zum sonst so aggressiven Auftritt, der vor allem aus den roten Applikationen, den schwarzen „Corsa“-Leichtmetallfelgen und den Brembo-Zangen resultiert. Tieferlegung, bitte! Aber pronto!

 

Das schnellste Verdeck, dass wir kennen

 

Das Cockpit haben die Italiener gut hinbekommen. Vor allem das Verdeck so einfach wie genial: Binnen kürzester Zeit hat man seine ganz eigene „Nach-hinten-schmeiß-Technik“ heraus, die auch gut und gerne während der Fahrt funktioniert. Innerhalb drei Sekunden fährt man offen oder zu – keiner kann das schneller! Die Sitzposition ist schön tief, und die Ledersitze bieten einen guten Seitenhalt, sofern man sich körperbautechnisch im Normalmaß bewegt. Der Drehzahlmesser ist rassig-rot hinterlegt und sitzt sportwagentypisch zentral im Instrument. Das Lenkrad liegt mit 12-Uhr-Markierung gut in der Hand, lässt sich allerdings nur in der Länge verstellen – schade. So kann es in Sachen Beinfreiheit zum Steuer für 1,90-plus-Fahrer schnell mal eng werden. Obendrein verwöhnt der Innenraum mit ein bisschen Alcantara hier und ein bisschen Ausstattung da. Sofern gewünscht, lassen sich auch Extras wie das optionale erhältliche Navi dazu bestellen, welches sich bei uns ruckelfrei und gut bedienen ließ. Der Gesamteindruck der Verarbeitung ist gut, das verbaute Plastik wirkt aber nach wie vor Fiat-typisch etwas billig.

 

Ist der 124 der bessere Japaner?

 

Die Frage wäre ähnlich der nach der richtigen Frau. Erstens Geschmackssache, zweitens hat jede ihre Stärken und Schwächen. In diesem Fall wäre der Abarth 124 Spider etwas für den Spaß, für die Leidenschaft. Er ist anders als der MX-5, energischer, wilder, hat mehr Charakter. Ja, er macht glücklich. Und das ist sowieso das Wichtigste. Nur ob sich der Mehrpreis von rund 15.000 Euro im Vergleich zu einem Fiat 124 Spider Lusso mit 140 PS oder circa 12.000 Euro zu einem 160-PS-Mazda in der „Sports-Line“-Ausstattung lohnt, bleibt Geschmackssache. Auch wenn der Abarth rein objektiv verglichen optisch, akustisch und fahrtechnisch besser aufgestellt ist.

 

 

Italienischer Drivestyle mit viel Emozioni“ – 4 von 5 Sternen

 

Auch wenn der Abarth 124 Spider auf dem MX-5 basiert, ist er eigentlich ein ganz anderes Auto. Andere Maße, anderer Motor, anderes Design. Das Handling ist knackig, auch optisch und akustisch hat uns der Roadster gefallen. Lediglich der 1,4er-Motor könnten neben mehr Hubraum auch noch ein paar zusätzliche PS vertragen. Abzüge gibt es für das zu billige Plastik im Interieur sowie den überteuerten Basispreis von 40.000 Euro.