Anzeige

 Anzeige

Golf 1 von Christian (2019)

Feel the rush!

09.01.2019 14:53 Uhr

Text: Patrick Zwerger | Fotos: Alexander Wipperfürth


Ein schneller Rennwagen ist nicht schön – und ein schönes Showcar ist nicht schnell. Stimmt. Manchmal. Doch es gibt Leute, die solche Klischees mit ihren Autos einfach plattwalzen. Leute wie Christian Blümke zum Beispiel. Und Autos wie sein Einser GTI: 500 PS – bildhübsch verpackt!

Die Geschichte dieses Turbomonsters beginnt als Rohkarosse – Rost und Beulen inklusive. 2013 erhielt Christian Blümke selbige von Freunden zum Geburtstag, in der Hoffnung, dass daraus irgendwann wieder ein strahlender Einser GTI entstehen könnte. „Ich hatte schon länger vor, einen Golf 1 aufzubauen", erinnert sich Christian – und lacht: „Allerdings mehr so in Richtung H-Kennzeichen, also möglichst original." Nun, so viel seht ihr sicher selber: Daraus ist nicht wirklich was geworden. Auch wenn die Sache ziemlich harmlos begonnen hat. Aber irgendwann legte sich in Christians Hirn irgendwo ein Schalter um – und es gab kein Halten mehr.

Zunächst jedoch galt es, die rostige Blechhülle wieder mit Leben zu füllen. Also wurde geschweißt und restauriert, was das Zeug hält – bis die Karosserie wieder aussah, als wäre sie soeben aus dem Wolfsburger VW-Werk geschlüpft. „Beim Wiederaufbau habe ich dann festgestellt, dass mir der nackte Innenraum, also ohne Teppich und den anderen Schnickschnack, viel besser gefällt", erklärt Christian. „So entstand dann die Idee, den Golf als Rennwagen aufzubauen – und wir haben alles, was an Dämmung und Stoff noch in der Karre war, radikal entfernt."

Nun hat so ein Karosserie-Rohling ja den großen Vorteil, dass er einem bei der Auswahl sämtlicher Komponenten maximalen Handlungsspielraum lässt. Diese Wahlfreiheit kann aber auch schnell zur Qual werden. Die Frage nach dem passenden Motor ließ bei Christian und seinen Kumpels jedenfalls mächtig die Köpfe rauchen. Szenarien mit „kleinem" Triebwerk waren rasch verworfen, Christian wollte schließlich ein schnelles Auto: „Irgendwann sind wir dann beim 1,8T hängen geblieben."

Mehr Power!

Natürlich trafen die Tüftler ihre Wahl nicht ohne Hintergedanken. Der 1,8T ist schließlich einer der Tuning-Motoren schlechthin. Mehr Power hieß das Zauberwort! Für diese Mission holte Christian seinen Namensvetter Christian Schröter von Snakeperformance mit ins Boot. In gemeinsamer Absprache entstand so ein Set-up, das Kraft und Ausdauer gleichermaßen sicherstellen sollte. „Herzstück des Ganzen ist ein GTX 3076-Turbolader von Garrett", führt Christian aus. „Das zog natürlich einen enormen Rattenschwanz an Umbauten hinter sich her, von der Einspritzanlage über Pleuel, Kolben, Lagerschalen und so weiter. Sonst wäre der Motor sofort abgeraucht. Sogar eine Blockversteifung haben wir montiert und die Kurbelwelle feingewuchtet." Nun schlug außerdem die Stunde der Freundschaft für Christian. Während Kumpel Daniel sich darum kümmerte, dem 1,8T einen passenden Krümmer, eine neue Abgasanlage und die perfekte Ladeluftverrohrung zu schneidern, nahm sich Kumpel Benjamin des Kabelbaums an. Das aber entpuppte sich als echte Geduldsprobe: „Erst hatten wir die Verkabelung so konzipiert, dass die neue Technik mit dem Seriensteuergerät lief", erzählt Christian. „Als wir die Karre dann aber auf den Prüfstand stellten, merkten wir schnell, dass das nicht so richtig hinhaute." Also musste Benjamin ein zweites Mal ran, besorgte ein frei programmierbares Steuergerät und lötete sich die Finger wund, um einen dazu passenden Kabelbaum zu zaubern.

Die Geduldsarbeit zahlte sich aus: Mit der neuen ECU schaffte der Golf bei 0,8 bar Ladedruck passable 253 PS. Allerdings mit Luft nach oben. Viel Luft! „Deshalb haben wir eine zusätzliche Abstimmung mit anderer Ansaugung und anderer Abgasanlage herausgefahren", so Christian. „Damit konnten wir 2,3 bar Ladedruck ins Triebwerk pressen – und kamen so deutlich über 500 PS bei 600 Nm. Da waren wir natürlich begeistert!"

Bei aller Euphorie verlor die Schrauber-Crew aber nie das große Ganze aus den Augen. Heißt konkret: Auch der Rest des Wagens wurde leistungsgerecht angepasst. Ein ABS aus dem Golf 4, 305er-Bremsen vom Porsche 987 an der Vorder- und eine VR6-Bremsanlage an der Hinterachse halten die Turbowut im Zaum, Verstärkungen an der Karosserie verhindern, dass der Golf dabei aus dem Leim geht.

Gelb oder rot?

Nun war technisch eigentlich alles paletti für die Viertelmeile. Aber Technik ist eben nur die eine Seite, das Auge isst bekanntlich mit. Also raus mit dem ganzen Kram, den Wagen wieder nackig machen und dann ab damit zum Lackierer. Das Rot, in dem der GTI heute erstrahlt, war übrigens nur zweite Wahl, denn ursprünglich wollte Christian den Golf sonnengelb pinseln lassen. „Aber dann hat ein Bekannter aus dem Nachbarort seinen Einser in exakt dieser Farbe lackiert – und mein Traum war geplatzt ..." Halb so wild, im Nachhinein betrachtet war Marsrot mindestens genauso passend. Und irgendwie wirkt Rot auf der Rennstrecke immer noch eine Spur schneller, spritziger als Gelb. Kein Wunder, dass der GTI die Viertelmeile in 12,7 Sekunden packt – wohlgemerkt mit Semislicks. „Das liegt aber auch an der perfekten Abstimmung durch Snakeperformance", lacht Christian. „Wir hatten am Anfang vor allem in den ersten Gängen massive Traktionsprobleme. Deswegen ist der Motor nun so präpariert, dass der Ladedruck gangabhängig variiert."

Racecar mit Stylefaktor

Wie aber kam es letztendlich dazu, dass aus dem Rennwagen ein Showcar wurde? Christian erzählt: „Ende der Saison 2017 bot mir Sourkrauts an, dass ich meinen Golf auf der Essen Motor Show bei ihnen am Stand ausstellen könne. Natürlich war das eine Ehre für mich, aber ich wollte für diesen Anlass auch einen perfekten Style für den Wagen kreieren. Sprich: tief und mit mehrteiligen Felgen." So wurde der GTI für die Motor Show mit gekrenzerten Porsche Hackmesser-Dreiteilern bestückt und das bereits verbaute Gewinde auf Anschlag herabgedreht. „Dabei ist mir aber schnell klar geworden, dass ich für die Zukunft eine Lösung brauchte, mit der ich tief und alltagstauglich zugleich unterwegs sein konnte. Da kamen dann die Jungs von TA Technix ins Spiel." Dort hatte man nämlich gerade ein Airride mit Gewindedämpfern entwickelt, das für diesen Zweck wie geschaffen war. Allerdings passten jetzt die Hackmesser-Räder nicht mehr unters Auto. Deshalb legte sich Christian einen Zweitsatz BBS E50 zu, Variante „fett und breit". Jetzt kennt der Tiefgang keine Grenzen mehr. Und Christian hat es tatsächlich vollbracht: Sein Golf vollführt den Spagat zwischen Show und Performance so gekonnt, dass man direkt neidisch werden könnte. „Mein Ziel war, eine Eier legende Wollmilchsau zu bauen – einen Racer, der schnell und sicher ist, aber auch ein Showcar, mit dem man sich auf Treffen sehen lassen kann." Ziel erreicht? Oh ja. Und wie!

DATEN & FAKTEN 

Christian Blümke > Golf 1 GTI (1983)

MOTOR 1,8T 20 V, komplett revidiert und leistungsgesteigert; Zylinderkopf maschinell bearbeitet, Supertech-Ventile und Federn, Sitzringe und Führungen erneuert; Nockenwellen vom 1,8-l-20V-Saugmotor, Hubraum erweitert, Blockversteifung, Stehbolzen von ARP, neue Kolben, SCAT-Pleuel, feingewuchtete Schmiede-Kurbelwelle; Ölpumpe mit höherer Pumpleistung, Kolbenbodenkühlung vergrößert, Kühler vom Corrado G60 („warme Länder-Ausführung"), Audi-RS4-Zündspulen von NGK; Eigenbau-Abgasanlage, Eigenbau-Ansaugkrümmer und Eigenbau-Ladeluftverrohrung aus Edelstahl, Garrett GTX 3076-Turbolader, modifizierte Einspritzanlage, frei programmierbares Steuergerät EMU ECU; GTI-Tank mit interner DeatschWerks-Pumpe, zweiter Tank im Heck mit Pierburg-Benzinpumpe, Eigenbau-Einspritzleiste mit vier 1000-ccm-Düsen; Sechsgang-Getriebe (FMH) mit individueller Übersetzung, OBX-Sperrdifferenzial, Eigenbau-Kupplung (mit Komponenten vom G60/Audi RS2), Schwungrad vom G60, aufgedreht auf 240 mm; Leistung im Straßen-Set-up 253 PS (0,8 bar Ladedruck), maximale Leistung mit 2,3 bar Ladedruck +500 PS und 600 Nm; Motor und diverse Anbauteile schwarz glänzend gepulvert, Motor- und Getriebehalterung Marke Eigenbau
KAROSSERIE komplett restaurierte Rohkarosse, diverse Schweißarbeiten, Radläufe erneuert; Seitenwände und Vorderwagen teilweise grundlegend erneuert und versteift; Komplettlackierung in Marsrot (innen und außen), schwarzes Sourkrauts-Foliendekor; Heck vom 1979er-GTI mit kleinen Rückleuchten, gelbe Frontscheinwerfer, Motorhauben-Schnellverschluss
FAHRWERK Luftfahrwerk von TA Technix mit Gewinde-Dämpfern, Airlift-Steuerung; Serienstabilisatoren, OMP-Domstreben oben und unten; Achszapfen vom Golf 3 an der Hinterachse, Vorderachse mittels Eigenbau verstärkt; ABS vom Golf 4
RAD/REIFEN dreiteilige BBS E50-Rennsportfelgen aus Magnesium in 7,5 x 17 Zoll vorn und 8,5 x 17 Zoll hinten auf Nankang NS 20 in der Dimension 185/35/17; H&R-Adapterplatten von Lochkreis 5 x 100 auf 5 x 130
BREMSEN vorn Bremsanlage vom Porsche 987 mit 305-mm-Scheiben, hinten VR6-Bremsen mit 226-mm-Scheiben
INTERIEUR Innenraum komplett leer geräumt und auf Race-Optik getrimmt; Vollschalensitze, OMP-Sportlenkrad (350 mm mit 90-mm-Schüsselung); Tacho vom Seat Ibiza Cupra, Zusatzinstrumente von VDO und Zeitronix (Lambda-Messsystem); angepasster Überrollkäfig von OMP mit zusätzlichen Streben, 3-Zoll-Gurte von Sandtler, Feuerlöscher, Shortshifter
CAR-HIFI Fehlanzeige! (Bose Mini Link II regelt das im Zweifelsfall ...)
DANKE AN Daniel Schulz, Christian Liefeld, Dennis Heinrich und die Firma C1unikates für die Schweißarbeiten; Benjamin Beselt für sämtliche Arbeiten an Kabelbaum und Elektrik; Marco Wolter und Paul Linnecke fürs Lackieren; Christian Schröter von Snakeperformance für die Motorarbeiten, Abstimmung und jegliche andere Hilfe; die Firma KKS für die Bereitstellung des Prüfstands zum Einfahren und Abstimmen, Tobias und Michel Witt für ihre Ausdauer!