Polizei vs. Poser in Mannheim
Wer hält länger durch?
22.11.2017 15:23 Uhr
Text: Peter Hintze | Fotos: Andreas Schink, Polizei Mannheim
Krach macht krank: Mit Intensivmaßnahmen gegen sogenannte Poser (englisch to pose: sich darstellen, Anm. d. Red.) hat die Stadt Mannheim im Sommer bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Stadtverwaltung und Polizei gingen im August und September gemeinsam konsequent gegen eine Gruppe von Autofahrern vor, die mit aufgemotzten Fahrzeugen in der Innenstadt wiederholt sinnlos den Lärmpegel in die Höhe trieben – zum Ärger von Anwohnern, Geschäftsleuten und Passanten, indirekt aber auch zum Verdruss von Tuning-Begeisterten, weil diese „Angeber" die Szene in Verruf bringen …
Unrühmlicher Spitzenreiter war ein BMW M5, dessen Besitzer den Auspuff aufgeschlitzt hatte. Eine Messung ergab 138 Dezibel, was der Lautstärke eines Düsenjets entspricht.Das Mannheimer Poser-Problem ist nicht neu, sagt Dieter Schäfer, Leiter der örtlichen Verkehrspolizeidirektion. Das Phänomen trete bei schönem Wetter regelmäßig auf und existiere bereits seit fast zehn Jahren. Dass es die süddeutsche Stadt einmal in die Prime-Time-Nachrichten der großen Fernsehsender schaffen würde, hat den Mannheimer Polizeidirektor dann doch überrascht. Heute-Nachrichten (ZDF), Brisant (ARD), Landesschau Baden-Württemberg (SWR) – das Echo in den Medien – zusätzlich beflügelt durch vier Mannheimer Bürgerinitiativen, das Sommerloch und ein spektakuläres Maßnahmenbündel – fiel enorm aus.
„Ich trenne zwischen Posern und Tunern", stellt Dieter Schäfer, Leiter der örtlichen Verkehrspolizeiinspektion, klar – vorausgesetzt, die Modifikationen entsprächen der Zulassungsordnung. Sowohl für Tuner als auch für Poser ist das Auto ein Lebenselixier. Abgesehen davon gibt es aus Sicht der Polizei kaum Schnittmengen. Ein Hobbyschrauber genießt Ausfahrten und steuert womöglich das eine oder Treffen an, um seine Arbeit zu präsentieren. Der Poser hingegen versucht, sich über sein Fortbewegungsmittel darzustellen
Die Aktion der Polizei genoss hohe mediale Aufmerksamkeit
„Wir unternehmen viel, um die Aufenthalts- und Wohnqualität in Mannheim zu verbessern. Mit unserem konzentrierten Vorgehen gegen die Poser-Szene ist uns hier ein weiterer wichtiger Schritt gelungen", resümiert Erster Bürgermeister und Sicherheitsdezernent Christian Specht.„Jung, männlich und mit mediterranem Migrationshintergrund" – so beschreibt Dieter Schäfer den typischen Mannheimer Poser. Der Rest bedient Klischees: Der Poser braucht Publikum wie der Schauspieler auf der Theaterbühne, fährt vorzugsweise einen BMW M3, M4 oder M5 beziehungsweise einen Mercedes-Benz AMG. In Einzelfällen auch mal Edelkarossen wie Jaguar oder Maserati. Hochwertige Autos fielen der Polizei durch ihre Klappenauspuffanlagen oder „Active Sound Booster" auf. Es gab aber auch Poser, die einfach Dreiecke oder Quadrate ins Endrohr geflext oder gleich den gesamten Auspufftopf ausgeräumt hatten. Doch die Szene sei überschaubar, es handle sich um 500 bis 600 Fahrzeuge, zieht der Ordnungshüter nach einem siebenwöchigen Einsatz Bilanz.
Diese "Gelbe Karte" verteilt die Mannheimer Polizei an Auffällige
Polizei und Stadtverwaltung der Stadt Mannheim wollen am Ball bleiben. „Ich bin nicht so blauäugig, zu glauben, die Poser vertrieben zu haben", sagt der Polizeidirektor und ergänzt: „Wer ein 100.000-Euro-Auto fährt und unnötig Lärm verursacht, dem ist mit zehn Euro Ordnungsgeld nicht beizukommen." Die Mannheimer können auch weiter per Mail an mannheim.vd@polizei.bwl.de Mitteilungen über Verstöße machen. „Sollten die Zahlen wieder ansteigen, werden wir reagieren", gibt sich Dieter Schäfer kämpferisch. Der Erfolg scheint ihm recht zu geben. Selten habe die Mannheimer Polizei nach einem Einsatz so viele Dankesmails bekommen, sei aber auch selten so einem Shitstorm in den sozialen Netzwerken ausgesetzt gewesen. Aber eines ist für Dieter Schäfer sicher: Lärm ist kaufbar, wenn man das nötige Kleingeld hat ... Hier seien der Bund und die EU gefordert, entsprechende Richtlinien zu erlassen.
Diese Fahrzeuge wurden von der Polizei beschlagnahmt
Das droht den Mannheimer Posern
Wer beim Posing erwischt wird, erhält eine Verwarnung wegen unnötigen Lärms (zehn Euro). Uneinsichtige Wiederholungstäter werden bei der Bußgeldbehörde angezeigt. Sie erhalten wegen vorsätzlichen Handelns ein erhöhtes Bußgeld. Das Amtsgericht Singen hat bereits ein erhöhtes Bußgeld von 100 Euro für wiederholten unnötigen Lärm nach § 30 StVO bestätigt.
Bei Verdacht der Manipulation an der Auspuffanlage wird das Fahrzeug sichergestellt oder beschlagnahmt. Ein Sachverständiger erstellt dann ein Gutachten. Schlimmstenfalls wird das Fahrzeug entstempelt und muss neu zugelassen werden.
Eine Übersicht der Kosten
Abschleppdienst: rund 150 Euro
Gutachten: bis zu 250 Euro
verkehrssicherer Rückbau inklusive Zulassungsverfahren: etwa 150 Euro
Bußgeld: bis zu 180 Euro für den Fahrer
und/oder bis zu 270 Euro für den Halter bei Vorsatz